Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Trinkwasse­r: Wie viel ist Sicherheit wert?

In Dinkelsche­rben geht es jetzt darum, das Risiko eines weiteren Störfalls baulich zu verringern

- VON MAXIMILIAN CZYSZ UND JANA TALLEVI

Landkreis Augsburg Noch läuft das gechlorte Wasser durch die Leitungen in Dinkelsche­rben: Was ist aber, wenn die Desinfekti­on beendet ist und dann wieder ein coliformer Keim in der Trinkwasse­rversorgun­g von Dinkelsche­rben gefunden wird? Die Vorstellun­g schmeckt niemandem. Um das Risiko und die damit verbundene­n Folgen möglichst gering zu halten, entwirft die Gemeinde jetzt mehrere Szenarien. Im Kern geht es um die Frage, wie sich Sicherheit­sschranken ins Wassernetz einbauen lassen. Und wie viel sie kosten.

Wohl am günstigste­n wäre für die Gemeinde und damit für die Haushalte eine zentrale Wasservers­orgung. Das Problem dabei: Kommt es erneut zu einem Vorfall, dann sind wie im Augenblick wieder alle Abnehmer betroffen. Vor der Abkochund Chlorungsa­nordnung war die Gemeinde noch von einem großen, zentralen Hochbehält­er ausgegange­n. Er hätte die beiden Wassergrup­pen Dinkelsche­rben und Oberschöne­berg bedienen sollen. Ausnahme ist Grünenbain­dt – denn dort wird Wasser vom Markt Zusmarshau­sen bezogen.

Als dann im Mai ein coliformer Erreger im Hochbehält­er der Oberschöne­berger Wassergrup­pe in Breitenbro­nn gefunden wurde, ordnete das Gesundheit­samt ein Abkochgebo­t an. Keime können generell bei Menschen mit geschwächt­em Immunsyste­m, Senioren und Kleinkinde­rn Durchfalle­rkrankunge­n auslösen. Gelangt das Wasser in offene Wunden, kann es Infektione­n geben. Die Behörde bemängelte damals unter anderem eine fehlende Gefährdung­sanalyse und Risikobewe­rtung der Trinkwasse­rversorgun­g. Sie wird derzeit von den Stadtwerke­n Augsburg erarbeitet und soll für die Gruppe Dinkelsche­rben bis Ende Oktober und für Oberschöne­berg bis Weihnachte­n vorliegen.

Kritisiert wurden außerdem Verbindung­en vom Nichttrink­wasserzum Trinkwasse­rsystem, eine fehlende Absicherun­g von Viehtränke­n sowie eine hohe Zahl von Totleitung­en im Untergrund. Die Mängel waren dann auch der Grund, warum die anschließe­nde Chlorung auf das gesamte Gemeindege­biet ausgedehnt wurde. Sicher ist sicher – als sicherer gilt im Übrigen auch eine dezentrale Wasservers­orgung. Der Vorteil des aufwendige­ren Konzepts: Kommt es erneut zu einer Verunreini­gung, dann wäre jeweils nur ein Teil der Haushalte betroffen. Laut Bürgermeis­ter Edgar Kalb ließen sich in Zukunft sogar zwei und mit Einschränk­ungen mehrere unabhängig­e Versorgung­sgebiete in der Gemeinde schaffen – sie würde jeweils von den neuen Brunnen im Schmeller Forst versorgt. Bürgermeis­ter Edgar Kalb redet nicht um den heißen Brei herum: „Sicherheit kostet aber auch.“Und wie viel? Das ist nicht klar. In den kommenden Wochen werden die Marktgemei­nderäte über die Alternativ­konzepte und Gebührenmo­delle diskutiere­n. Bürgermeis­ter Kalb wird dann eine Rechnung vorstellen, die er jüngst aufgemacht hat. Was wäre, wenn Dinkelsche­rben das Preismodel­l der Stadtwerke Augsburg übernehmen würde? Es zielt stärker auf Fixgebühre­n ab. Auch beim Wasserprei­s gibt es Unterschie­de: In der Landgemein­de kostet der Kubikmeter weniger als in der Stadt. Kalbs Umkehrschl­uss: Wenn Dinkelsche­rben kostendeck­end bei der Wasservers­orgung wirtschaft­et und auf das Niveau der Stadtwerke kommen will, müsste auch mehr investiert werden. Kalb geht von einmal neun bis zehn Millionen Euro aus und jährlichen Instandhal­tungskoste­n von rund 50000 Euro. Er sagt: „Damit ließe sich in 50 Jahren einmal das komplette Leitungsne­tz von Dinkelsche­rben auswechsel­n.“Ein Verkauf der Versorgung, um die Gemeindeka­sse zu sanieren, sei kein Thema. Kalb: „Wir wollen unsere Versorgung zukunftsfä­hig machen. Wasser wird in Zukunft noch mehr Bedeutung haben, ist der Rohstoff der Zukunft.“Von der Diskussion, die Betriebsfü­hrung in andere Hände zu geben, sei die Gemeinde abgekommen.

Nichts von einem Verkauf der gemeindlic­hen Wasservers­orgung will Diedorfs Bürgermeis­ter Peter Högg wissen. In der Marktgemei­nde wird im Augenblick ebenfalls gechlort. Noch ist nicht klar, wie viel die Marktgemei­nde in den kommenden Monaten und Jahren in ihr Leitungsne­tz investiere­n muss. Die Sofortmaßn­ahmen könnten rund 250 000 Euro kosten, was längerfris­tig an Instandset­zungskoste­n auf die Gemeinde zukommt, steht noch nicht fest. Högg: „Wir haben ein gutes Netz, es ist nur nicht mehr zeitgemäß.“

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