Relig ions wissenschaftlerin erklärt den Salafismus

Nina Käsehage hat zu dieser Art der muslimischen Religionsinterpretation geforscht. Sie spricht bei einer Veranstaltung des Vereins „Gersthofen ist bunt“über bedenkliche Tendenzen

Gersthofen Als Folge eines Protests gegen eine Kundgebung der NPD auf dem Gersthofer Rathausplatz wurde der Verein „Gersthofen ist bunt“im Jahr 2013 gegründet. In den vergangenen Jahren ist es still geworden um ihn. Nun meldet er sich wieder zurück, um angesichts der drohenden Gefahr des Rechtsradikalismus eine Vortrags reihe und Ausstellung zu organisieren. Den Auftakt bildet am Donnerstag, 11. Oktober, ab 19.30 Uhr der Vortrag „Salafistische Strukturen in Bayern –Protagonist Innen und Zielsetzungen“mit derRelig ions wissenschaftlerin Nina Käsehage.Wirsp rachen im Vorfeld mit der Referentin.

Wie entstand die Idee zur Beschäftigung mit dem Salafismus?

Käsehage Ich habe im Jahr 2012 eine Studie über deutsche Staatsbürger veröffentlicht, die zum Islam konvertiert sind. Die Mehrheit der jüngeren Konvertiten bezeichnete sich zu diesem Zeitpunkt noch selber als ‚Salafisten‘. Hierdurch wurde mein Interesse hinsichtlich der Erforschung des Salafismus in Deutschland geweckt.

Was ist Salafismus?

Käsehage Das ist die Rückbesinnung auf das Leben der sogenannten rechtschaffenen Altvorderen, das heißt der Generation Mohammeds und der zwei Folgegenerationen. Die Salafisten gehen davon aus, dass durch die Imitation der Lebensweise dieser Generationen der idealisierten Lebensweise des islamischen Propheten Mohammed am ehesten nachleben können. Neben Koran und der Sunna (Taten und Aussprüche des islamischen Propheten) erlaubt diese restriktive Religionsauslegung keine anderen religiösen Quellen.

Gibt es verschiedene Formen des Salafismus?

Käsehage Unter dem Oberbegriff Salafismus existieren verschiedene Strömungen. Ich unterscheide vor allem drei Gruppen: Den puristischen Salafisten geht es vor allem um die „wahre“Religionsausübung, während die politischen Salafisten sich aktiv für eine politische Veränderung im Sinne der „reinen Lehre“einsetzen. Dschihadistische Salafisten wollen eine politische und gesellschaftliche Veränderung gegebenenfalls auch militant erreichen. Problematisch ist, dass junge Menschen oft über eine Beschäftigung mit dem puristischen sehr schnell zum dschihadistischen Salafismus gelangen können.

Was ist Islamismus?

Käsehage Der Begriff „Islamismus“wird beispielsweise von Politikwissenschaftlern verwendet, um die Nutzbarmachung einer Religion für politische Zwecke zu beschreiben. Ich lehne den Begriff persönlich ab, weil durch seine undifferenzierte Verwendung die Gefahr besteht, dass eine ganze Religion ‚in Geiselhaft‘ genommen wird. Das ist fatal, da die Mehrheit der Muslime keine politischen Ziele verfolgen. Ich empfinde deshalb den Begriff „radikaler Islam“in Bezug auf extremistische islamische Strukturen oder Personen treffender. Bei terroristischen Anschlägen von radikalen Christen, beispielsweise in den USA, spricht man ja auch nicht von „christianistischen Anschlägen“. Begriffe können Realitäten schaffen, weswegen wir sie mit Bedacht verwenden sollten.

Wie ist die Situation in Bayern? Käsehage Es gibt in Bayern einige Strukturen, deren Anhänger ihre Gewaltfantasien umsetzen wollen. Diese sind aber nicht so stark ausgeprägt wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen. Hierüber wollen wir im Rahmen der Veranstaltung unaufgeregt ins Gespräch kommen.

Was ist das Gefährliche?

Käsehage Junge Menschen in einem gewissen Alter werden erfahrungsgemäß von Szenen angesprochen, die ihren Drang nach jugendlicher Provokation befriedigen, früher war dies zum Beispiel bei der Punkbewegung der Fall.

Wenn sich eine junge Frau also plötzlich verschleiert oder ein Mann sich einen Bart wachsen lässt, muss das also nicht automatisch heißen,

dass er gefährlich wird, sondern stellt oft nur eine jugendbedingte Provokation dar. Im Unterschied zur Punkbewegung kann man jedoch im Dschihadismus leicht sein Leben verlieren, weswegen jeder Fall eine differenzierte Betrachtung verdient.

Was kann man tun?

Käsehage Von wissenschaftlicher

Seite ist es wichtig, möglichst facettenreich die Werdegänge und Motivlagen radikalisierter junger Menschen zu analysieren, um zu verstehen, wie es zu ihrer Radikalisierung kommen konnte. Auf der Basis empirischer Forschung kann man dann gegebenenfalls Empfehlungen aussprechen, wie mit radikalislamischer Radikalisierung in der Praxis umgegangen werden könnte.

Foto: Nina Käsehage Die Religionswissenschaftlerin Nina Käsehage spricht in Gersthofen über Salafismus.