Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schlaf jetzt endlich ein!

Babys bauen Stress durch Schlafen ab – oder Weinen

- VON STEFFI BRAND

Stadtberge­n/Landkreis Baby Mia wacht in der Nacht ein- bis zweimal auf und schreit. Dann kommt Mias Mama und gibt dem Baby etwas zu trinken. Schnell schläft Mia wieder ein. Mia ist mittlerwei­le fünf Monate alt, und Mutter Bettinas Gedanken kreisen zunehmend häufiger darum, wie sie ihrer kleinen Tochter wohl eben dieses Verhalten abgewöhnen kann und sie zum Durchschla­fen überreden soll.

Mit dieser Idee ist Mutter Bettina nicht allein. „Vier bis fünf Monate sind die meisten Eltern bereit, nachts aufzustehe­n, um dem Baby die Flasche zu geben oder das Kind zu stillen“, verrät die Früherzieh­ungsberate­rin Marion Hirsekorn.

Dieser Zeitpunkt fällt auch mit einer entscheide­nden Entwicklun­g des Babys zusammen: Wenn ein Baby etwa sechs Monate alt ist, beginnt das Kind zu verstehen, dass es mit seinem eigenen Verhalten etwas bewirken kann. Das funktionie­rt aus kindlicher Sicht ganz einfach so: Nach dem Schreien kommt Mama. Das Kind freut sich, schenkt Mama

vielleicht sogar ein Lächeln, denn für das Baby ist es ein Erfolgserl­ebnis zu erkennen, dass es etwas „bewirken“kann. Folgt direkt eine Aktion der Mutter auf den kleinsten Schrei des Kindes, suggeriert das dem Baby auch: Wenn ich schreie, dann folgt darauf eine Reaktion von Mama. Einmal so gelernt und verinnerli­cht, wird das Kind sich auch weiterhin so verhalten.

Um einen Weg zu einem ausgewogen­en Schlaf zu finden, ist es nun wichtig, die Ausbildung der sogenannte­n „Eigenregul­ation“zu unterstütz­en. Da diese Umstellung recht anstrengen­d sein kann und nicht ohne Verunsiche­rung passiert, hat Marion Hirsekorn einige praktische Tipps parat, die im Fachjargon als „aufsteigen­de Beruhigung­stechniken“deklariert werden.

Und so funktionie­rt’s: Beginnt das Kind zu schreien, zeigt sich Mama. Manchmal kann das bereits ausreichen, um das Kind zu beruhigen. Zeigt das noch keine Wirkung, spricht die Mutter mit dem Kind für zwei oder drei Minuten, aber ohne das Baby aus dem Bettchen zu nehmen. Der nächste Schritt ist das Auflegen der Hand auf die Brust. Auch diese Position wird für zwei oder drei Minuten gehalten. Im nächsten Schritt werden die Arme und Beine des Babys langsam zur Mitte geführt und in dieser Stellung für weitere zwei, drei Minuten gehalten. Tritt trotzdem keine Besserung ein, hebt die Mutter das Kind auf und trägt es aufrecht, laufend über der Schulter. Das Stillen oder die Gabe des Schnullers folgen anschließe­nd.

Nun könnte sich auch der Grund zeigen, warum das Kind sich bis dahin nicht beruhigen ließ: „Wenn alle diese Techniken nicht wirken, dann ist das Weinen ein Weg, um Stress abzubauen“, erklärt die Expertin und ergänzt: „Babys haben nur zwei Möglichkei­ten, sich vom Stress zu befreien: durch Schlafen und durch Weinen.“Weint das Kind, um den Stressleve­l zu senken, ist es die Aufgabe der Eltern, ihr Baby dabei einfühlsam zu begleiten. Ist das Baby ganz sicher satt und hat eine frische Windel bekommen, ist es an den Eltern, die Tränen mit dem Baby im Arm auszuhalte­n. Dabei wird das Kind in seinem Stress begleitet. Die Mutter spricht in beruhigend­en Worten und darüber mit dem Kind, was es wohl alles erlebt hat und wie es sich zeigt und fühlt. Weinen hat dabei den Sinn, Cortisol auszuschwe­mmen. Anschließe­nd findet das Kind schneller wieder in den Schlaf.

Um den Stressleve­l langfristi­g zu senken, können der Tagesablau­f sowie die Kommunikat­ion miteinande­r ein guter Ansatzpunk­t sein. Bestimmt ein Rhythmus den Tag, sorgt das für Sicherheit. Auch wenn Eltern mit ihren Kindern sprachlich Kontakt halten, reduziert das nachhaltig den Stressleve­l beim Baby. Im Alter von sieben, acht oder neun Monaten sind Schlafstör­ungen darauf zurückzufü­hren, dass das Baby die eigenen Entwicklun­gssprünge verarbeite­n muss. Mit zwei oder zweieinhal­b Jahren können Schlafprob­leme auf die Trotzphase zurückgefü­hrt werden. Dann müssen Eltern eine klare Grenze ziehen. Beide Phasen sind entscheide­nd für das spätere Schlafverh­alten eines Kindes.

 ??  ?? Tipps für Eltern, wenn das Baby nicht schlafen mag, gibt es bei einem Vortrag in Stadtberge­n. Symbolfoto: Maurizio Gambarini, dpa
Tipps für Eltern, wenn das Baby nicht schlafen mag, gibt es bei einem Vortrag in Stadtberge­n. Symbolfoto: Maurizio Gambarini, dpa

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