Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Was der Freispruch bedeutet
Krebshilfe-Verein habe er ebenfalls niederlegen müssen, sagt sein Anwalt. Nun allerdings kann Koller darauf hoffen, dass sein Engagement weitergehen kann. Denn was Richterin Ulrike Ebel-Scheufele in der Urteilsbegründung sagte, entspricht einem Freispruch erster Klasse.
Es ging in dem Verfahren um die Frage, ob Gerd Koller als Chef des Nordfriedhofs wusste, dass mehrere Arbeiter nebenbei alte Gräber abräumen – an Steuer und Stadt vorbei. Und es stand der Vorwurf im Raum, er habe zusammen mit einem Arbeiter Handel mit gebrauchten Grabsteinen betrieben, auch auf eigene Rechnung. Nach dem zweitägigen Prozess legte nun aber auch die Staatsanwaltschaft eine Kehrtwende hin. Es gebe keine Belege dafür, dass Koller in die zweifelhaften Geschäfte verwickelt gewesen sei, sagte Staatsanwältin Yvonne Möller. Er sei daher freizusprechen.
Der Freispruch hatte sich bereits am ersten Prozesstag abgezeichnet. Entscheidend waren die Aussagen der drei Arbeiter, die auf dem Nordfriedhof auf eigene Rechnung gearbeitet haben. Sie gaben als Zeugen zu, dass sie nebenbei arbeiteten. Gleichzeitig sagten aber auch alle drei aus, dass die Schwarzgeschäfte hinter dem Rücken des Verwalters abgewickelt worden seien. Koller
Es gibt einen lateinischen Satz, der als grundlegend gilt für den Rechtsstaat. „In dubio pro reo.“Was so viel heißt wie „Im Zweifel für den Angeklagten.“Das ist ein wichtiges Prinzip. Gleichzeitig kann es aber auch eine Last sein für einen Angeklagten. Denn nach einem Freispruch ist oft die Rede davon, er sei aus Mangel an Beweisen ergangen. Ein Tatnachweis sei eben nicht zu führen gewesen.
Allerdings: So etwas sieht das deutsche Strafrecht nicht vor. Freispruch ist Feispruch. Das muss auch für Gerd Koller gelten, der unter Verdacht stand, die Schwarzgeschäfte seiner Mitarbeiter auf dem Nordfriedhof nicht nur gedeckt, sondern sich sogar daran beteiligt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage gegen ihn erhoben, das Gericht hatte den Prozess angesetzt. Beides ist laut Gesetz nur zulässig, wenn nach Prüfung der Akten eine Verurteilung als wahrscheinlich gilt. Doch im Prozess sind die Vorwürfe in sich zusammengefallen.
Man mag sich die Frage stellen, wie es sein kann, dass ein Chef lange Zeit nichts von Mauscheleien hinter seinem Rücken mitbekommt – und ob er nicht zu blauäugig den Mitarbeitern vertraut hat. Allerdings muss man auch sehen: Im Prozess haben sich keinerlei Belege Archivfoto: Bernhard Weizenegger dafür ergeben, dass Koller etwas von den Mauscheleien gewusst hat. Kein Zeuge konnte dazu etwas beitragen. Und es zeigte sich auch: Fehlende Strukturen, Vorgaben und Kontrollen durch die Stadtverwaltung haben solch einen Wildwuchs, wie es ihn bei Arbeitern des Nordfriedhofs offenbar gegeben hat, erst so richtig begünstigt.
Gerd Koller hat daher als unschuldig zu gelten – und er ist auch so zu behandeln. Es war richtig, dass er sein Vorstandsamt bei der Augsburger Innenstadt-CSU ruhen ließ. Solange solche Vorwürfe im Raum stehen, wäre alles andere auch nicht vermittelbar gewesen. Nun kann er weitermachen. Das steht ihm nach dem Freispruch zu. dafür sieht Beyer bei der Stadt. Es gebe in der Verwaltung keine Kontrollinstanz, die solche Missstände vermeide oder aufdecke. Gleichzeitig habe man den Friedhofsverwaltern nahezu keine Vorgaben gemacht, wie sie ihre Aufgaben zu erledigen haben.
Als ein Beispiel dafür entpuppte sich im Prozess der Handel mit gebrauchten Grabsteinen. Mehrere Zeugen bestätigten, dass es auf allen Friedhöfen üblich war, alte Grabsteine weiterzuverkaufen. Das wurde vom Grünamt so abgenickt. Jedoch wieder ohne konkrete Anweisungen, wie das abzuwickeln ist. So war es etwa möglich, diese Geschäfte komplett auf einen der Arbeiter zu übertragen – so wie es Gerd Koller auf den Nordfriedhof mit seinen weit über 10 000 Gräbern getan hat.
Die drei beschuldigten Friedhofsarbeiter sind bereits im Frühsommer vom Amtsgericht zu Bewährungsstrafen von bis zu einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Rechtskräftig sind die Urteile noch nicht. Es wird einen Berufungsprozess gegeben. Die Verteidiger der Arbeiter hatten zwar alle in ihren Plädoyers festgestellt, dass es „Mauscheleien“auf dem Friedhof gegeben habe. Strafrechtlich relevant seien die Vorgänge aber aus ihrer Sicht nicht gewesen.