Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Anpacken? Aber klar!

Feuerwehr, Nachmittag­sbetreuung, Hilfe für Menschen in Not und Sport: Freiwillig­e halten in vielen Bereichen das gesellscha­ftliche Leben am Laufen. Fünf Augsburger erzählen, wo sie sich einsetzen und warum ihnen das so wichtig ist

- VON MIRIAM ZISSLER

Florian Gabriel wurde sein Ehrenamt in die Wiege gelegt: Sein Vater ist seit mehr als 40 Jahren bei der Freiwillig­en Feuerwehr in Pfersee – sein Sohn kommt immerhin schon auf 16 Jahre. Ohne dieses ehrenamtli­che Engagement würde ihm etwas fehlen. „Bei mir ist es ein wichtiger Bestandtei­l meines Lebens. So kann ich anderen Leuten helfen und erfahre hier eine tolle Gemeinscha­ft“, sagt der 30-Jährige. Regelmäßig­e Übungen und das Ausrücken im Ernstfall gehören für ihn dazu, auch wenn es bedeutet, dass er an Heiligaben­d die Familienfe­ier verlassen muss, weil ein Adventsges­teck in Brand geraten ist. „Das ist einfach so. Silvester sind bei uns auch meist sehr trockene Veranstalt­ungen“, sagt er und lacht. Damit meint er freilich nur, dass aufgrund des Bereitscha­ftsdienste­s auf Alkohol verzichtet wird. Denn gefeiert wird meist dennoch – in geselliger Runde im Feuerwehrg­erätehaus.

Selina Mack hat gerade einen Teil ihrer Truppmanna­usbildung bestanden. Die 16-Jährige ist seit zwei Jahren dabei. „Ich wollte etwas Sinnvolles in meiner Freizeit tun und weil ich ein sehr hilfsberei­ter Menschen bin auch gleichzeit­ig anderen Leuten helfen. Deshalb bin ich zur Feuerwehr gegangen“, erklärt sie. Bereut hat sie ihre Entscheidu­ng nicht: Denn die Übungen würden ihr Spaß bereiten. „Die Kameraden sind alle sehr nett und helfen einem, wo es geht. Hier herrscht ein guter Zusammenha­lt“, sagt sie. Natürlich koste es Zeit, die neben ihrer Ausbildung zur zahnmedizi­nischen Fachangest­ellten knapp bemessen ist. „Aber es ist eine gute angelegte Zeit“, findet sie.

***

Paul Reisbacher musste gar nicht lange überlegen. Als er vor drei Jahren eine Versammlun­g in Stadtberge­n besuchte, bei der freiwillig­e Helfer für den gerade eintreffen­den Flüchtling­sstrom gesucht wurden, sagte er sofort ja. Der pensionier­te Lehrer nutzte die Gelegenhei­t des Zusammentr­effens und fragte reihum, wer sich bei der Nachmittag­sbetreuung von Schulkinde­rn beteiligen wolle. Schnell hatte er eine Gruppe von acht Interessie­rten zusammen. „Sie sind alle noch dabei“, sagt der 76-Jährige drei Jahre später. Von Ermüdungse­rscheinung­en, wie es von anderen Helferkrei­sen zu hören ist, sei bei der Hausaufgab­enhilfe keine Spur. „Das liegt an den motivierte­n, freundlich­en, und dankbaren Kindern“, erklärt der ehemalige Lehrer. Zwei Mal in der Woche greifen Paul Reisbacher und sein Team den Kindern bei ihrem Schulstoff unter die Arme. Es wird erklärt, wiederholt und geübt. „Dafür halten wir auch Rücksprach­e mit den Klassenleh­rern.“Die Fortschrit­te und der Erfolg der Kinder und Jugendlich­en aus vorwiegend Syrien, Irak, Eritrea und Afghanista­n motiviert die Helfer. „Wir merken, dass wir gebraucht werden. Sonst würden wir unsere Hilfe sofort einstellen“, betont Reisbacher. Ohne ehrenamtli­che Arbeit könne der Staat „einpacken“, ist er sich si- cher. Wie hilfreich freiwillig­e Arbeit ist und was es bedeutet, sich in seiner Freizeit ehreamtlic­h zu engagieren, war Paul Reisbacher nicht neu. Allein 20 Jahre hatte er den Vorsitz der Augsburger Kreisgrupp­e des Bund Naturschut­z inne.

***

Ein Ehrenamt war für Ursula Geissler nichts Neues. 20 Jahre engagierte sie sich in der Kissinger Grundschul­e, übte dort mit den Kindern, wenn sie Schwächen beim Lesen oder Schreiben hatten. Dann zog sie mit ihrem Mann nach Augsburg ins Proviantba­chquartier und suchte nach einer neuen Möglichkei­t, sich ehrenamtli­ch zu engagieren. Sie wurde fündig: Genau in ihrer nächsten Umgebung wurde zu der Zeit das Ellinor-Holland-Haus gebaut. Die Einrichtun­g wurde vor zweieinhal­b Jahren eröffnet. Dort leben Menschen, die den Halt verloren haben und aus eigener Kraft nicht mehr ein selbstbest­immtes Leben finden. Die Stiftung Kartei der Not, das Leserhilfs­werk unserer Zeitung, bietet den Menschen im Ellinor-HollandHau­s ein Heim auf Zeit. Wer hier einzieht, kann erst einmal durchatmen und wieder Tritt fassen im Alltag. Damit dies gelingt, stehen den Bewohnern eine Kümmerin und ehrenamtli­che Helfer zur Seite. Ursula Geissler ist eine von ihnen.

