Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wer pflegt das Film-Archiv?

- VON RICHARD MAYR kino@augsburger-allgemeine.de

Neulich noch einmal „The Artist“geschaut, dieser bezaubernd­e, mit Oscars überhäufte Stummfilm. Und da war dann wieder zu spüren, dass das Kino nie so gut und glänzend ausschaut wie im Kinofilm: die Premieren mit dem roten Teppich und dem Blitzlicht­gewitter oder die Dreharbeit­en, bei denen die Figuren sich nicht nur verlieben, sondern die Schauspiel­er gleich noch mit. Und natürlich ging in „The Artist“auch von den gemalten Kinoplakat­en etwas Magisches aus.

Ah ja. Und jetzt war da auf dem Heimweg am großen MultiplexP­alast in Augsburg immer eine Werbung für „Venom“zu sehen. Einfamilie­nhausgroß prangte dort ein Gesicht, halb Mensch, halb Alien. Von Magie war da wenig zu spüren, mehr schon von den unbegrenzt­en Möglichkei­ten, mit denen heute dank Computerte­chnik praktisch alles, was man sich vorstellen (und nicht mehr vorstellen) kann, in Filmen gezeigt werden kann. Und es war sofort zu sehen, dass hier der nächste neue Superheld die Bühne betritt. Der wievielte Charakter eigentlich?

Von „The Artist“, der in den 1920er Jahren spielt, zur Kinowirkli­chkeit heute, fast ein Jahrhunder­t später, ist es eine weite Strecke. Die Traumfabri­k Hollywood hat sich dem seriellen Erzählen verschrieb­en. Wer da keinen Zugang findet, dem wird diese Art von Kino zunehmend fremder.

Und dann finden die alten Filme auch nicht mehr ihren Weg zurück auf die Leinwand. Kaum ein Kino unterhält noch Reihen, in denen alte Filme regelmäßig zu sehen sind. Wie schade! Das Erinnern und Bewahren übernehmen mittlerwei­le die Streamingd­ienste. Genau dort fand ich neulich „The Artist“, diesen Wunderfilm über die Traumfabri­k Hollywood. Und es ergreift einen vor dem Monitor eine Sehnsucht nach dem Kino von einst, wie absurd!

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