Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Rotlicht brannte für romantische Lieder
Walter Birzele installierte die Beleuchtung im alten Neusässer Traditionsgasthof Schuster
Neusäß Der Abriss des Gasthofs Schuster hat nicht nur die Neussäser stark bewegt. Schließlich kamen vor allem zu den Tanzveranstaltungen auch Besucher aus der gesamten Umgebung. Zahlreiche Stammtische hatten dort ihre Heimat und die Silvesterfeiern verzeichneten stets ein volles Haus. Diese Zeiten sind nun endgültig vorbei. Doch die Erinnerungen unserer Leser halten die Geschichte des Gasthofs wach.
Auch Walter Birzele verbindet eine spezielle Erinnerung mit dem Traditionsgasthaus. Denn er war in den Jahren 1953 bis 1956 Lehrbub beim Elektrohaus Zimmerly in Neusäß. „Als das Schuster-Gebäude im Jahr 1954 gebaut wurde, war ich bei der Montage der Lampen mit dabei“, erinnert sich der 79-Jährige. Dabei hätte es beinahe böse Verwicklungen gegeben, sagt Birzele. „Wir haben den ganzen Gasthof installiert.“
Erst am Freitag bekamen die Elektriker die Lampen, und am Sonntag sollte die Eröffnung sein. „Da blieb uns nichts anderes übrig: Am Freitag arbeitete ich bis 22 Uhr, am Samstag installierten wir die Beleuchtung von 8 bis 24 Uhr und am Sonntag noch von 8 bis zur Saalöffnung um 14 Uhr.“Die Elektriker seien buchstäblich zur einen Türe hinausgegangen, während durch die andere Türe schon die ersten Ehrengäste den schmucken neuen Gasthof betraten.
Eingebaut hatten die Handwerker sogar ein besonderes Extra: „Es gab eine eigene Leitung, über welche die Musiker je nach gespieltem Lied die Lichtstimmung per Schalterdruck verändern konnte. „Wenn’s besonders romantisch werden sollte, gab’s da einen Rotlichteffekt“, erinnert sich Walter Birzele. Vormittags war unter der Woche Berufsschule angesagt, „danach musste ich aber noch auf die Baustelle“. Für die harte Arbeit verdiente er aber wenig Geld: Im ersten Lehrjahr 1953 waren es 25 Mark im Monat, 1954 stieg der Verdienst auf 35 Mark und 1955 schließlich auf 45 Mark. Zu Vergleich: „In dieser Zeit kostete eine Kinokarte der Kategorie 2. Platz 1,30 Mark, 1. Platz oder Balkon sogar 1,80 Mark.“
Selber an Tanzveranstaltungen teilgenommen hat Birzele nicht. Foto/Repro: Marcus Merk
„Aber von 1954 bis etwa 1960 war ich regelmäßig nach der Kirche mit meinen Spezln zum Frühschoppen beim Schuster.“Nach der Lehre ging Birzele eine Zeit auf Wanderschaft, von 1979 bis 1999 arbeitete er dann in der Elektrowerkstatt des Klinikums Augsburg.