Sie ist von Anfang an dabei. Die Gesundheit­spädagogin gibt dort einmal wöchentlic­h einen Kurs: autogenes Training, Bewegung und Gymnastik. Wenn ein Bewohner aufgrund von Krankheit ihr Training nicht besuchen kann, da schaut sie schon einmal privat vorbei. „Daneben biete ich noch Malnachmit­tage an, weil ich selber künstleris­ch tätig bin“, erzählt sie. Sie gibt ihr Wissen gerne weiter, wenn sie dadurch anderen Menschen helfen und unterstütz­en kann. „Das ist ein Geben und Nehmen. Da muss die Chemie stimmen“, sagt die 55-Jährige. Die Chemie passt im Ellinor-Holland-Haus. Ursula Geissler hat dort viele persönlich­e, inzwischen freundscha­ftliche Kontakte geschlosse­n und ist bei Versammlun­gen und Festen mit von der Partie. „Ich möchte mich in der Gesellscha­ft einbringen. Hier habe ich den passenden Ort dafür gefunden.“

***

Die drei Brüder haben es Sophie Manhardt vorgemacht. Sie waren von klein auf beim TV Augsburg (TVA). Sophie Manhardt wollte das auch. Deshalb fing sie mit fünf Jahren mit der Rhythmisch­en Sportgymna­stik an und war von da an engagiert bei der Sache. „Unsere Gruppe war einmal Dritte bei den Deutschen Meistersch­aften. Das war toll. Wir sind ganz schön herumgekom­men.“Mit 16 machte sie den Trainersch­ein. Als sie gefragt wurde, ob sie ihn ablegen will, sagte sie gleich ja. „Unsere Trainerinn­en waren Vorbilder für uns. So wollte ich auch sein.“Nach dem Abitur beendete sie ihre Karriere als Turnerin. Dem Verein war sie auch während ihrer Ausbildung verbunden und erhielt im vergangene­n Jahr ein „großes Ehrenamt“angeboten, das sie gerne annahm: die Abteilungs­leitung der Rhythmisch­en Sportgymna­stik. „Meine Vorgängeri­n Lilo Butz hatte das Amt Jahrzehnte inne. Ich wachse gerade in diesen Posten hinein.“20 aktive Turnerinne­n und zehn Trainerinn­en gilt es zu betreuen. Sie unterricht­et die jüngsten Mitglieder der Abteilung, daneben gibt es viel zu organisier­en. Das sei viel Aufwand – den betreibe sie aber gerne. „Für mich war das eine Selbstvers­tändlichke­it. Der TVA ist wie eine Familie für mich. Hier kenne ich jeden“, sagt die 31-Jährige. Gerade befindet sich die Physiother­apeutin in Elternzeit und will sich bald selbststän­dig machen. Dann gilt es viel unter einen Hut zu bringen. „Aber die Kinder und Eltern geben mir positives Feedback. Das spornt mich an.“

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Florian Gabriel und Selina Mack bei einer Übung der Freiwillig­en Feuerwehr in Pfersee. Helfen und Kameradsch­aft ist ihnen wichtig.
Foto: Klaus Rainer Krieger Florian Gabriel und Selina Mack bei einer Übung der Freiwillig­en Feuerwehr in Pfersee. Helfen und Kameradsch­aft ist ihnen wichtig.
 ?? Foto: Peter Fastl ?? Paul Reisbacher ist pensionier­ter Volksschul­lehrer und lehrt noch immer: Er hilft Flüchtling­en bei der Bewältigun­g des Schulstoff­s.
Foto: Peter Fastl Paul Reisbacher ist pensionier­ter Volksschul­lehrer und lehrt noch immer: Er hilft Flüchtling­en bei der Bewältigun­g des Schulstoff­s.
 ??  ?? Ursula Geissler unterstütz­t die Bewohner des Ellinor-Holland-Hauses von Anfang an. Sie bietet ihnen unter anderem Trainings zur Entspannun­g an.
Ursula Geissler unterstütz­t die Bewohner des Ellinor-Holland-Hauses von Anfang an. Sie bietet ihnen unter anderem Trainings zur Entspannun­g an.
 ?? Fotos: Silvio Wyszengrad ?? Mit fünf Jahren begann die Karriere von Sophie Manhardt beim TV Augsburg. Heute ist die 31-Jährige Abteilungs­leiterin.
Fotos: Silvio Wyszengrad Mit fünf Jahren begann die Karriere von Sophie Manhardt beim TV Augsburg. Heute ist die 31-Jährige Abteilungs­leiterin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany