Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Suche nach dem Herbst

Der Sommer ist vorbei. Das wird auf der Wanderung von Deuringen nach Neusäß klar

- VON PHILIPP KINNE (TEXT) UND MARCUS MERK (FOTOS)

Landkreis Augsburg Es ist kühl geworden. Hier im Wald kurz vor Deuringen spürt man den Herbst. Zu Beginn der kleinen Wanderung finden sich die ersten stillen Zeugen. Buntes Laub an den Eichen, Pilze zwischen dem Moos auf dem Waldboden – das war’s wohl mit Sommer. Es werden nicht die einzigen Botschafte­r der bunten Zeit auf der Tour von Deuringen nach Neusäß sein.

An dem kleinen Trimm-dichBrunne­n am Waldrand wird die Wasserflas­che gefüllt. Entlang der Hauptstraß­e geht es mit Vorrat durch Deuringen. Und schon der nächste Herbstzeug­e. Ein Wahlplakat liegt platt gefahren mitten auf der Straße. Vermutlich vom Sturm des Vorabends hierhin befördert. Die vielen anderen Köpfe an den Straßenlat­ernen haben das Unwetter überstande­n. Herbstzeit ist Wahlzeit.

Etwas weiter laden einige ältere Damen ihre Golfschläg­er aus den Autos. Sie nutzen den sonnigen Tag für eine Runde über den noch menschenle­eren Golfplatz zwischen Deuringen und Stadtberge­n. Viermal die Woche kämen sie hierher, berichtet Renate. Sie ist eine der Seniorinne­n. Seit über 30 Jahre spielt sie schon. Der Sport hält fit, da sind sich die Frauen einig. „Ich bin aber eine Kaffeegolf­erin“, scherzt Renate. Der Spaß stehe im Vordergrun­d. Und die guten Gespräche mit ihren Freundinne­n. Während die Sonne langsam immer weiter in den Herbsthimm­el steigt, machen sich die Damen auf zum ersten Loch.

Am Ortstrand von Stadtberge­n liegt ein Haufen grüner Heckenrest­e auf der Straße. Zusammenge­kehrt wie Haare nach dem Friseurbes­uch. Ein neuer Schnitt für den Herbst. In den vergangene­n Jahren habe er noch immer selbst Hand an seine alte Hecke angelegt, erzählt Albert Frank. Doch nun, im Rentenalte­r, wolle er etwas kürzertret­en. Deshalb stehen Dietmar Jarosch und Roman Zamoscik neben dem 67-Jährigen. Die beiden sind Profis, Angestellt­e eines Ustersbach­er Gartenpfle­gebetriebs. Jetzt, im Herbst, erklären die beiden, sei die richtige Zeit, um die Hecke zu schneiden. Die Heckenprof­is kennen sich hier am Stadtberge­r Ortsrand, wo die Stammkunds­chaft wohnt, aus. Nicht weit hat man es von hier zum Bismarcktu­rm.

Ein Feldweg führt in seine Richtung. Es weht ein herbstlich­er Wind über die Äcker zwischen Stadtberge­n und Steppach. In der Ferne strahlt eines der Augsburger Wahrzeiche­n auf dem Steppacher Berg. 1901 wurde der Turm zu Ehren des ersten deutschen Reichskanz­lers Fürst Otto von Bismarck gebaut. Er ist einer von vielen Denkmälern für den Reichskanz­ler. Um die 50 soll es davon in ganz Deutschlan­d geben.

Beliebt ist der Turm bei allen, die in die Ferne schweifen wollen. An Silvester strömen Hunderte auf den Steppacher Berg, um von hier oben das Feuerwerk über Augsburg zu sehen. Heute ist von all diesen Menschen aber nichts zu sehen. Der Ausblick gehört allein Silvia Landes und ihren beiden Chihuahuas. Landes kommt eigentlich vom Land, wohnt aber in Augsburg an einer viel befahrenen Straße. „Ich genieße die Ruhe hier draußen“, sagt sie. Perfekt zum Gassigehen. Immer, wenn es ihr zu viel werde in der Stadt, komme sie hierher.

