Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie wandelt sich die Jakobervorstadt?
Nach 129 Jahren schließt das Schuhhaus Bögle – und bei diesem Abschied wird es nicht bleiben. Das Viertel ist derzeit stark im Umbruch, was die Menschen vor Ort unterschiedlich erleben
Die Wurfzettel liegen in den Briefkästen in der Jakobervorstadt. Das Schuhhaus Bögle gibt darauf seinen Abschied bekannt. Das Aus, heißt es, sei unabwendbar. Bögle bedankt sich bei den Kunden für 129 Jahre Treue. Die Schaufenster des Geschäfts sind längst mit gelbem Papier verdeckt. „Räumungsverkauf“ist darauf zu lesen. Der langjährige Standort an der Ecke zur Körnerstraße in Pfersee war bereits im Jahr 2016 geschlossen worden. Damit endete eine lange Tradition. Gegründet wurde das Schuhhaus im Jahr 1889 von Karolina und Johann Bögle. Der erste Standort befand sich in der Schwalbenstraße.
Der anstehende Abschied aus der Jakoberstraße, die als Zentrum des Stadtteils gilt, bedeutet einen weiteren Einschnitt für Menschen, die in dieser Gegend leben. Der Straßenzug ist im Wandel: Mehrere Geschäfte, die bislang von deutschen Inhabern geführt wurden, sind nicht mehr da. Die Immobilien wurden weitervermietet. Die Jakoberstraße wurde zu einer Gegend, in der mittlerweile viele ausländische Kneipen und zwei Wettbüros sitzen. Es gibt zudem ein türkisches Gemüsegeschäft, das viel Zuspruch erfährt. Einkaufsmöglichkeiten sind derzeit also vorhanden. Auch die Supermärkte Norma und Edeka sitzen ja nahe an der Kirche St. Jakob. Edeka hat die Nachfolge von Tengelmann angetreten. Zum Glück, sagen die Bewohner, denn kurzzeitig hatte die Gefahr bestanden, dass der Markt womöglich aufgegeben wird, als es um die Zukunft der TengelmannFilialen ging.
Aktuell kündigt sich der nächste Abschied an: Die Stadtsparkasse wird ihre Filiale in der Jakoberstraße aufgeben. Ab 2. November wird es eine SB-Stelle mit Automaten sein. Kunden müssen für ihre persönlichen Bankgeschäfte künftig zum Willy-Brandt-Platz an der City-Galerie, wo die Stadtsparkasse eine neue Filiale eröffnet. Die Geschäftsstellen Bäckergasse und Jakobervorstadt werden verzahnt. Auch die Apotheke am Jakobertor, die seit den 1970er-Jahren auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, soll schließen, heißt es.
Ein Ortstermin in der Jakoberstraße am Mittwoch gegen 12 Uhr: Blickt man vom Jakobsplatz Richtung Jakobertor, herrscht Leben in der viel befahrenen Straße. Es wird ein- und ausgeladen, Gemüse inspiziert. In den Cafés sitzen vereinzelt Gäste, trinken ihren Kaffee und rauchen eine Zigarette. Wenn man sich mit den Gästen und Besitzern darüber unterhält, ob und was sich hier in den vergangenen Jahren getan hat, vernimmt man unisono: Es hat sich einiges verändert.
Ilias Atsalis, Geschäftsführer des gleichnamigen Cafés, stellt fest, dass gerade die kleinen Geschäfte in den zurückliegenden
Jahren aus dem Straßenbild verschwunden sind. Rosario Iemmolo, der einen Abholmarkt für Haushaltsgeräte Iemmolo besitzt, erzählt: „Es siedeln sich zwar neue Läden an, aber sie öffnen und schließen im Monatstakt.“Das Publikum in der Jakobervorstadt sei internationaler geworden, aber nicht weniger, berichtet Atsalis: „Es ist immer noch was los hier, aber anders. Man muss mit der Entwicklung mitgehen und sich anpassen.“
Das, was ihn am meisten bedrückt, sei der Wegfall der dreitägigen Jakober Kirchweih mit großem Programm. Das ehemalige Stadtteilund Kirchenfest ist jetzt eine deutliche Spur kleiner. Atsalis sagt: „Das Schönste haben sie uns genommen.“
Für die Zukunft wünscht er sich mehr Grün an der Straße und Fahrradabstellplätze. Was ihn tröste, sei der enge und fast freundschaftlich anmutende Zusammenhalt unter den einzelnen Geschäftsbesitzern. Vor allem die alt Eingesessenen wie Rosario Iemmolo unterstützen sich gegenseitig, wo es geht: der eine mit einem Hammer für leichte Bauarbeiten, der andere mit einem Cappuccino zwischendurch. Das sei charakteristisch für die Jakoberstraße: „Man kennt sich hier von Klein auf“, sagt Susanne Koch, pharmazeutisch-technische Assistentin in der Apotheke am Jakobertor.
Die Jakoberstraße ist dennoch zu einem Sorgenkind geworden. Dies sieht auch die Politik so. Deshalb läuft aktuell ein bei der Stadt angesiedeltes Stadtentwicklungskonzept (Stek), dessen Ziel es ist, das Viertel aufzuwerten. Gespräche mit den Bürgern, in welcher Form dies geschehen kann, laufen bereits.