Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das wünschen sich Wähler vom neuen Landtag
Politik Ein Rentner, eine Mutter, ein Unternehmer, eine Lehrerin, ein Künstler, ein Pfarrer, ein Landwirt: Alle geben am Sonntag ihre Stimme ab. Welche Hoffnungen setzen sie in die Politiker, die nun ins Maximilianeum einziehen werden?
Landkreis Augsburg Dieser Wahlsonntag dürfte ein ganz besonderer werden: Die CSU muss sich auf ein historisch schlechtes Ergebnis einstellen, die FDP darf sich möglicherweise über den Wiedereinzug in den Landtag freuen und mit der AfD werden künftig wahrscheinlich erstmals Vertreter der rechtspopulistischen Partei im Maximilianeum sitzen. Was das für die kommenden fünf Jahre bedeutet? Schwer zu sagen. Wir haben uns umgehört, was sich Bürger im Landkreis erhoffen. ● Der Künstler Klaus-Peter Glaser, Maler aus Königsbrunn, wagt eine Prognose: „Die CSU schwächelt und landet vielleicht bei 30 Prozent. Dabei hat sie nicht nur Schlechtes für Bayern getan. Wir haben wenig Arbeitslosigkeit und für Sicherheit ist gesorgt – nur das Thema Umweltschutz läuft aus dem Ruder.“Er fordert, dass Politiker – egal aus welcher Partei – sich mehr für Natur- und Klimaschutz einsetzen. Denn Glaser sieht große Gefahren: „Wenn es so weitergeht, wird der Mensch die Erde in ein paar hundert Jahren vernichtet haben.“Glaser wünscht sich, dass der Aufschwung der Grünen zukünftig noch weiterführt: „Schwarzgrün fände ich gut, am besten mit einem Grünen als Ministerpräsidenten. Einen Winfried Kretschmann könnten wir in Bayern gut gebrauchen. Der strahlt Ruhe aus.“
● Der Pfarrer Martin Kögel von der evangelischen Kirchengemeinde Schwabmünchen hofft auf eine starke Wahlbeteiligung: „Ich hoffe, dass dadurch die Demokratie gestärkt wird.“Der 63-Jährige erwartet von der künftigen Regierung, dass sie nicht die Schwachen in der Gesellschaft übersieht. „Als Familienvater und Großvater wünsche ich mir, dass die Politik auch nicht die Kinder und Enkel vergisst. Dabei sollte sich die Politik vor allem um die Bewahrung der Schöpfung bemühen.“Er fordert Weitblick in der Umweltpolitik: „Um das Thema Klimaschutz kommt niemand herum, der an die nachkommenden Generationen denkt.“
● Die Lehrerin Ursula Timmler leitet die Schwabmünchner Sankt-UlrichGrundschule. Die Rektorin ist vor der Wahl skeptisch: „Meine Erwartungen sind nicht allzu groß.“Sie freue sich darüber, dass viele Parteien schnelle Verbesserungen im Bildungssystem versprechen und etwas gegen Lehrermangel unternehmen wollen. „Aber das geht alles nicht so schnell und einfach“, sagt sie. „Es studieren so viele junge Menschen Grundschullehramt wie noch nie, aber bis sie bei uns ankommen, vergehen im Schnitt sechs Jahre.“Sie wünscht sich Sicherheit für Lehramtsstudenten: „Wenn junge Menschen sich berufen fühlen, den Beruf des Lehrers zu ergreifen, dann dürfen sie nach dem Studium nicht auf der Straße stehen, weil man in ihrer Schulart gerade keine neuen Lehrkräfte braucht.“Dieses Problem zu lösen, sei eine zentrale Aufgabe der neuen Regierung. Mittelfristig erwartet Timmler höchstens kleine Erleichterungen. „Wichtig wäre, dass Politik dazu beiträgt, dass der Lehrerberuf wieder mehr respektiert wird.“
● Die berufstätige Mutter Simone Bührle aus Steppach wünscht sich von Politikern einen fairen Umgang miteinander: „Diese Intrigen und Kämpfe untereinander – besonders zwischen Seehofer und Söder – müssen endlich aufhören“, meint die 45-Jährige. Was in Bayern im Argen liegt? Da muss sie nicht lange überlegen: Pflegenotstand, überfüllte Notaufnahmen und Ärztemangel auf dem Land – „hier muss der Staat aktiv werden, das darf nicht alles wirtschaftlichen Zwängen unterliegen“. Gleiches gelte für den Wohnungsmarkt: „Wir brauchen einen massiven, staatlichen sozialen Wohnungsbau, um Wohnen wieder bezahlbar zu machen.“Außerdem findet die berufstätige Mutter, dass es immer noch zu wenig Kinderbetreuungsplätze und qualifiziertes Personal gibt, vor allem für Schulkinder. Auch der Schulweg sollte ihr zufolge immer kostenlos sein, „denn erst dann habe ich echte freie Schulwahl“. Bührle ist außerdem ein „menschlicher Umgang mit unseren Flüchtlingen und mehr Integration“wichtig. Vom neugewählten Landtag erhofft sie sich einen Ausbau erneuerbarer Energien und die Änderung der Abstandsregelungen für Windkrafträder. „Sonst wird es schwierig bleiben, Standorte zu finden.“
