Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Was diese Funde so besonders macht
Die alte Stadtbefestigung ist in Augsburg an mehreren Stellen zu sehen. Trotzdem sind diese Mauern nicht mit denen zu vergleichen, die jetzt beim Theater auftauchten. Wie andere Städte mit solchen Themen umgehen
Welche Funde erwarteten die Archäologen im Umfeld des Theaters? Dank des Studiums alter Karten und Pläne war den Experten klar, dass rund ums Theater mit Teilen der alten Stadtmauer und den Resten zweier Wehrtürme zu rechnen sein würde. Bei den Grabungen tauchten auch die Überbleibsel einer alten Bastion auf, die zum Kennedyplatz hin liegt – dort also, wo man an der Westseite des Theaters einst in die Kantine ging.
Was macht diese Funde im Vergleich so besonders?
Laut Grabungsleiter Günther Fleps finden sich auf rund hundert Quadratmetern alle Ausbaustufen der einstigen Augsburger Stadtbefestigung: vom 13. Jahrhundert bis zur Schleifung der Mauer im 19. Jahrhundert. Zu erkennen ist, wie die Mauer immer wieder verändert bzw. erweitert wurde, wie Wehrtürme angebaut und Wehrgräben verlegt wurden. Chefarchäologe Sebastian Gairhos sagt, diese Konstellation findet sich sonst nirgendwo in der Stadt. „Was wir andernorts von der Stadtmauer sehen, ist immer deren letzte Ausbaustufe.“ Warum ist dieser Teil der Mauer so gut erhalten?
Der Grünstreifen zwischen Theater und Volkhartstraße war bisher nicht bebaut. Es fanden damit nie größere Eingriffe ins Erdreich statt. Für den weiteren Verlauf der alten Stadtmauer im Augsburger Westen gilt das nicht. Dort, wo die Befestigung einst verlief – vom Wertachbrucker bis zum Roten Tor – wurde die Mauer spätestens ab 1860 zerstört, die Wehrgräben wurden aufgefüllt. In diesem Bereich entstanden unter anderem Volkhart- und Fuggerstraße, bis zur Konrad-Adenauer-Allee in Richtung Süden sind alle Gebäude unterkellert. Damit wurden auch die Bodendenkmäler zerstört.
Wie ging man bislang mit solchen Funden um?
Die meisten archäologischen Funde werden von Experten dokumentiert und dann entweder überbaut oder zerstört. Dies war unter anderem am Klinkertor so, wo ebenfalls Teile der historischen Stadtbefestigung gefunden wurden. Wo es möglich (und finanzierbar) ist, versuchen private wie öffentliche Bauherren bisweilen, die Vergangenheit zu erhalten oder sogar sichtbar zu machen. Ein Beispiel ist das archäologische Fenster im ehemaligen Jesuitenkolleg Sankt Salvator im Domviertel. In diesem Gebäude ist auch der Kleine Goldene Saal beheimatet.
Was geschieht jetzt beim Theater? Bislang ging man davon aus, dass die Funde gesichtet und dokumentiert werden, um sie danach zu beseitigen. Davon raten die Archäologen nach neuesten Erkenntnissen ab. Sie plädieren dafür, die Stadtmauer in die Theaterplanung zu integrieren und den Bürgern diesen bedeutenden Fund dadurch nicht nur zu erhalten, sondern auch öffentlich zugänglich zu machen.
Was spricht dafür?
Abgesehen von den Argumenten der Archäologen sprechen weitere Gründe für einen Erhalt: Es gibt in Augsburg bislang wenige Stellen, an denen man Ausgrabungen sichtbar gemacht hat. Theaterplaner Walter Achatz hat nun Pläne entworfen, nach denen die Mauer unter einer Glasplatte liegend für Interessierte gezeigt würde. Besucher, die in den Orchesterprobensaal kommen, könnten sie vom Foyer aus sehen. Auch von der Straße aus (Ecke Kasernund Volkhartstraße) wäre die Mauer zu sehen. Durch Projektionen könnte die Geschichte der Mau- er didaktisch aufbereitet werden.
Was spricht dagegen?
Wird die Mauer in den Theaterbau integriert, muss umgeplant werden, was zu Mehrausgaben führt. Da die Theatersanierung mit insgesamt rund 186 Millionen Euro von Anfang an umstritten war, könnte die Stadtregierung vor diesen Mehrausgaben zurückscheuen, um neue Kritik an der Sanierung zu vermeiden. Bei der Entscheidung wird es wohl vor allem ums Geld gehen (siehe obigen Artikel). Gibt es positive Beispiele für eine Integrierung historischer Substanz?
Beim Bau der Volkshochschule Donauwörth wurden ebenfalls Teile der alten Stadtbefestigung gefunden. Die Stadt plante das Projekt daraufhin um, auch hier gab es Mehrkosten. Heute ist man in der Stadt stolz auf die mutige Entscheidung, alt und neu zu verbinden. In Regensburg wurden beim Bau eines Parkhauses Teile der einstigen Legionslagermauer gefunden. Man integrierte es in den Bau und machte es offen sichtbar.