Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Paulo Coelho: gefoltert und erleuchtet
50 Jahre ist es her, dass jener Paulo Coelho, den heute Millionen als Erleuchtungsautor verehren und mit Erfolg bescheren, selbst aufbrach, um Welt und Wahrheit zu erkennen. 1968, er ist Anfang 20, war mit Gefährtin bei heiligen Mayastätten, als bei der Rückkehr in seine Heimat Brasilien plötzlich: Männer mit Waffen, Kapuze über den Kopf, Aufwachen in einer Folterzelle. Verdächtigt der Kollaboration an einem sozialistischen Umsturz.
Davon erzählt Coelho in einem Buch, das darum – wie schon „Veronika beschließt zu sterben“, in dem er die psychiatrischen Elektroschocktherapien seiner Jugend verarbeitete – zu seinen besten Romanen gehört. Es heißt „Hippie“und schildert vor allem den Aufbruch Paulos 1970 dann mit neuer Gefährtin und anderen Alternativ-Pilgern in einem „Magic Bus“für nur 70 Dollar von Amsterdam Richtung Kathmadu, ein „Hippie Trail“. Freilich regnet’s wieder Predigtsätze wie: „Die Liebe besiegt den Unterdrücker mit ihrer Sanftmut, löscht den Durst dessen, der das frische Wasser der Zärtlichkeit sucht, hält die Türen offen, damit das gesegnete Licht hereinkommen kann.“Aber Coelho legt sie nun nicht irgendwem in den Mund wie zuletzt auch Mata Hari, sondern authentischen Erleuchtungssuchenden. Und das erzählt dann eben tatsächlich auch etwas, nicht nur symbolisch Aufgeladenes. Auch über den Horizont des Predigers selbst. Und dazu hat der auch die passende Tagebuchprosa. Wolfgang Schütz