● Der Unternehmer Hans-Joachim Bormann ist Geschäftsführer des gleichnamigen EDV-Unternehmens in Neusäß und bildet auch Flüchtlinge aus, weswegen er sagt: „Ich wünsche mir, dass wir Arbeitskräfte, die gerne zu uns kommen und arbeitswillig sind, auch rein lassen.“Zur aktuellen Politik meint er: „Ich kenne viele, die Sorge haben, Mitarbeiter zu finden. Wenn ein Flüchtling einen Arbeitsvertrag hat und trotzdem abgeschoben wird, das tut mir echt weh.“Bormann sagt aber auch deutlich: „Wenn solche Personen kriminell werden, dann muss man leider sagen: Raus. Dann gehören sie nicht in unseren freiheitlichen Staat.“Abschottung hält er dennoch für falsch: „Einwanderung muss erlaubt sein, wir dürfen uns nicht abschotten“, sagt er. „So, wie es die AfD fordert, ist es einhundertprozentig falsch. Die packen alles in die Illegalität. Geschlossene Grenzen – soweit notwendig – sind okay. Aber nur, soweit sie auch wirklich notwendig sind.“Für die Zukunft hofft Bormann auf einfachere Dienstwege im Bürokratie-Dschungel: „Bis wir Mitarbeiter aus Afghanistan oder Bangladesch, egal woher, behalten dürfen, müssen wir durch viel Bürokratie die richtigen Stempel bekommen. So etwas sollte klar, einfach und schnell geregelt sein.“
● Der Rentner Raimund Kitzinger war lange Diakon in Zusmarshausen. Der 82-Jährige hält es philosophisch: „Wenn Wahlen etwas verändern würden, dann wären sie schon längst verboten.“Er glaubt nicht, dass die Wahl am Sonntag wirkliche Veränderungen nach sich zieht. Seine Wut über die aktuelle Politik klingt durch: „Dieses gewalttätige Auftreten von Seehofer und Söder kann man nicht akzeptiedie ren, die kann man nicht wählen.“Für die Zukunft erhofft er sich eine bessere Wohnsituation: „Da muss sich etwas ändern.“Er fordert von der Politik, neue Flächen zu schaffen und leer stehende Gebäude zu nutzen, um Wohnraum auszuweisen. Als Beispiel nennt er das „Gersthofer Loch“, das seit Jahren brachliegt. „Da muss man gewissen Druck ausüben. So etwas muss man stärker angehen dürfen, auch vonseiten der Gemeinde.“
● Der Landwirt Heinrich Jäckle aus Heretsried ist nicht nur Bürgermeister der 1000-Einwohner-Gemeinde, sondern auch Landwirt. Der 57-Jährige sagt: „Ich wünsche mir von Politikern, dass sie nicht nur nach Stimmungsschwankungen und großen Schlagzeilen arbeiten, sondern auf wissenschaftlich fundierter Basis Entscheidungen treffen.“Landwirtschaftliche Themen liegen ihm besonders am Herzen. „Die meisten wissen wenig über Landwirtschaft. Das ist ein toller Nährboden für Politiker, die nur Schlagzeilen suchen und die Bevölkerung aufhetzen wollen“, sagt er. Zum Beispiel? „Alles wird heutzutage als Massentierhaltung bezeichnet. Aber wer legt die Grenzen fest, was ist Massentierhaltung überhaupt? In größeren, neuen Ställen haben die Tiere es wesentlich schöner als in alten, schlecht durchlüfteten.“Die Debatte um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat sei zu polemisch geführt worden. „Da ist mehr nach Stimmungslage entschieden worden als nach Fakten“, sagt er. Jäckle hat aber nicht nur Wünsche an die Politik: „Ich kann die Unzufriedenheit der Leute nicht verstehen. Es ging uns noch nie so gut wie heute. Die Angst, diesen Wohlstand wieder zu verlieren, ist menschlich. Aber vielleicht sollten wir mal in andere Länder schauen. Da werden wir wieder zufriedener mit dem, was wir haben.“
Klaus-Peter Glaser