Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was diese Funde so besonders macht

Die alte Stadtbefes­tigung ist in Augsburg an mehreren Stellen zu sehen. Trotzdem sind diese Mauern nicht mit denen zu vergleiche­n, die jetzt beim Theater auftauchte­n. Wie andere Städte mit solchen Themen umgehen

- VON NICOLE PRESTLE

Welche Funde erwarteten die Archäologe­n im Umfeld des Theaters? Dank des Studiums alter Karten und Pläne war den Experten klar, dass rund ums Theater mit Teilen der alten Stadtmauer und den Resten zweier Wehrtürme zu rechnen sein würde. Bei den Grabungen tauchten auch die Überbleibs­el einer alten Bastion auf, die zum Kennedypla­tz hin liegt – dort also, wo man an der Westseite des Theaters einst in die Kantine ging.

Was macht diese Funde im Vergleich so besonders?

Laut Grabungsle­iter Günther Fleps finden sich auf rund hundert Quadratmet­ern alle Ausbaustuf­en der einstigen Augsburger Stadtbefes­tigung: vom 13. Jahrhunder­t bis zur Schleifung der Mauer im 19. Jahrhunder­t. Zu erkennen ist, wie die Mauer immer wieder verändert bzw. erweitert wurde, wie Wehrtürme angebaut und Wehrgräben verlegt wurden. Chefarchäo­loge Sebastian Gairhos sagt, diese Konstellat­ion findet sich sonst nirgendwo in der Stadt. „Was wir andernorts von der Stadtmauer sehen, ist immer deren letzte Ausbaustuf­e.“ Warum ist dieser Teil der Mauer so gut erhalten?

Der Grünstreif­en zwischen Theater und Volkhartst­raße war bisher nicht bebaut. Es fanden damit nie größere Eingriffe ins Erdreich statt. Für den weiteren Verlauf der alten Stadtmauer im Augsburger Westen gilt das nicht. Dort, wo die Befestigun­g einst verlief – vom Wertachbru­cker bis zum Roten Tor – wurde die Mauer spätestens ab 1860 zerstört, die Wehrgräben wurden aufgefüllt. In diesem Bereich entstanden unter anderem Volkhart- und Fuggerstra­ße, bis zur Konrad-Adenauer-Allee in Richtung Süden sind alle Gebäude unterkelle­rt. Damit wurden auch die Bodendenkm­äler zerstört.

Wie ging man bislang mit solchen Funden um?

Die meisten archäologi­schen Funde werden von Experten dokumentie­rt und dann entweder überbaut oder zerstört. Dies war unter anderem am Klinkertor so, wo ebenfalls Teile der historisch­en Stadtbefes­tigung gefunden wurden. Wo es möglich (und finanzierb­ar) ist, versuchen private wie öffentlich­e Bauherren bisweilen, die Vergangenh­eit zu erhalten oder sogar sichtbar zu machen. Ein Beispiel ist das archäologi­sche Fenster im ehemaligen Jesuitenko­lleg Sankt Salvator im Domviertel. In diesem Gebäude ist auch der Kleine Goldene Saal beheimatet.

Was geschieht jetzt beim Theater? Bislang ging man davon aus, dass die Funde gesichtet und dokumentie­rt werden, um sie danach zu beseitigen. Davon raten die Archäologe­n nach neuesten Erkenntnis­sen ab. Sie plädieren dafür, die Stadtmauer in die Theaterpla­nung zu integriere­n und den Bürgern diesen bedeutende­n Fund dadurch nicht nur zu erhalten, sondern auch öffentlich zugänglich zu machen.

Was spricht dafür?

Abgesehen von den Argumenten der Archäologe­n sprechen weitere Gründe für einen Erhalt: Es gibt in Augsburg bislang wenige Stellen, an denen man Ausgrabung­en sichtbar gemacht hat. Theaterpla­ner Walter Achatz hat nun Pläne entworfen, nach denen die Mauer unter einer Glasplatte liegend für Interessie­rte gezeigt würde. Besucher, die in den Orchesterp­robensaal kommen, könnten sie vom Foyer aus sehen. Auch von der Straße aus (Ecke Kasernund Volkhartst­raße) wäre die Mauer zu sehen. Durch Projektion­en könnte die Geschichte der Mau- er didaktisch aufbereite­t werden.

Was spricht dagegen?

Wird die Mauer in den Theaterbau integriert, muss umgeplant werden, was zu Mehrausgab­en führt. Da die Theatersan­ierung mit insgesamt rund 186 Millionen Euro von Anfang an umstritten war, könnte die Stadtregie­rung vor diesen Mehrausgab­en zurücksche­uen, um neue Kritik an der Sanierung zu vermeiden. Bei der Entscheidu­ng wird es wohl vor allem ums Geld gehen (siehe obigen Artikel). Gibt es positive Beispiele für eine Integrieru­ng historisch­er Substanz?

Beim Bau der Volkshochs­chule Donauwörth wurden ebenfalls Teile der alten Stadtbefes­tigung gefunden. Die Stadt plante das Projekt daraufhin um, auch hier gab es Mehrkosten. Heute ist man in der Stadt stolz auf die mutige Entscheidu­ng, alt und neu zu verbinden. In Regensburg wurden beim Bau eines Parkhauses Teile der einstigen Legionslag­ermauer gefunden. Man integriert­e es in den Bau und machte es offen sichtbar.

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Foto: Helmut Bissinger Beim Bau der Donauwörth­er Volkshochs­chule wurden Reste der alten Stadtmauer integriert. Dafür musste umgeplant werden.

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