Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Was bleibt von diesem Wahlkampf?
Nachgefragt Lange war die politische Debatte nicht mehr so aufgewühlt wie in den vergangenen Wochen. Wir haben mit Prominenten und Nicht-Prominenten, mit Bayern und Nicht-Bayern über ihren ganz persönlichen Blick auf die Landtagswahl gesprochen
Dieter Schweiger (Obststand-Betreiber aus München)
„Eigentlich geht’s uns doch saugut. Dass der Bayer trotzdem grantelt, gehört halt dazu. Aber was mir gar nicht passt, ist das primitive und billige Gegeneinander der Politiker. Die Mitte schafft es nicht mehr, sich vom Geschwätz von Links und Rechts abzugrenzen. Wir Bayern müssen wieder respektvoll miteinander umgehen und dürfen nicht jeden, der anderer Meinung ist, als linke Sau oder Nazi bezeichnen.“ Renate Schmidt (frühere bayerische SPD-Vorsitzende)
„Ich bin seit bald 60 Jahren ein politisch denkender Mensch. Aber ich habe es noch nie erlebt, dass sich eine Woche vor einer Wahl die beiden Spitzenleute einer Partei bereits öffentlich darüber streiten, wer denn nun schuld ist an dem schlechten Wahlergebnis, das es noch gar nicht gibt. Das macht mich echt fassungslos.“ Wolfgang Krebs (Kabarettist und Seehofer-Double)
„Man sagt ja immer: In Bayern sind in der Wahlkabine die Kugelschreiber an einer so kurzen Schnur angebunden, dass man nur Liste 1 wählen kann. Aber im Ernst: Am meisten erstaunt mich, dass Horst Seehofer von Berlin aus den Wahlkampf in Bayern so stark negativ beeinflusst hat und dass die CSU so schlecht dasteht, obwohl man doch überall in Europa neidisch auf den unbestrittenen Erfolg Bayerns ist.“
Charlotte Knobloch (Präs. Israelitische Kultusgemeinde München)
„Ich habe schon viele Wahlkämpfe in Bayern erlebt, aber 2018 war wirklich denkwürdig. Es war selten viel Ungewissheit im Spiel, und selten haben sich so viele Parteien so viel Hoffnung machen dürfen. Ich für meinen Teil hoffe, dass Bayern nach dem morgigen Sonntag eine stabile Regierung bekommt – und dass die Bürger unseres Landes eine Entscheidung für Freiheit und Demokratie treffen.“
Melissa Eddy (Korrespondentin New York Times)
„Um zu verstehen, wer Markus Söder ist, haben wir von der New York Times ihn „Germany’s Trump“genannt. Wie der US-Präsident versucht er, mit einem Rechtsruck sein Land gegen Migranten zu verteidigen. Für Deutschlandkenner aber ist der Blick nach Bayern gewandt mit dem Verständnis, dass das, was hier passiert, Auswirkungen haben wird auf die Bundesregierung. Und weil hier die Frage beantwortet wird, ob die Deutschen ihren eigenen Trump wollen oder nicht.“
Erwin Reichart (katholischer Wallfahrtsdirektor in Maria Vesperbild)
„Was mir gar nicht gefällt, ist, dass es seit Wochen eigentlich nur darum geht, wie man die großen Parteien abwatschen kann. Ein Großteil der Bevölkerung sieht offensichtlich nicht, dass es um Inhalte geht und 50 Jahre erfolgreiche Politik in Bayern auf dem Spiel stehen.“
Peter Seliger (pensionierter Berufssoldat Neuburg an der Donau)
„Die überall präsenten Wahlplakate erachte ich als überflüssig, das eingesparte Geld könnte man sozialen Zwecken zuführen. Ich finde den Wahl-O-Mat hilfreich, um die vielfältigen Wahlaussagen der Parteien mit den eigenen Präferenzen in etwa auf einen Nenner zu bringen. Auch wenn nicht alles glänzt, ist Bayern dennoch ein gesundes Bundesland. Daher hat mir die Vermischung von Bundes- und Landespolitik nicht gefallen.“ Michael Spreng (Politikberater und WahlkampfManager)
„Statt über ihre Erfolge in Bayern zu reden, hat die CSU monatelang nur über ihre Misserfolge auf Bundesebene in der Flüchtlingspolitik geredet – und das in einer Sprache ähnlich wie die AfD. So zerstörte sie ihre Glaubwürdigkeit. So vertrieb sie christliche Wähler zu den Grünen und Konservative zur AfD. Diese teuflische Strategie hätte sich kein Feind der CSU besser ausdenken können.“ Diana Hammerl (Verkäuferin auf dem Stadtmarkt Augsburg)
„Ich bin etwas zwiegespalten. Es freut mich, dass die Wahl spannender geworden ist. Schade finde ich es, dass es zu einer Hau-drauf-Politik mancher Parteien gekommen ist. Besonders gefreut habe ich mich über den Abstecher des GrünenChefs Robert Habeck im Wahlkampf an unseren Stand auf dem Augsburger Stadtmarkt.“
Mohamed Abu El-Qomsan (Zentralrat der Muslime in Bayern)
