Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Tragik des Dalibor
Friedrich Smetanas selten gespielte Oper wird im Martinipark wiederbelebt. Das Werk kam einst zwischen die Fronten von Wagnerianismus und tschechischem Patriotismus
Friedrich Smetana ist ein Begriff. Dank seiner „Moldau“aus dem Programmmusik-Zyklus „Mein Vaterland“, dank seiner komischen Oper „Die verkaufte Braut“.
Aber nicht dank seiner Oper „Dalibor“über den sagenhaften böhmischen Freiheitshelden gleichen Namens, die das Staatstheater Augsburg am Sonntagabend ab 18 Uhr im Martinipark als erste musikalische Neuproduktion der Saison reanimiert. Man muss sich im Allgemeinen schon in Geduld üben und auch reiselustig sein, wenn man diesem Werk auf der Bühne begegnen will. Dabei war für Smetana diese Komposition hinsichtlich des Aufbaus eines nationalen tschechischen Opernrepertoires besonders bedeutsam. Doch „Dalibor“wurde zu seinem Schmerzenskind – auch weil es zerrieben wurde zwischen zwei musikästhetischen Auffassungen.
Aber erzählen wir erst einmal den Inhalt aus dem 15. Jahrhundert:
1. Akt: Dalibor steht vor Gericht, weil er tödliche Vergeltung an einem Burggrafen übte für dessen Mord an Dalibors Freund Zdenek, einem begnadeten Geiger. Des Burggrafens Schwester Milada hattte Dalibor angeklagt – und der böhmische König, auch er ein tyranni- scher Gegner Dalibors, verurteilt diesen zu lebenslangem Kerker.
2. Akt: Doch da sich die sühnefordernde Milada bei der Gerichtsverhandlung in Dalibor plötzlich verliebt, will sie ihn wieder befreien und tritt bei dem Kerkermeister Benesch als männlich verkleideter Gehilfe eine Stelle an. Auf einem Gang in den Kerker kann Milada ihrem Geliebten – neben einer Geige – Werkzeug zur eigenen Befreiung übergeben.
3. Akt: Aufgrund der (gebeichte- ten) Verfehlung von Benesch und aufgrund politischer Warnungen vor einem Umsturz wird Dalibor vom König zum Tod verurteilt. Gleichzeitig warten dessen Anhänger auf seine Flucht, um sich gegen den König zu erheben. Bevor Dalibor hingerichtet werden kann, stirbt er mit Milada im Kampf für die Freiheit.
Eigentlich waren die Umstände der „Dalibor“-Uraufführung 1868 in Prag, also am „Originalschauplatz“, nicht nur günstig, sondern auch bewusst geplant und förderlich: Am selben Tag wurde, verbunden mit einem großen patriotischen Fest, der Grundstein für das neue tschechische Nationaltheater gelegt. Der 16. Mai 1868 war eine Unabhängigkeitsdemonstration.
Aber Smetanas „Dalibor“-Oper wurde dennoch nicht mit Begeisterung aufgenommen, auch nicht in ihrer zweiten Fassung 1870 – und in vielen weiteren Fremd-Bearbeitungen. Das Werk fiel recht eigentlich durch. Dafür war aber weniger Smetanas Musik verantwortlich – und schon gar nicht deren Qualität – als viel mehr das holzschnitthaftschlichte und biedere Textbuch mit seinen unfreiwillig-komischen deutschen Reimen, das überdies mit dem befreienden Kerkergehilfen Milada starke Anleihen bei Beethovens „Fidelio“nimmt. Dazu kommt, dass die Titelfigur keinerlei Entwicklung und Aktivität entfalten kann. In Augsburg jetzt wird eine neue (Rück-)Übersetzung aus dem Tschechischen von Kurt Honolka verwendet.
Aber auch Smetanas Musik wurde seinerzeit kritisch beurteilt – wie gesagt nicht aus Gründen musikalischer Schwächen, sondern aus einem musikästhetischen Blickwinkel heraus: Smetana sah Richard Wagner und dessen Kunst des Musikdramas als zukunftsweisend an – was zu Unmut bei den Anti-Wagnerianern führte. Eine Auseinandersetzung im Übrigen, wie sie auch in Deutschland und Österreich geführt worden war. Inwieweit Smetana dem damals progressiven Wagner folgte (Leitmotivtechnik!) und inwieweit nicht, dies ist nun am Sonntag in Augsburg zu hören. Smetana selbst legte jedenfalls Wert auf die Feststellung, dass er mehr als mit dem Wagnerianismus mit seinem eigenen Smetanatismus zu tun habe.