Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sagen, was Sache ist
Ein gelungenes Zusammenleben in der Familie hängt auch von der Wortwahl ab. Eine Expertin sagt, worauf die Eltern achten sollten
Landkreis Augsburg Mama Silke ist genervt. Ihre siebenjährige Tochter Svenja weigert sich strikt, sich selbst zu beschäftigten, obwohl Silke nur ein paar Minuten Zeit bräuchte, um in Ruhe ein paar Arzttermine zu vereinbaren. Doch Svenja quatscht andauernd dazwischen und hat nun auch noch die Musik viel zu laut aufgedreht. Silke nimmt sich zusammen und erklärt ihrer Tochter: „Ich möchte jetzt kurz Ruhe haben, mich stört dieser Lärm und er hindert mich daran, die Arzttermine schnell und zügig zu vereinbaren.“
Was Mama Silke dazu bewogen hat, so besonnen mit ihrer Tochter zu interagieren und nicht etwa laut zu poltern „du nervst mich, Kind“, könnte an dem Spickzettel liegen, den sie von Diplom-Pädagogin Christine Opitz bekommen hat. Dort steht nämlich als einer der ersten Punkte, dass sogenannte IchBotschaften, die die eigenen Gefühle und Meinungen wiedergeben, wesentlich mehr Kooperation erzeugen als Du-Botschaften, die meist Anschuldigungen oder Vorwürfe beinhalten.
Neben der Formulierung aus der Ich-Perspektive bewirkt beispielsweise auch das kleine Wörtchen „aber“sehr viel mehr als man glauben könnte, denn: Wer das Wort nach einer positiven Formulierung verwendet, macht eben diese damit fast schon wieder zunichte. Das „aber“zu streichen oder durch „und“zu ersetzen, ist eine mögliche Alternative. Weniger verwendet werden sollten auch Verallgemeinerungen wie etwa „immer“oder „alle“, die beim Gegenüber eher Widerstand auslösen oder schlicht und einfach nicht wahr sind wie etwa der Satz „keiner mag mich“. Auch ungenaue Formulierungen und das kleine Wörtchen „eigentlich“, das für so viel Unsicherheit sorgen kann, sind besser zu vermeiden.
Eine klare, direkte Ansprache ist wichtig für Kinder. Rhetorische Fragen („Kannst du eigentlich nie stillsitzen?“), als Bitten formulierte Fragen („Kannst du bitte deine Spielsachen aufräumen“), negative Formulierungen („Fall nicht runter“) und lange Vorträge anstatt klarer Grenzen sind kontraproduktiv im Umgang mit Kindern. Die Therapeutin weiß aus ihrer Praxis: „Häufige negative Botschaften können das Selbstbewusstsein angreifen.“Wie viel Einfluss die Wortwahl auf den Menschen haben kann, macht Christine Opitz auch mit diesen Beispielen deutlich: Wer sein Kind häufig in dessen Beisein als schüchtern bezeichnet, könnte diese Vorstellung buchstäblich im Kind verankern. Hier rät die Referentin, die Wortwahl in eine neutrale oder positive Wortwahl zu ändern: So kann ein „schüchternes“Kind neutraler bzw. wertschätzender als „zurückhaltend“bezeichnet werden. Schüchtern zu sein wird dem Kind so gar nicht erst mit Worten suggeriert.
„Kein Mensch verwendet absichtlich negative Worte“, weiß die Diplom-Pädagogin. Damit sich Menschen ihrer Worte wieder mehr bewusst werden, gibt es den Vortrag mit dem Titel „Worte, die starkmachen“im AWO-Haus der Familie. Dabei ist der Ansatz der Referentin ein einfacher: „Ich möchte Samenkörner säen“, verrät Christine Opitz und bemüht damit eine Metapher, die sagen will: Menschen sollten sich ihrer Sprache und ihrer Wortwahl wieder mehr bewusst werden.
Wer den Spickzettel aus Christine Opitz’ Vortrag zur Hand nimmt, hat im Alltag immer wieder die Möglichkeit, neue Worte und Sprachmuster auszuprobieren und sich von deren positiven Wirkung überraschen zu lassen. „Wir alle brauchen Liebe und Anerkennung, damit wir stark werden und zwar auch in Worten“, erklärt die Fachfrau.