Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Pflegekräfte fordern Spahn zum Handeln auf
Gesundheit Zur Neueröffnung des Seniorenzentrums Servatius kam Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Obwohl er verspätet eintraf, nahm er sich kurz Zeit für die Demonstranten an der Straße
Während bei der Eröffnungsfeier des neuen Seniorenzentrums Servatius im Hochfeld im Gebäude die Festreden gehalten wurden, warteten draußen an der Straße rund 30 Männer und Frauen. Die Pflegekräfte hielten Plakate bereit. Auf einem großen Transparent stand „Mehr Personal auch nach der Wahl“. Die Demonstranten wollten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) abpassen. Der hatte sich am Freitag für die Eröffnungsfeier angekündigt. Anschließend besuchte er das Klinikum.
Mit knapp einer Stunde Verspätung tauchte die Limousine dann auf. Obwohl im Seniorenzentrum viele Gäste aus Politik und Gesellschaft warteten, hielt der Minister bei den Demonstranten kurz an. „Das ist mir wichtig“, sagte Spahn, der sofort mit Fragen konfrontiert wurde. Wie etwa, wann sich die personelle Situation in der Pflege endlich verbessern werde. Zum 1. Januar 2019, so Spahn, werden die ersten Veränderungen durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz kommen. Die 58-jährige Krankenschwester Ica Fritz etwa forderte von ihm Personalmindestgrenzen in allen Bereichen der Pflege. „Nächstes Jahr kommen die nächsten Bereiche dran“, versprach Spahn. „Wenn mein Bereich an der Reihe ist, bin ich in Rente“, erwiderte Fritz resigniert. Wenige Minuten später erzählte Spahn den geladenen Gästen von den Begegnungen vor der Tür. Er spüre, dass in der Pflege viel Vertrauen in die Politiker verloren gegangen sei. „Wir haben die große Aufgabe, es zurückzugewinnen.“
Auch im Klinikum, wo das Pflegepersonal aktuell von Verdi zu einer Urabstimmung über einen unbefristeten Streik aufgerufen ist, war die Pflegesituation ein Thema im Gespräch mit dem Vorstand. Die Gewerkschaft will dort zügig Entlastungen für Schwestern und Pfleger in allen Bereichen durchsetzen, vor allem verbindliche Mindestbesetzungsstandards auf Stationen, die tarifvertraglich festgelegt werden. Das Klinikum sagt, dass solche Verhandlungen der Arbeitgeberverband führen müsse, hat allerdings teils schon Verbesserungen geplant und umgesetzt. Ende Oktober steht fest, ob gestreikt wird oder nicht.
Spahn sagte, dass die von seinem Ministerium verfügte verbindliche Mindestbesetzung von Stationen mit Pflegekräften – im ersten Schritt geht es um Intensivstationen und einige weitere ausgewählte Bereiche – angesichts des leer gefegten Bewerbermarkts schrittweise kommen müsse. Andernfalls wäre eine Konsequenz, dass in vielen Häusern Betten geschlossen werden müssten. Dies sei auch nicht im Sinne der Patientenversorgung. Spahn sagte auch die bessere Finanzierung der Pflege zu. „Bisher wurde von Krankenhäusern an der Pflege als erstes gespart, weil sie kein Geld bringt.“
Zumindest im Intensivbereich erfüllt das Klinikum aktuell schon die Mindeststandards des Ministeriums. Vorstand Alexander Schmidtke sagte, man habe dort schon Stellen aufgebaut. Denn: „Die Belastung hatte zur Folge, dass das Personal ausgelaugt war und es hohe Fluktuation gab.“
Einer der Streitpunkte zwischen Verdi und Spahn ist aber noch die Frage, wie die Mindeststandards genau definiert sind. Verdi sieht die Notwendigkeit, dass die Mindeststandards für jeden Tag und jede Station festgeschrieben sein müssen. Andernfalls bringe das System wenig. Spahn will, dass die Mindeststandards monatsscharf gelten. Andernfalls komme es im Klinikalltag ständig zu Problemen, wenn etwa Personal krank werde.