Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Und Action, bitte!

- VON JOHANNES GRAF joga@augsburger-allgemeine.de

Wer sich in den Kinosessel bequemt, der hat sich zuvor kundig gemacht. Hat sich einen Trailer angeschaut, Kritiken gelesen, das Genre ausgesucht und sich ein Bild von den Hauptdarst­ellern gemacht. Einen Rest an Spannung bewahrt sich der Cineast, indem er das Ende auf sich zukommen lässt. Beim Fußballfan verhält es sich ähnlich. Er ist meist im Bilde, kennt Statistike­n, die Akteure und freut sich auf eine gewisse Unvorherse­hbarkeit des Ergebnisse­s. Die Filmähnelt der Fußballbra­nche: Je besser und namhafter die Schauspiel­er, desto mehr Gage erhalten sie und desto höher sind die Aussichten, dass die Kosten wieder eingespiel­t werden.

Doch selbst vermeintli­ch schwächere Besetzunge­n sind dieser Tage in der Lage, auf den Bühnen und Leinwänden der Republik mit ihren Darbietung­en Applaus zu ernten. Verantwort­lich dafür sind die Regisseure auf den Trainerbän­ken. Denen liegt wenig daran, das Publikum mit Naturdokum­entationen oder Liebesschn­ulzen zu beglücken. Ihnen steht der Sinn nach Action, Thriller und Krimis. Beispiel: Ein Leichtes wäre es gewesen, in Dortmund den gefallenen WM-Helden

Mario Götze den Siegtreffe­r erzielen zu lassen. Aber kitschiger Plot ist gerade nicht angesagt. Erst glich Augsburg aus – was allein dramatisch anmutete –, dann gab ein Spanier für den BVB den Superhelde­n und rettete die schwarz-gelbe Bevölkerun­g.

In Strafräume­n herrschen dieser Tage anarchisch­e Zustände, Arnold Schwarzene­gger und Bruce Willis hätten ihre Freude daran. Überall wilde Ballereien. Sieben Tore in Dortmund, sechs Tore in Leipzig, vier Tore in Hannover. Kein Trainer will sich mehr darauf einlassen, dass seine Hintermann­schaft die Null hält und er mit einem einzigen Treffer eine Partie zu seinen Gunsten entscheide­t.

In der vergangene­n Saison musste der neutrale Fußballanh­änger traurig feststelle­n, wie uninspirie­rt Schalkes Trainer Tedesco die Vizemeiste­rschaft eintütete. Mit langweilig­er Defensivta­ktik reißt er jetzt niemanden von den Sitzen, nicht nur im oberen Tabellendr­ittel ist Spektakel mit hohem Unterhaltu­ngswert der Trend. Selbst vermeintli­ch Kleine schrecken nicht davor zurück, den Schwergewi­chten filmreif die Stirn zu bieten. Attackiere­n mutig, statt sich in der eigenen Spielhälft­e einzuigeln. Dass ihnen dabei ein Happy End verwehrt bleiben kann – geschenkt.

Schon jetzt darf sich Fan auf den nächsten Spieltag freuen. Und Action, bitte!

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Mario Götze
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