Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Wir müssen Grenzen setzen“
Hubert Hüppe, früherer Behindertenbeauftragter der Regierung, warnt vor Auswirkungen der Pränatal-Diagnostik
Hubert Hüppe hat am Montagabend im Ulrichshaus in Augsburg eindringlich vor den Auswirkungen der Pränatal-Diagnostik gewarnt. „Tatsächlich geht es hier um Selektion. Wer darf leben, wer nicht?“, sagte der frühere Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen beim Jahresempfang des Augsburger Bischofs Konrad Zdarsa. Es gibt nach Ansicht Hüppes einen gesellschaftlichen Druck auf werdende Eltern, behinderte Kinder – etwa mit Downsyndrom – erst gar nicht zur Welt kommen zu lassen. Vorgeburtliche Bluttests hält er für „nicht verfassungsgemäß“. Hüppe hielt vor rund 300 geladenen Gästen aus allen gesellschaftlichen Bereichen des Bistums Augsburg den Festvortrag mit dem Titel: „Der achte Tag der Schöpfung – Wie wir mit dem Leben umgehen“. In dem ging es um die ethischen Grenzen des vom Menschen Machbaren – sei es in der embryonalen Stammzellforschung oder beim Thema Klonen. „Wir müssen politische und gesellschaftliche Grenzen setzen, sonst wird es keine Grenzen geben“, sagte er.
Hüppe weiß, wovon er spricht. Der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem westfälischen Lünen hat sich nicht nur intensiv in den vergangenen Jahrzehnten in verschiedenen politischen Ämtern mit dem Thema auseinandergesetzt – er hat auch einen adoptierten Sohn mit Behinderung. Und so unterstützt Hüppe unter anderem die sogenannte Lebensschutzbewegung, die öffentlich vor allem durch den „Marsch für das Leben“in Berlin bekannt ist. Mehr als 5000 Abtreibungsgegner demonstrierten zuletzt Ende September für den Schutz des ungeborenen Lebens in der Hauptstadt. Eine Veranstaltung, die auch in diesem Jahr wieder provozierte – Kritiker, etwa aus den Reihen der Grünen, SPD und Linken, warfen den Demonstranten „reaktionäre“Positionen vor. Hüppe hat seine Positionen stets unmissverständlich formuliert: gegen Leihmutterschaft, gegen Embryonen als „menschliches Experimentiermaterial“, gegen vorgeburtliche Bluttests, dagegen, die Beihilfe zur Selbsttötung zu erlauben.
In seinem Vortrag führte Hüppe am Montagabend im Ulrichshaus in gewisser Weise fort, womit sich der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio im vergangenen Jahr als Festredner befasst hatte – und zwar mit dem Zustand der Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die von Globalisierung, Individualisierung und Digitalisierung geprägt werde und sich im Umbruch befinde. Einer Gesellschaft zumal, in der Di Fabio zufolge die Familie als alltagsprägende Gemeinschaft genauso an Wert verliert wie die Kirche. Und in der eine rücksichtslose Selbstverwirklichung zu Lasten der Gemeinschaft gehe.
Bischof Konrad Zdarsa wollte dieser Entwicklung die religiöse Verankerung als unentbehrliches Grundgerüst für eine menschliche Gesellschaft entgegengesetzt wissen. Am Montagabend sprach er davon, dass die Verteidigung einer „Kultur des Lebens“zunehmend zur Angelegenheit „einer lautstark angefeindeten Minderheit“werde. Es sei jedoch kein Zeichen von Toleranz, „wenn alles erlaubt ist, was möglich ist“. Deutschland habe hier, beim Lebensschutz, „eine besondere Verpflichtung“.