Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Trinkwasser: Wie viel ist Sicherheit wert?
In Dinkelscherben geht es jetzt darum, das Risiko eines weiteren Störfalls baulich zu verringern
Landkreis Augsburg Noch läuft das gechlorte Wasser durch die Leitungen in Dinkelscherben: Was ist aber, wenn die Desinfektion beendet ist und dann wieder ein coliformer Keim in der Trinkwasserversorgung von Dinkelscherben gefunden wird? Die Vorstellung schmeckt niemandem. Um das Risiko und die damit verbundenen Folgen möglichst gering zu halten, entwirft die Gemeinde jetzt mehrere Szenarien. Im Kern geht es um die Frage, wie sich Sicherheitsschranken ins Wassernetz einbauen lassen. Und wie viel sie kosten.
Wohl am günstigsten wäre für die Gemeinde und damit für die Haushalte eine zentrale Wasserversorgung. Das Problem dabei: Kommt es erneut zu einem Vorfall, dann sind wie im Augenblick wieder alle Abnehmer betroffen. Vor der Abkochund Chlorungsanordnung war die Gemeinde noch von einem großen, zentralen Hochbehälter ausgegangen. Er hätte die beiden Wassergruppen Dinkelscherben und Oberschöneberg bedienen sollen. Ausnahme ist Grünenbaindt – denn dort wird Wasser vom Markt Zusmarshausen bezogen.
Als dann im Mai ein coliformer Erreger im Hochbehälter der Oberschöneberger Wassergruppe in Breitenbronn gefunden wurde, ordnete das Gesundheitsamt ein Abkochgebot an. Keime können generell bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem, Senioren und Kleinkindern Durchfallerkrankungen auslösen. Gelangt das Wasser in offene Wunden, kann es Infektionen geben. Die Behörde bemängelte damals unter anderem eine fehlende Gefährdungsanalyse und Risikobewertung der Trinkwasserversorgung. Sie wird derzeit von den Stadtwerken Augsburg erarbeitet und soll für die Gruppe Dinkelscherben bis Ende Oktober und für Oberschöneberg bis Weihnachten vorliegen.
Kritisiert wurden außerdem Verbindungen vom Nichttrinkwasserzum Trinkwassersystem, eine fehlende Absicherung von Viehtränken sowie eine hohe Zahl von Totleitungen im Untergrund. Die Mängel waren dann auch der Grund, warum die anschließende Chlorung auf das gesamte Gemeindegebiet ausgedehnt wurde. Sicher ist sicher – als sicherer gilt im Übrigen auch eine dezentrale Wasserversorgung. Der Vorteil des aufwendigeren Konzepts: Kommt es erneut zu einer Verunreinigung, dann wäre jeweils nur ein Teil der Haushalte betroffen. Laut Bürgermeister Edgar Kalb ließen sich in Zukunft sogar zwei und mit Einschränkungen mehrere unabhängige Versorgungsgebiete in der Gemeinde schaffen – sie würde jeweils von den neuen Brunnen im Schmeller Forst versorgt. Bürgermeister Edgar Kalb redet nicht um den heißen Brei herum: „Sicherheit kostet aber auch.“Und wie viel? Das ist nicht klar. In den kommenden Wochen werden die Marktgemeinderäte über die Alternativkonzepte und Gebührenmodelle diskutieren. Bürgermeister Kalb wird dann eine Rechnung vorstellen, die er jüngst aufgemacht hat. Was wäre, wenn Dinkelscherben das Preismodell der Stadtwerke Augsburg übernehmen würde? Es zielt stärker auf Fixgebühren ab. Auch beim Wasserpreis gibt es Unterschiede: In der Landgemeinde kostet der Kubikmeter weniger als in der Stadt. Kalbs Umkehrschluss: Wenn Dinkelscherben kostendeckend bei der Wasserversorgung wirtschaftet und auf das Niveau der Stadtwerke kommen will, müsste auch mehr investiert werden. Kalb geht von einmal neun bis zehn Millionen Euro aus und jährlichen Instandhaltungskosten von rund 50000 Euro. Er sagt: „Damit ließe sich in 50 Jahren einmal das komplette Leitungsnetz von Dinkelscherben auswechseln.“Ein Verkauf der Versorgung, um die Gemeindekasse zu sanieren, sei kein Thema. Kalb: „Wir wollen unsere Versorgung zukunftsfähig machen. Wasser wird in Zukunft noch mehr Bedeutung haben, ist der Rohstoff der Zukunft.“Von der Diskussion, die Betriebsführung in andere Hände zu geben, sei die Gemeinde abgekommen.
Nichts von einem Verkauf der gemeindlichen Wasserversorgung will Diedorfs Bürgermeister Peter Högg wissen. In der Marktgemeinde wird im Augenblick ebenfalls gechlort. Noch ist nicht klar, wie viel die Marktgemeinde in den kommenden Monaten und Jahren in ihr Leitungsnetz investieren muss. Die Sofortmaßnahmen könnten rund 250 000 Euro kosten, was längerfristig an Instandsetzungskosten auf die Gemeinde zukommt, steht noch nicht fest. Högg: „Wir haben ein gutes Netz, es ist nur nicht mehr zeitgemäß.“