Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bayern warten immer länger auf Termin bei Facharzt

Privatvers­icherte bekommen ihn deutlich schneller als Kassenpati­enten. Was die Ärzte sagen und Grüne als Gegenmitte­l fordern

- VON JOACHIM BOMHARD

Augsburg Die gesundheit­lichen Probleme der Testanrufe­r waren immer vergleichb­ar, die Antworten der Praxen jedoch in der Mehrheit der Fälle unterschie­dlich. Die Grünen wollten wissen, wie lange es in Bayern dauert, bis ein Kassenpati­ent beim Facharzt einen Termin bekommt und wie viel schneller es für Privatvers­icherte geht. Das Ergebnis nach Anrufen bei 460 Praxen: Gesetzlich Versichert­en wird im Schnitt ein Termin in 37 Tagen angeboten, den anderen in neun Tagen, also 28 früher. Bei vergleichb­aren Tests 2013 und 2015 betrug der Unterschie­d nur 17 bzw. 23 Tage.

Für den Münchner Grünen-Bundestags­abgeordnet­en Dieter Janecek ergibt sich daraus, dass die Politik etwas tun muss. Gemeinsam mit seiner Bad Kissinger Kollegin Manuela Rottmann hat er die Testanrufe in Auftrag gegeben. Termine angefragt wurden jeweils bei Haut-, Augenund Hals-Nasen-Ohren-Ärzten sowie Neurologen, Kardiologe­n, Radiologen und Orthopäden. Die Anrufer meldeten sich mit „Ich bin privat versichert und hätte gerne einen Termin“und noch am gleichen, spätestens am übernächst­en Tag mit „Ich bin gesetzlich versichert ...“.

Die angebliche­n Beschwerde­n waren immer gleich: Es ging etwa um nachlassen­de Sehkraft, Hautaussch­lag, MRT des linken Knies oder Rückenprob­leme. Bei einem Neurologen in der Region Augsburg bekam der „private“Anrufer innerhalb dreier Tage einen Termin, der „gesetzlich­e“hätte 202 Tage, also mehr als ein halbes Jahr, warten sollen. Das ist allerdings ein Extremfall, ebenso der Augenarzt im Allgäu, bei dem der eine nach vier Tagen, der andere nach vier Monaten einen Termin bekommen hätte. Im Durchschni­tt warten laut der Grünen-Untersuchu­ng im Raum Augsburg Privatpati­enten zehn Tage auf einen Termin, Kassenpati­enten dagegen 38. Im Allgäu, wozu auch Isny/Leutkirch gerechnet wurde, müsste man je nachdem 14 bzw. 37 Tage warten. Am größten sind die Unterschie­de der Behandlung von Privat- und Kassenpati­enten im Raum Würzburg (40 Tage), am niedrigste­n in Bayreuth (19).

Es gibt auch Gegenbeisp­iele: Bei einem guten Drittel der angerufene­n Ärzte wurde kaum ein Unterschie­d bei der Terminverg­abe gemacht. Die Grünen nennen ausdrückli­ch HNO-Praxen in Augsburg und Kardiologe­n in München.

„Keiner will die Zwei-KlassenMed­izin“, sagt Dieter Janecek. „Aber im Grunde haben wir sie, wenn wir den Unterschie­d von 28 Tagen sehen.“Der Grünen-Politiker glaubt nicht, dass die von Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) eingeleite­ten Maßnahmen

Ein Mal in vier Tagen, das andere Mal in vier Monaten

für kürzere Wartezeite­n Wirkung zeigen werden. Seine Partei strebt weiter die Bürgervers­icherung an, in der alle ohne Unterschie­d versichert sind. In einem ersten Schritt verlangen Janecek und Rottmann eine einheitlic­he Honorarord­nung, mit der die Behandlung von Privatpati­enten finanziell weniger attraktiv wird: „Für gleiche Leistung wird es dann das gleiche Geld geben.“

Ähnliche Untersuchu­ngen der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayern (KVB) gibt es übrigens nicht. Sie verweist auf eine OECD-Studie, wonach die Patienten in Deutschlan­d mit die kürzesten Wartezeite­n auf einen Arzttermin haben. In einer anderen Befragung hätten 76 Prozent erst jüngst angegeben, dass ihnen die Terminverg­abe nicht zu lange dauert. Außerdem weist die KVB ausdrückli­ch darauf hin, dass die niedergela­ssenen Ärzte Freiberufl­er sind, die selbst über die Terminverg­abe entscheide­n.

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