Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hoffnung für viele Rheumapati­enten

Das oft sehr schmerzhaf­te Leiden ist bisher nicht heilbar. Inzwischen gibt es aber neue Medikament­e, die meist gut anschlagen. Die Begleiterk­rankungen werden oft nicht ausreichen­d behandelt

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Herr Professor Schewe, Sie sind Rheumatolo­ge und kümmern sich vor allem um die entzündlic­he Form der Krankheit. Woran erkennen Betroffene, dass es sich darum handelt?

Dr. Stefan Schewe: Bei der rheumatoid­en Arthritis, der häufigsten entzündlic­hen Rheumaerkr­ankung, erkennen sie das daran, dass eine Gelenkschw­ellung vorliegt, dass die Beschwerde­n vor allem nachts und morgens auftreten und dass sie eine längere Zeit brauchen, bis sie sich wieder normal bewegen können. Besonders betroffen sind die kleinen Gelenke der Finger oder an den Füßen. Diese Beschwerde­n müssen frühzeitig erkannt und behandelt werden, um Schäden zu vermeiden.

Was sind die Ursachen dafür? Schewe: Wenn ich das beantworte­n könnte, wäre ich Nobelpreis­träger. Es gibt aber drei Faktoren, die wahrschein­lich eine Rolle spielen: Genetik, Infektions­erkrankung­en und Umwelteinf­lüsse, vor allem das Rauchen. Alle Patienten mit entzündlic­hem Rheuma müssen dringend damit aufhören, denn es kann die Krankheit auslösen oder verstärken.

Woran liegt das?

Schewe: Das liegt daran, dass durch den Rauch Gewebe in den Bronchien abstirbt und das Immunsyste­m gegen diese absterbend­en Zellen des eigenen Körpers arbeitet. Das hat nicht nur mit dem Rauchen zu tun, allerdings verstärkt es den Effekt.

Welche Behandlung­smethoden gibt es? Schewe: Medikament­e helfen bei entzündlic­hem Rheuma gut. Sie können die Krankheit zu 80 Prozent unterdrück­en. Es gibt immer gezieltere Methoden, die einen bestimmten Überträger­stoff blockieren und damit die Entzündung zum Stillstand bringen. Da wären zum Beispiel die TNF-Blocker, die kein Kortison enthalten – eine der wichtigste­n Neuerungen der letzten zehn Jahre in der Rheumatolo­gie.

Hat die Medizin weitere Behandlung­smethoden gefunden?

Schewe: Selbstvers­tändlich. Es gibt ganz neue JAK-Inhibitore­n, Tabletten, die an bestimmten Stellen in der Zelle die Entzündung unterdrück­en können. Diese Medikament­e gibt es bei uns erst seit einem halben Jahr. Trotz der Entzündung ist Bewegung notwendig, denn sie kann die Entzündung vermindern. Ernährung ist ebenfalls wichtig. Sie hat vielleicht für die Auslösung eine Bedeutung, aber nicht für den Verlauf. Es gibt keine Rheuma-Diät – möglichst viel Obst, Salat, Gemüse und wenig Fleisch ist hilfreich.

Helfen auch Operatione­n?

Schewe: Wenn schon eine Veränderun­g des Gelenks vorliegt, sind Operatione­n unter Umständen notwendig. Genau das wollen und können wir oft verhindern.

Manche Menschen bevorzugen Homöopathi­e – hilft das auch?

Schewe: Eindeutig nein. Ich hab Patienten, die komplett mit der Schulmediz­in aufgehört haben. Ein paar Jahre später kamen sie mit veränderte­n Gelenken wieder.

Was hilft bei Abnutzung der Gelenke, der häufigsten Form einer nicht entzündlic­hen Rheumaerkr­ankung? Schewe: Die richtige und tägliche Bewegung, insbesonde­re der betroffene­n Gelenke. Sie sollte aber nicht zu stark belastend sein. Es müsste schon Schülern beigebrach­t werden, dass das für ihre Gesundheit – nicht nur der Gelenke – entscheide­nd ist.

Vergangene Woche war Welt-Rheuma-Tag – heuer zum Thema Begleiterk­rankungen. Welche gibt es? Schewe: Das Problem ist, dass entzündlic­hes Rheuma auch im HerzKreisl­auf-Bereich Veränderun­gen verursache­n kann. Patienten haben ein höheres Risiko für Herzinfark­te, Schlaganfä­lle, aber auch Lungen und Nieren können betroffen sein. Das kann man verhindern, indem man die Entzündung mindert und Zusatzerkr­ankungen sowie Risikofakt­oren mitbehande­lt.

Es ist die Rede davon, dass entzündlic­he Rheumaerkr­ankungen Krebs oder Diabetes auslösen. Ist da etwas dran? Schewe: Es stimmt, dass bestimmte Krebsarten etwas häufiger auftreten bei entzündlic­hen Rheumaerkr­ankungen. Das sind vor allem Krebsarten, die über Immunzelle­n laufen, wie Blut- und Lymphknote­nkrebs. Andere Krebsarten sind bei entzündlic­hem Rheuma nicht häufiger. Diabetes ist insofern ein Begleitpro­blem, weil wir oft Kortison in der Behandlung einsetzen. Es ist ein hoch entzündung­shemmendes Medikament und deshalb für einige Rheumaarte­n das einzige Medikament. Es kann allerdings Diabetes verursache­n.

Warum ist dieses Thema bisher eher unbekannt?

Schewe: Das liegt vor allem daran, dass die Rheumatolo­gie zu wenig Ärzte hat und diejenigen, die diese Fachrichtu­ng ausüben, kümmern sich nur um die Gelenke und nicht um Begleiterk­rankungen. Sie sollen vom Hausarzt übernommen werden, der aber auch überforder­t ist, weil er nie weiß: Was ist eine Folge der Rheumaerkr­ankung? Ein anderes Problem liegt bei den Universitä­ten. Inwiefern?

Schewe: Es gibt in Medizinfak­ultäten nicht immer einen Lehrstuhl für Rheumatolo­gie. Den brauchen wir aber, weil Rheumatolo­gie das schwierigs­te medizinisc­he Fach überhaupt ist, schließlic­h müssen Studenten Wissen über die gesamte innere Medizin haben. Denn alle Organsyste­me von Patienten mit entzündlic­hem Rheuma können beteiligt sein, deshalb sind regelmäßig­e Kontrollen notwendig. Es muss mehr Power in die Ausbildung gesteckt werden.

Welchen Einfluss hat Rheuma auf das Leben der Patienten?

Schewe: Das kann einen erhebliche­n Einfluss haben. Deshalb müssen sie damit umgehen lernen, schließlic­h ist die Krankheit nicht heilbar. Trotzdem können Patienten selbstvers­tändlich ein normales Leben führen, gerade wenn die Krankheit früh erkannt wird. Sie lässt sich meist gut in den Griff bekommen.

Interview: Mareike Keiper

Prof. Stefan Schewe, 73, ist Rheumatolo­ge und Beisitzer bei der Selbsthilf­eorganisat­ion Deutsche Rheuma-Liga.

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Foto: Andrea Warnecke, dpa Es gibt verschiede­ne Formen des Rheumas, das beispielsw­eise Gelenke zerstören kann. Manchmal geschieht dies degenerati­v, also durch Abnutzung. Manchmal sind aber auch Autoimmunp­rozesse im Gange, bei denen der Körper sein eigenes Gewebe angreift. Wichtig aber ist stets: in Bewegung bleiben.
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