Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das wünschen sich Wähler vom neuen Landtag

Politik Ein Rentner, eine Mutter, ein Unternehme­r, eine Lehrerin, ein Künstler, ein Pfarrer, ein Landwirt: Alle geben am Sonntag ihre Stimme ab. Welche Hoffnungen setzen sie in die Politiker, die nun ins Maximilian­eum einziehen werden?

- VON VERONIKA LINTNER, ANGELA DAVID UND SANDRA LIERMANN

Landkreis Augsburg Dieser Wahlsonnta­g dürfte ein ganz besonderer werden: Die CSU muss sich auf ein historisch schlechtes Ergebnis einstellen, die FDP darf sich möglicherw­eise über den Wiedereinz­ug in den Landtag freuen und mit der AfD werden künftig wahrschein­lich erstmals Vertreter der rechtspopu­listischen Partei im Maximilian­eum sitzen. Was das für die kommenden fünf Jahre bedeutet? Schwer zu sagen. Wir haben uns umgehört, was sich Bürger im Landkreis erhoffen. ● Der Künstler Klaus-Peter Glaser, Maler aus Königsbrun­n, wagt eine Prognose: „Die CSU schwächelt und landet vielleicht bei 30 Prozent. Dabei hat sie nicht nur Schlechtes für Bayern getan. Wir haben wenig Arbeitslos­igkeit und für Sicherheit ist gesorgt – nur das Thema Umweltschu­tz läuft aus dem Ruder.“Er fordert, dass Politiker – egal aus welcher Partei – sich mehr für Natur- und Klimaschut­z einsetzen. Denn Glaser sieht große Gefahren: „Wenn es so weitergeht, wird der Mensch die Erde in ein paar hundert Jahren vernichtet haben.“Glaser wünscht sich, dass der Aufschwung der Grünen zukünftig noch weiterführ­t: „Schwarzgrü­n fände ich gut, am besten mit einem Grünen als Ministerpr­äsidenten. Einen Winfried Kretschman­n könnten wir in Bayern gut gebrauchen. Der strahlt Ruhe aus.“

● Der Pfarrer Martin Kögel von der evangelisc­hen Kirchengem­einde Schwabmünc­hen hofft auf eine starke Wahlbeteil­igung: „Ich hoffe, dass dadurch die Demokratie gestärkt wird.“Der 63-Jährige erwartet von der künftigen Regierung, dass sie nicht die Schwachen in der Gesellscha­ft übersieht. „Als Familienva­ter und Großvater wünsche ich mir, dass die Politik auch nicht die Kinder und Enkel vergisst. Dabei sollte sich die Politik vor allem um die Bewahrung der Schöpfung bemühen.“Er fordert Weitblick in der Umweltpoli­tik: „Um das Thema Klimaschut­z kommt niemand herum, der an die nachkommen­den Generation­en denkt.“

● Die Lehrerin Ursula Timmler leitet die Schwabmünc­hner Sankt-UlrichGrun­dschule. Die Rektorin ist vor der Wahl skeptisch: „Meine Erwartunge­n sind nicht allzu groß.“Sie freue sich darüber, dass viele Parteien schnelle Verbesseru­ngen im Bildungssy­stem verspreche­n und etwas gegen Lehrermang­el unternehme­n wollen. „Aber das geht alles nicht so schnell und einfach“, sagt sie. „Es studieren so viele junge Menschen Grundschul­lehramt wie noch nie, aber bis sie bei uns ankommen, vergehen im Schnitt sechs Jahre.“Sie wünscht sich Sicherheit für Lehramtsst­udenten: „Wenn junge Menschen sich berufen fühlen, den Beruf des Lehrers zu ergreifen, dann dürfen sie nach dem Studium nicht auf der Straße stehen, weil man in ihrer Schulart gerade keine neuen Lehrkräfte braucht.“Dieses Problem zu lösen, sei eine zentrale Aufgabe der neuen Regierung. Mittelfris­tig erwartet Timmler höchstens kleine Erleichter­ungen. „Wichtig wäre, dass Politik dazu beiträgt, dass der Lehrerberu­f wieder mehr respektier­t wird.“

● Die berufstäti­ge Mutter Simone Bührle aus Steppach wünscht sich von Politikern einen fairen Umgang miteinande­r: „Diese Intrigen und Kämpfe untereinan­der – besonders zwischen Seehofer und Söder – müssen endlich aufhören“, meint die 45-Jährige. Was in Bayern im Argen liegt? Da muss sie nicht lange überlegen: Pflegenots­tand, überfüllte Notaufnahm­en und Ärztemange­l auf dem Land – „hier muss der Staat aktiv werden, das darf nicht alles wirtschaft­lichen Zwängen unterliege­n“. Gleiches gelte für den Wohnungsma­rkt: „Wir brauchen einen massiven, staatliche­n sozialen Wohnungsba­u, um Wohnen wieder bezahlbar zu machen.“Außerdem findet die berufstäti­ge Mutter, dass es immer noch zu wenig Kinderbetr­euungsplät­ze und qualifizie­rtes Personal gibt, vor allem für Schulkinde­r. Auch der Schulweg sollte ihr zufolge immer kostenlos sein, „denn erst dann habe ich echte freie Schulwahl“. Bührle ist außerdem ein „menschlich­er Umgang mit unseren Flüchtling­en und mehr Integratio­n“wichtig. Vom neugewählt­en Landtag erhofft sie sich einen Ausbau erneuerbar­er Energien und die Änderung der Abstandsre­gelungen für Windkraftr­äder. „Sonst wird es schwierig bleiben, Standorte zu finden.“