Der Aufsteig auf den 20 Meter hohen Turm lohnt sich. Die Steintrepp­en hinauf, vorbei an vergittert­en Ausgucklöc­hern, an denen unzählige kleine Schlösser hängen. Auf ihnen stehen Initialen, „A+B“oder „M+P“, Anfangsbuc­hstaben zweier Verliebter. Das Schloss als romantisch­es Zeichen. Man kann sich vorstellen, wie die Verliebten, oben angekommen, knutschend in die Ferne sehen. Die ganze Stadt liegt ihnen hier oben zu Füßen. Man sieht den Augsburger Hotelturm, den Gaskessel, etwas näher das Klinikum. Vor dem Krankenhau­s liegt das Stadtberge­r Virchow-Viertel.

Dort auf den Feldern vor dem Klinikum soll der neue MedizinCam­pus entstehen. Ab 2020 sollen Bagger und Kräne auffahren. Ein Megaprojek­t. Doch noch ist davon nicht viel zu erkennen. Weiter geht es nach Steppach.

Schon von Weitem hört man Günther Pfaffelhub­er bei der Arbeit. Seit über 15 Jahren ist er Hausmeiste­r. Heute bläst er das bunte Laub vom Gehweg. Schon wieder ein Herbstzeug­e. Lange Jahre, erzählt Pfaffelhub­er, habe er das Laub mit der Hand rechen müssen. Da sei der Bläser natürlich eine Entlastung – auch, wenn er immer wieder zu verärgerte­n Nachbarn führe. Ein paar Straßen weiter, in der Steppacher Ortsmitte, wechseln Mitarbeite­r des Neusässer Bauhofs die Pflanzen auf den öffentlich­en Plätzen. Sommerlich­e Geranien weg, winterlich­e Kiefer hin. Die Stadt zieht ihr Herbstgewa­nd an.

Über Westheim führt der Weg nach Neusäß. Die weiten Wiesen liegen mittlerwei­le in der Ferne. Reges Stadttreib­en stellt sich ein. Wer es ruhiger möchte, bleibt zu Hause. Und lässt sich ganz bequem beliefern. Zum Beispiel von Robert Roth.

Er fährt mit seinem Lieferwage­n von Haus zu Haus und verkauft Tiefkühlwa­re. Ob er den Herbst schon spürt? „Die Leute kaufen kein Eis mehr“, sagt er. Das habe sich in den letzten Tagen schnell geändert. Herbstzeit sei Fischzeit, meint der Mann. Davon verkaufe er jetzt eine Menge.

Fisch, Laub, Heckenrest­e oder Wahlplakat­e – der beginnende Herbst zeigt sich auf der Wanderung von Deuringen nach Neusäß von vielen Seiten.

 ??  ?? Auf dem Weg von Deuringen über Stadtberge­n, Steppach, Westheim und Neusäß ist es herbstlich. Immer wieder finden sich auf der rund sieben Kilometer langen Strecke Zeugen der buntesten aller Jahreszeit­en.
Auf dem Weg von Deuringen über Stadtberge­n, Steppach, Westheim und Neusäß ist es herbstlich. Immer wieder finden sich auf der rund sieben Kilometer langen Strecke Zeugen der buntesten aller Jahreszeit­en.
 ??  ?? Mit Redakteur Philipp Kinne sprechen Renate, Hanni, Ursel und Ursi (von links) über ihre Leidenscha­ft zum Golfen.
Mit Redakteur Philipp Kinne sprechen Renate, Hanni, Ursel und Ursi (von links) über ihre Leidenscha­ft zum Golfen.
 ??  ?? Wer auf den Bismarcktu­rm steigt, kann weit über die Stadt Augsburg hinaus in die Ferne sehen.
Wer auf den Bismarcktu­rm steigt, kann weit über die Stadt Augsburg hinaus in die Ferne sehen.
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 ??  ?? An den Gittern im Bismarcktu­rm Schlösser als Zeichen der Liebe. Ob es wohl die dazugehöri­gen Schlüssel noch gibt?
An den Gittern im Bismarcktu­rm Schlösser als Zeichen der Liebe. Ob es wohl die dazugehöri­gen Schlüssel noch gibt?
 ??  ?? Am Trimm-dich-Brunnen vor Deuringen beginnt die Wanderung.
Am Trimm-dich-Brunnen vor Deuringen beginnt die Wanderung.
 ??  ?? Der Stadtberge­r Albert Frank (links) im Gespräch mit Heckenprof­i Dietmar Jarosch (Mitte) und Redakteur Philipp Kinne.
Der Stadtberge­r Albert Frank (links) im Gespräch mit Heckenprof­i Dietmar Jarosch (Mitte) und Redakteur Philipp Kinne.
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