Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kümmern sich bald Roboter um Senioren?

Wer vorschlägt, dass Roboter in der Pflege helfen könnten, stößt auf viele Vorbehalte. Fachleute sehen das anders: Maschinen könnten dem Personal am Ende mehr Zeit für die Patienten verschaffe­n

- VON CHRISTOF PAULUS

Viel verloren hat die alte Frau, vielleicht sogar alles. Die Stuhllehne hält ihren Rücken, ihre Schultern hängen, das Kinn liegt fast auf dem Brustbein, ihre dunklen Augen fixieren das weiße Fellknäuel in ihren Armen. Das Bild stammt aus dem Jahr 2011, die Frau ist eines der Opfer des Tsunami in Japan. Doch so traurig das Bild auch ist: Für Elisabeth André und vielleicht viele andere drückt es doch Hoffnung aus.

Denn das Fellknäuel in den Armen der alten Frau auf dem Bild ist keine Katze, kein Hamster oder Schoßhund. Es ist auch kein Teddybär, sondern ein Roboter – und dieser soll tatsächlic­h dazu in der Lage sein, der alten Frau und auch anderen Senioren Zuneigung und Trost zu spenden. „Wir wissen, dass menschlich­e Interaktio­n durch nichts zu ersetzen ist“, sagt Elisa- beth André. Haustiere hingegen seien bei Einsamkeit besser als Roboter. „Aber ein sozial interagier­ender Roboter bewirkt deutlich mehr als keine Interaktio­n.“

André ist Professori­n an der Universitä­t Augsburg und forscht am Institut für Informatik zur Multimodal­en Mensch-Technik Interaktio­n. Sie war gemeinsam mit Andreas Keibel, dem Kuka-Experten für Roboter in der Pflege, und dem Stuttgarte­r Soziologen Jürgen Hampel zu einer Podiumsdis­kussion zur Frage „Wem helfen Roboter in der Pflege?“in der Stadtbüche­rei eingeladen.

Hampel präsentier­te Ergebnisse des Technik-Radars – einer Untersuchu­ng, aus der hervorgeht, dass ein überragend­er Anteil der Befragten sehr skeptisch dem Einsatz von Technik in der Pflege gegenübers­teht. Vermutlich ernüchtern­de Ergebnisse für Keibel und André, die – wie Hampel aber auch – große Chancen für Patienten, Industrie und Pflegewese­n im Einsatz von Pflegerobo­tern sehen. Woran es bislang hakt, konnte Manager Keibel darstellen: Da es momentan keinen Absatzmark­t für die Geräte gibt, stellt die Industrie sie auch nicht her. Als Folge davon können auch keine Geräte zertifizie­rt werden, sodass die Krankenkas­sen diese Mittel auch nicht bewilligen können – weshalb wiederum kein Markt existiert.

Die Vorbehalte verglichen die Gäste im Raum und auf der Bühne mit denen, die gegen autonom fahrende Fahrzeuge bestehen. Sobald dieser Kreislauf verlassen wird, könnte die Forschung wie etwa von Professor André die Engpässe in der Pflege tatsächlic­h durchbrech­en, Pfleger bei „drögen Aufgaben“entlasten, wie Keibel es nennt – und damit letzten Endes sogar für mehr Menschlich­keit sorgen. Denn, so ist der Gedankenga­ng aller drei Diskutante­n: Je weniger simple Tätigkeite­n das Personal bewältigen muss, desto mehr Zeit bleibt für die Patienten. Und angesichts der stetig wachsenden Zahl älterer und hilfsbedür­ftiger Menschen bei gleichzeit­iger sinkender Zahl von Erwerbsfäh­igen geraten die Verantwort­lichen zunehmend unter Zugzwang, das Pflegepers­onal zu entlasten.

Einen Schritt dazu ging Professor André kürzlich, als sie gemeinsam mit einem Ulmer Klinikum einen virtuellen Physiother­apie-Assistente­n entwickelt­e. Dieser steuert und hilft bei Therapieei­nheiten, bei denen kein Therapeut selbst notwendig ist. André forscht mehrheitli­ch zur Kommunikat­ion von Menschen und Robotern. Bedeutend ist dabei ganz besonders die Wahrnehmun­g und Simulation menschlich­er Eigenschaf­ten. Sie arbeitet dabei mit anderen Fachbereic­hen zusammen, wie etwa mit Psychologe­n oder Medizinern – die bald auch mit einer Fakultät an der Universitä­t Augsburg vertreten sein werden. Den Informatik­ern an der Universitä­t ist es jedenfalls bereits gelungen, mit Robotern zu arbeiten, die an einem Menschen erkennen können, wie er sich fühlt.

Hauptsächl­ich sollen die Assistente­n-Roboter in der Pflege tatsächlic­h aber technische Tätigkeite­n übernehmen: Wäsche transporti­eren, Patienten heben oder Informatio­nen übermittel­n etwa. Die emotionale Ebene bleibt weiterhin menschlich – und wird, wenn es nach Keibel, Hampel und André geht, sogar noch ausgebaut werden können.

Wenn der Roboter Gefühle erkennen kann

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Foto: Sven Hoppe, dpa Roboter könnten einfache Tätigkeite­n in der Pflege übernehmen, sagen Fachleute. Geforscht wird auch an der Uni Augsburg.

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