Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Söder sucht die Schuld in Berlin

Der bayerische Ministerpr­äsident macht die Große Koalition für die schlechten Werte der CSU verantwort­lich. Damit meint er auch Horst Seehofer

- VON ULI BACHMEIER UND BERNHARD JUNGINGER

München/Berlin Wenn die Landtagswa­hl in Bayern für die CSU zu einem Debakel wird, dann liegt das nach Ansicht des bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder ausschließ­lich am schlechten Erscheinun­gsbild der Großen Koalition in Berlin. Ohne seinen parteiinte­rnen Konkurrent­en, CSU-Chef und Bundesinne­nminister Horst Seehofer, direkt zu nennen, sagte Söder am Freitag in München: „Insgesamt hat Berlin im letzten Dreivierte­ljahr für anhaltende Unruhe gesorgt.“Gleichzeit­ig appelliert­e er an die bayerische­n Wähler, die Landtagswa­hl nicht zu einer Denkzettel­wahl gegen die Koalition in Berlin zu nutzen. „Die Landtagswa­hl verändert in Berlin nix, aber Bayern kann sich dadurch grundlegen­d verändern“, sagte Söder und warb erneut für Stabilität im Freistaat.

Als Beispiele für die Verunsiche­rung der Wähler nannte Söder die Debatte um Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen sowie zuletzt über das ungelöste Thema Diesel. Hinter den Kulissen aber gilt in weiten Teilen der CSU im Landtag der 1. Juli dieses Jahres als das entscheide­nde Datum für den Verdruss vieler potenziell­er Wähler. An diesem Sonntag hatte CSU-Chef Seehofer im Parteivors­tand seinen Rücktritt von allen Ämtern angekündig­t. Auslöser war der anhaltende Asylstreit mit Bundeskanz­lerin und CDU-Chefin Angela Merkel über mögliche Zurückweis­ungen an der Grenze. Zu dem Rücktritt kam es dann zwar bekanntlic­h nicht. Im Söder-Lager in München aber wird das Datum als Wendepunkt gesehen. Von da an sei es in den Umfragen für die CSU bergab gegangen.

Söder beschränkt­e sich am Freitag auf die jüngsten Ärgernisse aus Berlin, die in den Medien derzeit alles überlagert­en, und versuchte, die Aufmerksam­keit auf die Arbeit der Bayerische­n Staatsregi­erung zu lenken. Er sagte zum Beispiel: „Die Entscheidu­ng über den Diesel wird nicht im bayerische­n Kabinett getroffen. Da wär’s schnell und einfach gegangen.“Weiter ausführen wollte er das allerdings nicht. Auf Nachfrage unserer Zeitung sagte er nur, er hätte es „anders“gemacht, und fügte hinzu: „Es wäre unfair und auch unseriös, wenn ich jetzt sage, was wir alles besser machen.“

Unter den CSU-Bundestags­abgeordnet­en sorgen die Schuldzuwe­isungen Söders in Richtung Berlin für Frust und Ärger, manche berichten gar von „Entsetzen“. Söder befeuere den Eindruck der CSU als „zerstritte­nem Haufen“, sagte ein hochrangig­es Mitglied der Landesgrup­pe. Für die schwachen Umfragewer­te zwischen 33 und 35 Prozent sei die Politik von Söder „mindestens“so verantwort­lich wie die der Großen Koalition, sagten unisono mehrere CSU-Abgeordnet­e. Den Asylstreit in der Union etwa habe der Ministerpr­äsident zum „Endspiel um die Glaubwürdi­gkeit“stilisiert. Und ein anderer Abgeordnet­er betonte auf Anfrage: „Eine Landtagswa­hl ist eine Landtagswa­hl. Söder hat in Bayern seit seinem Amtsantrit­t völlig freie Hand gehabt.“

Der Ministerpr­äsident will den Fokus in der letzten Wahlkampfw­oche ganz auf Bayern legen. Es gehe um Stabilität und um ein starkes Land. Gemeinsam mit Bauministe­rin Ilse Aigner, die auch Vorsitzend­e des mächtigen CSU-Bezirksver­bandes Oberbayern ist, warnte Söder vor Instabilit­ät durch einen Landtag mit möglicherw­eise sogar sieben Parteien. Er verwies dabei auch auf Baden-Württember­g, wo sich „Veränderun­gen der wirtschaft­lichen Leistungsk­raft und der Qualität der Bildung“gezeigt hätten. Thomas Kreuzer, der Chef der CSU-Fraktion im Landtag, warnte vor einer theoretisc­h möglichen Viererkoal­ition aus Grünen, SPD, Freien Wählern und FDP. Es gehe bei der Wahl um eine grundsätzl­iche Kursbestim­mung: „Soll es mit dem erfolgreic­hen Bayern und seinen stabilen Verhältnis­se weitergehe­n oder gibt es ein buntes Experiment?“

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Ein Landtag mit sieben Parteien?

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