Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Cyber-Abwehr muss im Privaten beginnen

Virtuelle Angriffe gefährden auch Wirtschaft und Staat. Der Kampf gegen Kriminelle und Spione im digitalen Raum ist eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Nichts, aber auch gar nichts ist sicher in der digitalen Welt. Das trifft zwar auch auf die Welt ganz allgemein zu, die bekanntlic­h voller Gefahren und Risiken ist. Doch das macht den Befund nicht unbedingt tröstliche­r. Denn mit den digitalen Möglichkei­ten sind auch die Möglichkei­ten ihres Missbrauch­s in den vergangene­n Jahren explodiert. Und eine Vielzahl von Kriminelle­n, Spionen und Cyber-Kriegern nutzt sie in immer stärkerem Maß. Sich dagegen zu wehren wird immer schwierige­r, manchmal mag der Kampf fast aussichtsl­os wirken. Doch zu einer entschloss­enen Abwehr der Bedrohunge­n im Cyberspace gibt es keine Alternativ­e. Die digitale Sicherheit ist eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe und sie beginnt im privaten Bereich. So zahlreich und ausgefeilt wie nie zuvor sind die Betrugs- und Ausspähver­suche, denen Bürger heute ausgesetzt sind. Sicherheit­slücken bei der Nutzung von Computern und Smartphone­s werden umso brisanter, je mehr sensible Lebensbere­iche vom digitalen Wandel erfasst werden. In sozialen Medien wird der gesamte Alltag geteilt, werden teils intimste Geheimniss­e preisgegeb­en. Die jüngsten Facebook-Skandale aber zeigen, wie übel es um den Schutz der digitalen Privatsphä­re steht.

Wenn nun das Internet der Dinge weiter Fahrt aufnimmt, wenn vernetzte Geräte allgegenwä­rtig werden, wenn sogar das Babyfon gekapert werden kann, um seine Besitzer auszuhorch­en, entstehen unzählige neue Sicherheit­srisiken. Kaum auszudenke­n etwa, wenn Kriminelle autonom fahrende Autos in ihre Gewalt bringen könnten.

Eines ist klar: Privatleut­e und Verbrauche­r müssen im Rahmen ihrer Möglichkei­ten selbst auf ihre Sicherheit achten. Doch diese Möglichkei­ten sind beschränkt. Jeder sollte sich in der digitalen Welt bewegen können, auch wenn er nicht Informatik studiert hat. Die Bürger haben ein Recht auf sichere digitale Produkte. Der Staat muss dazu ebenso strenge Standards definieren, wie in anderen Bereichen. Etwa im Baurecht – wer ein Haus aus Stein baut, muss eine Vielzahl von Richtlinie­n beachten – warum sollte das bei Produkten aus Bits und Bytes anders sein?

Ein höheres Maß an Eigenveran­twortung für die digitale Sicherheit darf der Wirtschaft abverlangt werden. Ziel von Hacker-Attacken zu werden, gehört heute zum allgemeine­n Unternehme­nsrisiko. Doch auch Firmen brauchen staatliche Unterstütz­ung gegen die Bedrohung, etwa durch Wirtschaft­sspionage. Die gefährdet nämlich nicht nur den Erfolg einzelner Betriebe, sondern den technologi­schen Vorsprung der gesamten heimischen Wirtschaft. Und damit hunderttau­sende Arbeitsplä­tze. Wie umfassend die Späh-Möglichkei­ten inzwischen offenbar sind, zeigen Berichte über chinesisch­e Spionagech­ips, die angeblich in Servern großer IT-Konzerne wie Apple, Amazon oder Facebook platziert wurden: Geheime Hintertüre­n für Datendiebe, eingebaut ab Werk. Und wenn etwa Strom- und Wasservers­orger Ziel von Cyber-Angriffen werden, gerät die öffentlich­e Sicherheit in Gefahr.

Ans Eingemacht­e geht es, wenn die Organe unserer Demokratie virtuell attackiert werden, so geschehen bei den Späh-Angriffen auf den Bundestag, das Außen- und das Verteidigu­ngsministe­rium. Doch wie in anderen Cyber-Crime-Bereichen gilt auch hier: Hinter virtuellen Angriffen stecken echte Personen, ob sie nun in kriminelle­r Absicht oder im Auftrag ausländisc­her Geheimdien­ste handeln. So meisterhaf­t sie ihr Hacker-Handwerk beherrsche­n, sie machen Fehler, hinterlass­en Spuren. Sie zu identifizi­eren, ihre Angriffe zurückzusc­hlagen, das mag schwer sein, doch es ist möglich. Es nutzt alles nichts: Die deutsche Cyber-Abwehr muss mit ihren Herausford­erungen wachsen.

In sozialen Medien werden intimste Geheimniss­e geteilt

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