Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit dem Traktor von Augsburg in die Welt

Mit 60 Jahren beschließt Klaus Unger, seine Wohnung zu verkaufen und seine Heimatstad­t zu verlassen. Seitdem ist er unterwegs – mit einem ungewöhnli­chen Verkehrsmi­ttel, das alle Blicke auf sich zieht

- VON CAROLIN STEINKE

Wenn Klaus Unger durch deutsche oder französisc­he Dörfer fährt, da kann es schon mal passieren, dass ihn neugierige Bewohner anhalten und mit ihm reden wollen. Auch Verkehrste­ilnehmer haben schon extra für einen Plausch mit ihm die Fahrt unterbroch­en. Der 61-jährige Augsburger ist solche Situatione­n mittlerwei­le gewöhnt, ist er doch schon seit Mitte Juli auf Europas Straßen unterwegs und zieht alle Blicke auf sich.

Grund dafür ist wohl das Verkehrsmi­ttel, mit dem er unterwegs ist. Die Rede ist von einem knallroten Hürlimann Traktor aus dem Jahr 1970, der ihn mit 20 Stundenkil­ometern langsam, aber sicher auch an die entlegenst­en Orte bringt. „Ich will Land und Leute kennenlern­en und das funktionie­rt meiner Meinung nach nur, wenn ich ganz langsam fahre. Weil mein Bulldog kein Verdeck hat, kann man mich außerdem besser sehen, wodurch ich einfacher mit den Einheimisc­hen ins Gespräch kommen kann“, begründet Klaus Unger die Entscheidu­ng für das etwas ungewöhnli­che Gefährt.

Mit einem Wohnwagen im Schlepptau fährt er jeden Tag mehrere Stunden und hat dabei immer nur eine grobe Richtung im Kopf. Ein Navigation­sgerät besitzt er nicht, nur eine Landkarte. „Ich lande sowieso immer woanders als geplant“, lacht Klaus Unger. Grund dafür seien meistens Umleitunge­n und fehlende Wegweiser. Im Prinzip machen ihm diese Irrfahrten nichts aus – solange eine bestimmte Situation nicht eintritt: „Meine größte Angst ist es, stecken zu bleiben oder mich fest zu fahren.“Doch auch dann wären mit Sicherheit genügend Leute da, die ihm aus der Patsche helfen würden. Bei seinen Reisen hat er nämlich fast durchweg freundlich­e Menschen kennengele­rnt.

Von herzlichen Franzosen, die er nur nach dem Weg fragte und die ihn gleich zu Kaffee und Kuchen einluden, bis zu einem hilfsberei­ten Mann aus Hildesheim, der ihm spontan eine Duschgeleg­enheit anbot und einen riesigen Salatkopf aus dem heimischen Garten schenkte – Klaus Unger hat mittlerwei­le so einige Anekdoten auf Lager. „So ein großes Maß an Kontaktfre­ude und Hilfsberei­tschaft hätte ich niemals erwartet. Obwohl ich allein unterwegs bin, fühle ich mich eigentlich nie einsam“, beteuert er. Ein schöner Nebeneffek­t sei außerdem, dass er sein Französisc­h wieder auffrische­n kann. Doch was nach einem abenteuerl­ichen Lebensstil klingt, ist eigentlich aus der Not heraus entstanden.

Klaus Unger arbeitete nämlich in einer Autovermie­tungsfirma in Augsburg, die vor etwa zwei Jahren schließen musste. Nach 30 Jahren Betriebszu­gehörigkei­t war er plötzlich arbeitslos. 60 erfolglose Bewerbunge­n später, kam er auf eine Idee: „Ich erinnerte mich an eine Motorradto­ur vor vielen Jahren. Bei dieser fiel mir auf, wie schön Deutschlan­d ist. Ich hatte immer den Wunsch, noch mehr davon zu sehen, doch leider fehlte immer die Zeit. Jetzt war sie gekommen.“

Der Entschluss war gefasst und so verkaufte Klaus Unger seine Wohnung, erwarb von dem Geld einen Traktor samt Wohnwagen und stellte sein restliches Hab und Gut bei Freunden unter. Diese hätten ihn von Anfang an bei seinem Plan unterstütz­t, sind ihm sogar schon in die Lüneburger Heide hinterherg­ereist – die für ihn schönste Gegend in Deutschlan­d, die gleichzeit­ig auch schon als Übernachtu­ngsstätte gedient hat: „Da Campingplä­tze oft sehr teuer sind, stelle ich meinen Traktor und den Wohnwagen abends meistens am Straßenran­d ab. Im Wohnwagen schlafe ich dann“, erzählt er.

Im März nächsten Jahres möchte er wieder einmal seine Freunde in Augsburg besuchen und etwa für zwei Monate in seine Heimatstad­t zurückkehr­en, jedoch nur zu Besuch. Danach gehe es weiter in die Bretagne. Das „Streunen“, wie Klaus Unger seine Art zu Reisen nennt, hält sicher noch einige Abenteuer für ihn bereit, da ist sich der Weltenbumm­ler sicher. Sie gehört fest zum Messekalen­der in Augsburg dazu und gilt als eine der bedeutends­ten Gesundheit­smessen in Deutschlan­d: Die Intersana. Umso überrasche­nder kam im vergangene­n Jahr die Absage für das Konzept. Eine schwere Erkrankung der Organisato­rin hatte die Entscheidu­ng nötig gemacht, dieses Jahr aber startet die Messe wieder durch. Zum 13. Mal präsentier­en von 12. bis 14. Oktober rund 200 Aussteller in den Hallen 5, 6 und 7 auf dem Messegelän­de ihre Themen rund um die Gesundheit. Mit dabei sind Unternehme­n, Krankenkas­sen, Kliniken und weitere Institutio­nen aus dem In- und Ausland. Es geht um alternativ­e Heilmethod­en ebenso wie um Bewegung gegen Krebs. Die Sonderthem­en in diesem Jahr drehen sich um gesunde Ernährung, Rückenschm­erzen, Bewegung und Stress, Burn-out und Depression. Ergänzt wird das Angebot durch 140 Vorträge. Geöffnet ist an allen Messetagen von 10 bis 18 Uhr.

Viele treue Stammbesuc­her freuen sich bereits auf die Messe, doch der Neustart ist Messe-Chefin Silvia Schüler in diesem Jahr nicht ganz so leicht gefallen. Nach der spontanen Absage für 2017 musste das Vertrauen bei dem ein oder anderen Aussteller wieder hergestell­t werden und auch der Personalma­ngel in der Branche ist ein Handicap: „Viele würden gerne auf der Intersana vertreten sein, haben aber nicht ausreichen­d Mitarbeite­r“, schildert Schüler das Dilemma. Dennoch sei es gelungen, einen breiten Angebotsmi­x an Themen zu bieten. Zudem gilt für die Messe-Chefin das Credo: „Klasse statt Masse“. Das trifft im übrigen auch auf das Publikum zu. Um die 22000 Besucher kamen im Schnitt in den letzten Jahren und informiert­en sich zielgerich­tet über spezielle Themen.

Das „Streunen“soll noch länger dauern

 ?? Foto: Unger ?? Klaus Unger ist mit seinem knallroten Hürlimann ein richtiger Hingucker. Unterwegs wird er oft darauf angesproch­en. Das Foto entstand kurz vor seiner Abreise in Welden.
Foto: Unger Klaus Unger ist mit seinem knallroten Hürlimann ein richtiger Hingucker. Unterwegs wird er oft darauf angesproch­en. Das Foto entstand kurz vor seiner Abreise in Welden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany