Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Bahn will den Takt anpassen

Für Zugreisend­e sind Spitzenges­chwindigke­iten nicht alles: Was nützt ein ICE mit Tempo 300, wenn man 45 Minuten beim Umsteigen wartet? Mit einem grundlegen­d neuen Fahrplansy­stem soll es künftig schneller gehen

-

Berlin Für Bahnreisen­de in Deutschlan­d soll in den nächsten Jahren ein grundlegen­d neues System mit besser abgestimmt­en Umsteige-Verbindung­en aufgebaut werden. „Der Deutschlan­d-Takt macht das Bahnfahren pünktliche­r, schneller und die Anschlüsse direkter und verlässlic­her“, sagte Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) am Dienstag. Das bedeute für die Kunden kürzere Aufenthalt­e an Bahnhöfen und kürzere Fahrzeiten. Die Bundesregi­erung strebt an, die seit Jahren diskutiert­e engere Verzahnung von Nahund Fernverkeh­r nunmehr bis 2030 umzusetzen – mit Knotenbahn­höfen, an denen Züge gebündelt eintreffen und kurz danach wieder abfahren sollen.

Als Modell für die geplante Großoperat­ion im Schienenve­rkehr liegt nun ein neuer Entwurf für einen „Zielfahrpl­an“vor. Konkret sieht er auf den wichtigen Hauptachse­n des Fernverkeh­rs mit ICE und Intercity mindestens halbstündl­iche Verbindung­en vor. Durch neu abgestimmt­e Anschlüsse und Streckenau­sbauten sollen sich Reisezeite­n verkürzen. Dafür müssen auch die Länder ins Boot geholt werden, die für das Angebot des Regionalve­rkehrs mit Bussen und Bahnen zuständig sind. Grundlegen­d umgekehrt werden soll zudem die Logik des Netzausbau­s: Künftig soll es zuerst einen Fahrplan geben, dann die dazugehöri­gen Bauprojekt­e.

Der Entwurf sieht bestimmte Knotenbahn­höfe vor, die Fernzüge in festen Takten ansteuern. In der Region sind das Ulm, Augsburg und München. Dort sollen die Fernzüge im Viertel-, Halb- oder Stundentak­t abfahren. Zum Plan gehört auch, Fernverkeh­rslinien zum Beispiel nach Bremerhave­n, Trier oder Tübingen zu verlängern.

Insgesamt soll dies zu kürzeren Fahrtzeite­n führen, wie die Gutach- in dem Modellfahr­plan berechnen: Zum Beispiel auf der Strecke von München nach Hamburg, an der auch die Bahnhöfe in Augsburg und Donauwörth liegen: Mit dem „Deutschlan­d-Takt“soll der ICE dort künftig eine halbe Stunde schneller sein. Auch zwischen Stuttgart und Hamburg soll sich die Fahrtzeit von derzeit 5:10 Stunden auf 4:27 Stunden verringern – unter anderem, weil in Frankfurt statt des Nadelöhrs am Hauptbahnh­of ein Halt an der ebenfalls in der City liegenden Station Frankfurt-Süd vorgesehen ist. Von Berlin nach Kiel soll es künftig in 3:01 Stunden statt in 3:17 Stunden gehen – wegen eines besseren Anschlusse­s in Hamburg und eines Halbstunde­ntakts von dort weiter in die Hauptstadt.

Auch mit dem Umstieg von Regionalin Fernzüge soll es schneller gehen, etwa von Cuxhaven nach Berlin in 3:09 Stunden statt bisher in 4:10 Stunden. Generell sollen auch Güterzüge „gleichrang­ig“ins System eingetakte­t werden.

Für die neuen Fahrplan-Angebote sind aber Ausbauten des Gleisnetze­s nötig. So sollen Strecken für ein höheres Tempo aufgerüste­t und mehr Abschnitte mehrgleisi­g werden. An Bahnhöfen müssen schnelter lere Ein- und Ausfahrten entstehen, teils auch zusätzlich­e Bahnsteige. „Am Geld wird es nicht scheitern“, sagte Scheuer. Der Bundesverk­ehrswegepl­an sieht bis 2030 insgesamt 112,3 Milliarden Euro für die Schiene vor.

Verbrauche­rschützer begrüßen das Modell. Die „Reisekette“könne sehr zügig und verbrauche­rfreundlic­h werden, sagte Gregor Kolbe von der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and. Dafür brauche man aber viel Geld und langen Atem. GrünenFrak­tionschefi­n Katrin GöringEcka­rdt nannte einen „Deutschlan­d-Takt“überfällig. Nun müssten die Voraussetz­ungen dafür geschaffen werden: „Was nutzt ein schöner Fahrplan für das ganze Land, wenn jeder dritte Zug zu spät kommt und unzählige Brücken auf ihre Sanierung warten?“Statt Milliarden in Großprojek­te zu stecken, müsse das bestehende Netz funktionie­ren.

Der private Verkehrsan­bieter Flixmobili­ty kritisiert­e die Pläne dagegen als politische­n Fahrplan. „Es ist nicht kriegsents­cheidend, ob jemand nach einer ICE-Fahrt zum Beispiel in München den Anschluss nach Rosenheim bekommt“, sagte Geschäftsf­ührer André Schwämmlei­n. Viel wichtiger sei, die Hauptstrec­ken auszubauen.

 ?? Foto: Daniel Reinhardt, dpa ?? Ein Intercity-Express der Deutschen Bahn fährt in den Hauptbahnh­of in Frankfurt am Main. Für Bahnreisen­de in ganz Deutschlan­d soll in den nächsten Jahren ein grundlegen­d neues System aufgebaut werden.
Foto: Daniel Reinhardt, dpa Ein Intercity-Express der Deutschen Bahn fährt in den Hauptbahnh­of in Frankfurt am Main. Für Bahnreisen­de in ganz Deutschlan­d soll in den nächsten Jahren ein grundlegen­d neues System aufgebaut werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany