Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kümmern sich bald Roboter um Senioren?
Wer vorschlägt, dass Roboter in der Pflege helfen könnten, stößt auf viele Vorbehalte. Fachleute sehen das anders: Maschinen könnten dem Personal am Ende mehr Zeit für die Patienten verschaffen
Viel verloren hat die alte Frau, vielleicht sogar alles. Die Stuhllehne hält ihren Rücken, ihre Schultern hängen, das Kinn liegt fast auf dem Brustbein, ihre dunklen Augen fixieren das weiße Fellknäuel in ihren Armen. Das Bild stammt aus dem Jahr 2011, die Frau ist eines der Opfer des Tsunami in Japan. Doch so traurig das Bild auch ist: Für Elisabeth André und vielleicht viele andere drückt es doch Hoffnung aus.
Denn das Fellknäuel in den Armen der alten Frau auf dem Bild ist keine Katze, kein Hamster oder Schoßhund. Es ist auch kein Teddybär, sondern ein Roboter – und dieser soll tatsächlich dazu in der Lage sein, der alten Frau und auch anderen Senioren Zuneigung und Trost zu spenden. „Wir wissen, dass menschliche Interaktion durch nichts zu ersetzen ist“, sagt Elisa- beth André. Haustiere hingegen seien bei Einsamkeit besser als Roboter. „Aber ein sozial interagierender Roboter bewirkt deutlich mehr als keine Interaktion.“
André ist Professorin an der Universität Augsburg und forscht am Institut für Informatik zur Multimodalen Mensch-Technik Interaktion. Sie war gemeinsam mit Andreas Keibel, dem Kuka-Experten für Roboter in der Pflege, und dem Stuttgarter Soziologen Jürgen Hampel zu einer Podiumsdiskussion zur Frage „Wem helfen Roboter in der Pflege?“in der Stadtbücherei eingeladen.
Hampel präsentierte Ergebnisse des Technik-Radars – einer Untersuchung, aus der hervorgeht, dass ein überragender Anteil der Befragten sehr skeptisch dem Einsatz von Technik in der Pflege gegenübersteht. Vermutlich ernüchternde Ergebnisse für Keibel und André, die – wie Hampel aber auch – große Chancen für Patienten, Industrie und Pflegewesen im Einsatz von Pflegerobotern sehen. Woran es bislang hakt, konnte Manager Keibel darstellen: Da es momentan keinen Absatzmarkt für die Geräte gibt, stellt die Industrie sie auch nicht her. Als Folge davon können auch keine Geräte zertifiziert werden, sodass die Krankenkassen diese Mittel auch nicht bewilligen können – weshalb wiederum kein Markt existiert.
Die Vorbehalte verglichen die Gäste im Raum und auf der Bühne mit denen, die gegen autonom fahrende Fahrzeuge bestehen. Sobald dieser Kreislauf verlassen wird, könnte die Forschung wie etwa von Professor André die Engpässe in der Pflege tatsächlich durchbrechen, Pfleger bei „drögen Aufgaben“entlasten, wie Keibel es nennt – und damit letzten Endes sogar für mehr Menschlichkeit sorgen. Denn, so ist der Gedankengang aller drei Diskutanten: Je weniger simple Tätigkeiten das Personal bewältigen muss, desto mehr Zeit bleibt für die Patienten. Und angesichts der stetig wachsenden Zahl älterer und hilfsbedürftiger Menschen bei gleichzeitiger sinkender Zahl von Erwerbsfähigen geraten die Verantwortlichen zunehmend unter Zugzwang, das Pflegepersonal zu entlasten.
Einen Schritt dazu ging Professor André kürzlich, als sie gemeinsam mit einem Ulmer Klinikum einen virtuellen Physiotherapie-Assistenten entwickelte. Dieser steuert und hilft bei Therapieeinheiten, bei denen kein Therapeut selbst notwendig ist. André forscht mehrheitlich zur Kommunikation von Menschen und Robotern. Bedeutend ist dabei ganz besonders die Wahrnehmung und Simulation menschlicher Eigenschaften. Sie arbeitet dabei mit anderen Fachbereichen zusammen, wie etwa mit Psychologen oder Medizinern – die bald auch mit einer Fakultät an der Universität Augsburg vertreten sein werden. Den Informatikern an der Universität ist es jedenfalls bereits gelungen, mit Robotern zu arbeiten, die an einem Menschen erkennen können, wie er sich fühlt.
Hauptsächlich sollen die Assistenten-Roboter in der Pflege tatsächlich aber technische Tätigkeiten übernehmen: Wäsche transportieren, Patienten heben oder Informationen übermitteln etwa. Die emotionale Ebene bleibt weiterhin menschlich – und wird, wenn es nach Keibel, Hampel und André geht, sogar noch ausgebaut werden können.
Wenn der Roboter Gefühle erkennen kann