Augsburger Allgemeine (Land Nord)
So schwierig wird die Regierungsbildung
Enge Verfassungsfristen und unklare Mehrheitsverhältnisse mit bis zu sieben Parteien. Die Koalitionsfrage in Bayern könnte diesmal zur echten Herausforderung werden
München In München macht schon seit Wochen ein Witz die Runde: Gelingt es angesichts der drohenden Zersplitterung des Landtags und der massiven Verluste der CSU nach der Wahl nicht, eine Regierung auf die Beine zu stellen, könnte ja eine bislang geheime Fußnote zur bayerischen Verfassung auftauchen – die für eine solche Staatskrise die Wiedereinsetzung der WittelsbacherMonarchie vorsieht.
Ein Spaß nur, aber mit ernstem Hintergrund. Denn bislang war die Sache nach Landtagswahlen in Bayern meist sonnenklar: Die CSU hatte die Regierungsmehrheit – die offizielle Wahl des Ministerpräsidenten im Landtag war damit reine Formsache.
Brauchten die Christsozialen – wie 2008 – tatsächlich einen Koalitionspartner, war der Vorgang schon komplizierter: Das glücklose CSUFührungsduo Erwin Huber/Günther Beckstein wurde damals nach zähen internen Krisensitzungen Horst Seehofer ersetzt. Zudem musste eine Koalition mit der FDP ausgehandelt werden. Binnen vier Wochen war aber auch 2008 alles neu geregelt.
Doch diesmal könnte die Regierungsbildung eine völlig neue Herausforderung werden: Kommt zumindest die FDP über die FünfProzent-Hürde, könnte selbst ein Bündnis der CSU mit den Freien Wählern keine Mehrheit haben.
Die Christsozialen müssten dann zwischen einem wackeligen Dreierbündnis – etwa mit Freien Wählern und FDP – oder einer ideologisch herausfordernden Koalition mit den Grünen wählen. Dazu stünde in der Partei zumindest CSU-Chef Horst Seehofer im Feuer. Aber auch Ministerpräsident Markus Söder müsste um seinen Rückhalt fürchten.
Keine einfachen Voraussetzungen für eine Regierungsbildung. Zumal, anders als in Berlin, wo die neue Ko- alition zuletzt erst nach einem halben Jahr stand, der Zeitdruck in Bayern groß ist: Monatelange Verhandlungen sieht die bayerische Verfassung nämlich schlicht nicht vor.
Dort heißt es in Artikel 16 Absatz 2: „Der Landtag tritt spätestens am 22. Tag nach der Wahl zusammen.“Und in Artikel 44 Absatz 1: „Der Ministerpräsident wird von dem neu gewählten Landtag spätestens innerhalb einer Woche nach seinem Zusammentritt (...) gewählt.“Damit müsste bis zum 12. November eine Regierungsmehrheit im Maximilianeum stehen – auch wenn ein Koalitionsvertrag zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht ausverhandelt sein müsste.
Und wenn die Mehrheit nicht steht? Dann wird die Sache schwierig: Der Standard-Verfassungskommentar von Lindner/Möstl/Wolff verweist auf Artikel 44 Absatz 5: „Kommt die Neuwahl innerhalb von vier Wochen nicht zustande, muss der Landtagspräsident den Landtag auflösen.“Diese Frist bedurch ziehe sich auf den Zusammentritt des Landtags, nicht auf den Wahltag, heißt es dort – womit allerspätestens am 3. Dezember ein Regierungschef gewählt sein müsste.
Ob sich diese Vier-Wochen-Regel überhaupt auf eine langwierige Regierungsbildung anwenden lässt, oder nur auf den Fall des Rücktritts oder Todes eines amtierenden Ministerpräsidenten, lassen die Rechtsexperten zudem offen: Lehne man die Anwendung von Absatz 5 ab, bliebe „zur Verhinderung eines möglicherweise dauerhaften ,Interregnums‘ nur der Ausweg, dass sich der Landtag selbst auflöst“, heißt es dort weiter. Dazu sei das Parlament „indes nicht verpflichtet“.
Eine deftige Staatskrise wäre eine Fristüberschreitung in jedem Fall. Und wie Bayerns Wähler auf mögliche Neuwahlen reagieren würden, kann man sich ausmalen. „Viel Zeit zur Selbstbeschäftigung bleibt uns nicht“, sagt deshalb ein führender CSU-Mann. Auch, wenn es schmerzt: „Wir müssen rasch zu Potte kommen.“