Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Auf der Suche nach der Eskalation
Kabarett Das Duo Flüsterzweieck persifliert im Gersthofer Ballonmuseum das eigene Genre
Gersthofen Nein, klassisches Kabarett war es nicht, weder politisch, noch scharfzüngig. Das, was das österreichische Duo Flüsterzweieck im Ballonmuseum vor überschaubarer Zuschauerzahl präsentierte, entzog sich gängigen Schubladen. Ulrike Haidachers und Antonia Stabingers Programm „Stabile Eskalation“pendelte vielmehr zwischen Poesie und Sarkasmus, Sprachwitz und Raffinesse. Eine Mixtur, die sie dem Publikum schräg und zuweilen absurd entgegen schleuderten.
Unmissverständlich machten die beiden Grazerinnen deutlich: Wir wollen raus aus dem faden und armseligen Alltag, wollen den Trott hinter uns lassen, richtig Geiles erleben und Grenzen übertreten. Dazu müsse Großartiges, Bahnbrechendes und Unerwartetes passieren, meinten sie euphorisch. Mit frischem und zuweilen frechem Humor stellten sie die Frage: Was ist in unserer schnelllebigen Zeit noch spannend und außergewöhnlich, was weckt unsere geheimen Sehnsüchte? Auf dieser Suche steuerten sie in emotionale Untiefen, warfen Konzepte über Bord, trafen auf exzentrische Figuren und unglaubliche Geschichten.
Doch auf ihrer Suche nach Extremen überwogen die negativen Assoziationen. Die Forderungen nach Höher, Weiter und Toller waren irgendwann nicht mehr zu überbieten: „Ich möchte heiraten, aber ohne dass es am nächsten Tag weitergeht.“Schließlich mussten sie sich eingestehen, dass auch der schönste Schuh ohne Fuß nicht gehen könne und selbst Erzengel gegen Flugzeugkanzeln knallen. Und so wünschte sich Ulrike Haidacher: „Ich möchte geil von den Toten auferstehen – nicht so fad wie Jesus oder so armselig wie ein Zombie!“
So brach ihr Aufstand gegen die Konventionen in sich zusammen und scheiterte letztlich an den eigenen Vorgaben. Dabei standen sich die Akteurinnen mit starker Mimik und Gestik witzig gegenseitig im Weg.
Eine Handlung war kaum zu erkennen. Belanglos war es dennoch nicht. Was Flüsterzweieck auf die Bühne brachte, einte Sprachwitz, viel Fantasie sowie schauspielerisches und gesangliches Talent. Nicht alles erschloss sich dem Zuschauer. Beispielsweise biss sich das Duo minutenlang in den Unterarm. Währenddessen spielte es einen Sketch in einer Brotfabrik. „Finden Sie das arg?“, fragte es das Publikum und zeigte die Bissstellen. Oder das „Lehrstück mit Moral“: Zwei dicke Männer aßen. Einer konnte keine Pantomime und verhungerte. Der Spruch, dass Antonia Stabinger keine Pantomime könne, entwickelte sich im Laufe der Veranstaltung zum Running Gag.
„Stabile Eskalation“ist mittlerweile das vierte Bühnenprogramm der Beiden. Im vergangenen Jahr wurden sie mit dem hessischen und österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnet.
Der zweite Teil des Abends beinhaltete deutlich mehr Gesellschaftskritik, setzte sich in einem Lied bissig-sarkastisch mit der MeToo-Bewegung auseinander. Die subtile Situationskomik spielte erneut mit Erwartungen, irritierte weiter mit vielschichtigem Witz, kernig und bissig.
Was steckte nun hinter dem Programm? Antonia Stabinger und Ulrike Haidacher persiflierten das eigene Genre mithilfe moderner Performancekunst und starkem Improvisationstheater. Wie das geschah, war ungewöhnlich, zum Teil progressiv und verstörend – zugleich auch bestechend.