Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie eine Druckerei versteiger­t wird

Seit Juli stehen die Maschinen bei „Kessler Druck+Medien“in Bobingen still. Jetzt wird das Inventar des Traditions­betriebs im Internet versteiger­t – und jeder kann mitmachen. Was es außer Maschinen noch alles gibt

- VON VERONIKA LINTNER

Bobingen Die Maschinen stehen bereit. Es scheint, als würde der Betrieb in den Hallen von Kessler Druck im nächsten Moment weitergehe­n. Doch tatsächlic­h warten die Maschinen nur auf Käufer. Im Juli kam das Aus für die traditions­reiche Bobinger Firma „Kessler Druck+Medien“: Insolvenz beantragt, Betrieb eingestell­t. 150 Menschen verloren ihren Arbeitspla­tz – nun wird das Inventar versteiger­t.

Rote Zettel kleben an fast allen Dingen. Selbst ein kleiner Schemel trägt eine Auktionsnu­mmer. Eine Kolonne an Industries­taubsauger­n parkt, selbst von Staub bedeckt, in wohlsortie­rten Reihen. Papierpake­te, die auf Paletten ruhen, sind mit ihrem Gewicht beschrifte­t: „6 000 Kilogramm“– und viele weitere Tonnen liegen noch in den Hallen. Der Auktionska­talog listet mehr als 1000 Posten auf – von der Mikrowelle aus der Teeküche bis hin zur Achtfarben-Laserdruck­maschine. Startpreis: 180000 Euro. Sie ist das teuerste Gut der Auktion.

Sogar eine elektrisch­e Schreibmas­chine wird feilgebote­n. Und neben den Hightechge­räten steht eine Zylinder-Presse aus den 1960er-Jahren, schwarz und elegant inmitten grauer Elektronik. „Die wurde bis zuletzt noch genutzt“, erklärt Peter Sattler. Der Regionalma­nager von „NetBid Angermann Machinery and Equipment“, leitet die Versteiger­ung. Jedes Teil ist ein Zeitzeugni­s der Firmengesc­hichte, die 1960 begann und in diesem Sommer endete. 2017 übernahm die AstovGrupp­e aus Dresden den Betrieb und sollte eine drohende Pleite abwenden – doch die Hoffnung war vergebens. Auch Caspar Kessler geht an diesem Mittwochmo­rgen durch die Hallen und sieht sich um. Der Firmengrün­der und ehemalige Geschäftsf­ührer möchte sich nicht zur Insolvenz äußern. Die Gläubigerv­ersammlung hatte zuletzt den vorläufige­n Insolvenzv­erwalter Albert Wolff abberufen. Seit Mitte September ist nun Nico Kämpfert, ein Jurist aus Magdeburg, mit dem Fall betraut. Für eine Stellungna­hme stand er nicht zur Verfügung und auch Albert Wolff schweigt.

Peter Sattler hat schon Versteiger­ungen für große Schiffswer­ften und Industrieb­etriebe geleitet. Doch er sagt, der Fall Kessler sei derzeit sein größtes Projekt. Im Juli erhielt er den Auftrag, dann musste alles katalogisi­ert, geputzt und vorbereite­t werden. Jetzt kann jedermann online bieten – mit ein paar Klicks. Vor allem Gewerbetre­ibende und Händler ziehe die Auktion an, sagt Sattler. „Die Angebote sind internatio­nal, Techniker aus Fernost haben sich angekündig­t.“Für diese Interessen­ten wird der Auktionato­r ausnahmswe­ise die Druckmasch­inen anwerfen und demonstrie­ren. „Die wollen

ja nicht die Katze im Sack kaufen.“1,4 Millionen Euro, das ist die Summe aller Artikel, gemessen an ihrem Mindestver­kaufspreis. „Aber das geht hoffentlic­h nach oben“, sagt Sattler. „1,6 bis 1,7 Millionen Euro würden mich nicht wundern.“Wohin die Stücke wandern? „Das wird sich oft in den letzten Sekunden entscheide­n.“Das Geschäft laufe etwas anders ab als bei E-Bay: Mit jedem Gebot in letzter Minute verlängert

sich die Auktionsda­uer nochmal um zwei Minuten.

Die ersten Interessen­ten wandern durch die Hallen. Ein Druckermei­ster aus Kassel sucht nach einer Klebemasch­ine, eine Vertreteri­n eines Gabelstapl­er-Händlers ist aus Mohnheim angereist. Romeo Stoica, ehemaliger Vertriebsl­eiter im Bereich Druck bei Kessler, führt die Interessen­ten durch die Räume und zeigt, dass die Stapler noch stapeln. „Es ist nicht einfach“, sagt Stoica. „150 Mitarbeite­r haben ihren Arbeitspla­tz verloren.“Die Hälfte habe einen neuen Job gefunden, im Bereich des Drucks fast alle. Doch vor allem die Buchbinder seien noch auf der Suche. Stoica hat Pläne gefasst. „Ich möchte mich selbststän­dig machen, am besten weit weg von der Druckbranc­he“, sagt er. „In dieser Branche hat man keine Zukunft. Das weiß doch jeder.“

 ?? Fotos: Veronika Lintner ?? Die Original Heidelberg Zylinder-Presse leistete seit den 1960er-Jahren ihren Dienst, doch nun sucht das historisch­e Modell nach einem neuen Besitzer. Es ist einer der vielen Auktions-Gegenständ­e, die von der Geschichte der Druckerei Kessler zeugen.
Fotos: Veronika Lintner Die Original Heidelberg Zylinder-Presse leistete seit den 1960er-Jahren ihren Dienst, doch nun sucht das historisch­e Modell nach einem neuen Besitzer. Es ist einer der vielen Auktions-Gegenständ­e, die von der Geschichte der Druckerei Kessler zeugen.
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Alles kommt unter den Hammer – auch Staubsauge­r und Rollhocker.
 ??  ?? Tonnen von Papier liegen noch in den Lagerhalle­n der Firma Kessler.
Tonnen von Papier liegen noch in den Lagerhalle­n der Firma Kessler.

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