„Die diesjährigen Landtagswahlen in Bayern sind in meinen Augen durch den zu erwartenden, erstmaso ligen Einzug der rechtspopulistischen Partei AfD in den bayerischen Landtag überschattet. Das Positive ist, dass das zu einem sogenannten ,Aufstand der Anständigen‘ in Bayern führte. Ich hoffe, dass die Mehrheit der Bürger auf den Aufstieg der Populisten mit mehr Wahlbeteiligung antwortet, um das Ansehen Bayerns als tolerantes und offenes Bundesland zu verteidigen.“
Birgit Baumann (Korrespondentin für die Zeitung Standard/Österreich)
„Die CSU, die doch scheinbar alles immer im Griff hat, ließ sich von der AfD treiben und schaffte es – trotz der guten Wirtschaftslage – nicht, positive Stimmung zu erzeugen. Man merkte, wie viele Menschen die CSU einfach satthaben. Immerhin bot sie die ihr eigene grandiose Show: Die Polit-Feinde Söder und Seehofer machen auf beste Freunde und sitzen beim Gedenken zum 30. Todestag von Franz Josef Strauß in Rott auch noch in der Kirche nebeneinander. Ganz großes Kino, allerdings sehr durchschaubar.“
Michael Graeter (Münchner Boulevard-Journalist)
„Als Ur-Münchner und Giesinger Gwachs muss ich bangen, ob Bayern unser schönstes Land der Welt bleibt und nicht von Reingschmeckten beschädigt wird. Man staunt, wie ein gänzlich nicht ausgebildetes Partei-Personal Veränderungspläne anbringen will. Das Gute: Die bedrohliche Stadtbild-Phase der wilden Plakatierung mit zum Teil schwer vermittelbaren Gesichtern und Namen, die kaum auszusprechen sind, ist Gott sei dank in Kürze vorbei. Geisterbahn-Unternehmer von der Wiesn haben mir mitgeteilt, dass sie Personal brauchen.“
Wilhelm Schmid (Bestseller-Philosoph, geboren bei Krumbach)
„Was da passiert, finde ich in hohem Maße interessant. Es zeigt doch sehr, sehr deutlich: Politik ist abhängig von Personen, die Inhalte repräsentieren und die einen Umgangsstil repräsentieren. Und auch da ist es erfreulich, dass es so viele Wähler in Bayern gibt, die zur Überzeugung gekommen sind: Es tut Leuten einfach nicht gut, wenn sie über lange Zeit alleine regieren können. Denn die Versuchung ist groß, eine Macht, die nicht mehr kontrolliert wird, maßlos auszuüben.“
Friederike Wagener (Händlerin aus Pfaffenhofen an der Roth)
„Ich komme mit meinem Tee- und Kräuterstand viel herum. Dabei sind mir viele Plakate von der CSU aufgefallen, während die meisten anderen Parteien daneben fast untergegangen sind. Einen nennenswerten Informationswert vom Wahlkampf habe ich mir ohnehin nicht versprochen. Man muss nur den gesunden Menschenverstand einsetzen, um zu wissen, wen man wählen soll.“ Christoph Ullmann (Stürmer der Augsburger Panther)
„Ich bin zwar in Mannheim wahlberechtigt, aber hier in Augsburg bekommt man den Wahlkampf natürlich überall mit. Ich denke, dass man als deutscher Bürger nicht sagen sollte, dass einen Wahlen kalt lassen. Mich besorgt es immer, wenn ich lese, wie hoch die Wahlbeteiligung ist. Jeder sollte sich mit diesem Thema auseinandersetzen und zur Wahl gehen – und nicht danach nur kopfschüttelnd in der Zeitung die Ergebnisse lesen.“
Michael Grabow (evang.-lutherischer Regionalbischof Augsburg/Schwaben)
„Ich hätte mir im Vorfeld der Wahl mehr echte sachbezogene inhaltliche Auseinandersetzung gewünscht und dass das ewige Politiker-Bashing endlich aufhört. Wir können doch dankbar sein, dass es Menschen gibt, die bereit sind, sich für uns Bürger und unsere Demokratie angesichts der im Augenblick wirklich schwierigen und komplizierten Probleme in Bayern und auf der Welt zu engagieren.“ Manuel Baum (Trainer des FC Augsburg)
„Im Vorfeld einer Wahl informiere ich mich natürlich, habe mich aber grundsätzlich schon festgelegt, wen ich wählen werde. Ich schaue mir rund um eine Wahl im Fernsehen vor allem Talkshows an. Es ist interessant, wenn dort Politiker auftreten und ihre Standpunkt kontrovers diskutieren. Der Wahlkampf nervt mich nicht, es ist ja auch nicht der erste, den ich mitbekomme. Es verändert sich ja auch nicht so viel. Das eine oder andere Wahlplakat mehr hängt halt vor den Garagen.“ (Rentner aus Nördlingen)
„Ich rege mich in meinem Alter nicht mehr über Politiker vor einer Wahl auf. Ich habe schon so viele Wahlkämpfe miterlebt. Ich bin aber einfach froh, dass es eine Demokratie in diesem Land gibt. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, da war das nicht so. Deswegen sollten die Menschen glücklich sein, dass sie wählen dürfen, wen sie wollen.“