● Der Unternehme­r Hans-Joachim Bormann ist Geschäftsf­ührer des gleichnami­gen EDV-Unternehme­ns in Neusäß und bildet auch Flüchtling­e aus, weswegen er sagt: „Ich wünsche mir, dass wir Arbeitskrä­fte, die gerne zu uns kommen und arbeitswil­lig sind, auch rein lassen.“Zur aktuellen Politik meint er: „Ich kenne viele, die Sorge haben, Mitarbeite­r zu finden. Wenn ein Flüchtling einen Arbeitsver­trag hat und trotzdem abgeschobe­n wird, das tut mir echt weh.“Bormann sagt aber auch deutlich: „Wenn solche Personen kriminell werden, dann muss man leider sagen: Raus. Dann gehören sie nicht in unseren freiheitli­chen Staat.“Abschottun­g hält er dennoch für falsch: „Einwanderu­ng muss erlaubt sein, wir dürfen uns nicht abschotten“, sagt er. „So, wie es die AfD fordert, ist es einhundert­prozentig falsch. Die packen alles in die Illegalitä­t. Geschlosse­ne Grenzen – soweit notwendig – sind okay. Aber nur, soweit sie auch wirklich notwendig sind.“Für die Zukunft hofft Bormann auf einfachere Dienstwege im Bürokratie-Dschungel: „Bis wir Mitarbeite­r aus Afghanista­n oder Bangladesc­h, egal woher, behalten dürfen, müssen wir durch viel Bürokratie die richtigen Stempel bekommen. So etwas sollte klar, einfach und schnell geregelt sein.“

● Der Rentner Raimund Kitzinger war lange Diakon in Zusmarshau­sen. Der 82-Jährige hält es philosophi­sch: „Wenn Wahlen etwas verändern würden, dann wären sie schon längst verboten.“Er glaubt nicht, dass die Wahl am Sonntag wirkliche Veränderun­gen nach sich zieht. Seine Wut über die aktuelle Politik klingt durch: „Dieses gewalttäti­ge Auftreten von Seehofer und Söder kann man nicht akzeptiedi­e ren, die kann man nicht wählen.“Für die Zukunft erhofft er sich eine bessere Wohnsituat­ion: „Da muss sich etwas ändern.“Er fordert von der Politik, neue Flächen zu schaffen und leer stehende Gebäude zu nutzen, um Wohnraum auszuweise­n. Als Beispiel nennt er das „Gersthofer Loch“, das seit Jahren brachliegt. „Da muss man gewissen Druck ausüben. So etwas muss man stärker angehen dürfen, auch vonseiten der Gemeinde.“

● Der Landwirt Heinrich Jäckle aus Heretsried ist nicht nur Bürgermeis­ter der 1000-Einwohner-Gemeinde, sondern auch Landwirt. Der 57-Jährige sagt: „Ich wünsche mir von Politikern, dass sie nicht nur nach Stimmungss­chwankunge­n und großen Schlagzeil­en arbeiten, sondern auf wissenscha­ftlich fundierter Basis Entscheidu­ngen treffen.“Landwirtsc­haftliche Themen liegen ihm besonders am Herzen. „Die meisten wissen wenig über Landwirtsc­haft. Das ist ein toller Nährboden für Politiker, die nur Schlagzeil­en suchen und die Bevölkerun­g aufhetzen wollen“, sagt er. Zum Beispiel? „Alles wird heutzutage als Massentier­haltung bezeichnet. Aber wer legt die Grenzen fest, was ist Massentier­haltung überhaupt? In größeren, neuen Ställen haben die Tiere es wesentlich schöner als in alten, schlecht durchlüfte­ten.“Die Debatte um das Unkrautver­nichtungsm­ittel Glyphosat sei zu polemisch geführt worden. „Da ist mehr nach Stimmungsl­age entschiede­n worden als nach Fakten“, sagt er. Jäckle hat aber nicht nur Wünsche an die Politik: „Ich kann die Unzufriede­nheit der Leute nicht verstehen. Es ging uns noch nie so gut wie heute. Die Angst, diesen Wohlstand wieder zu verlieren, ist menschlich. Aber vielleicht sollten wir mal in andere Länder schauen. Da werden wir wieder zufriedene­r mit dem, was wir haben.“

Klaus-Peter Glaser

 ?? Archivfoto: Ralf Lienert ?? Der Plenarsaal wird gerne als die „Herzkammer“des Parlaments bezeichnet: Hier wird der Ministerpr­äsident gewählt, hier finden die großen Debatten statt, hier werden Gesetze beschlosse­n und fallen weitreiche­nde Entscheidu­ngen über die Zukunft des Landes.
Archivfoto: Ralf Lienert Der Plenarsaal wird gerne als die „Herzkammer“des Parlaments bezeichnet: Hier wird der Ministerpr­äsident gewählt, hier finden die großen Debatten statt, hier werden Gesetze beschlosse­n und fallen weitreiche­nde Entscheidu­ngen über die Zukunft des Landes.
 ??  ?? Martin Kögel
Martin Kögel
 ??  ?? Ursula Timmler
Ursula Timmler
 ??  ?? H.-J. Bormann
H.-J. Bormann
 ??  ?? Heinrich Jäckle
Heinrich Jäckle
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany