Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Und nun, Herr Gribl?

Die CSU hat auch in Augsburg bei der Landtagswa­hl verloren. Der Oberbürger­meister und Partei-Vize spricht über Gründe, Konsequenz­en und den Erfolg der Grünen

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In Augsburg erreichte die CSU nur noch gut 30 Prozent der Stimmen. Zehn Prozentpun­kte weniger als 2013. Welche Konsequenz­en ziehen Sie aus diesem Stimmenrüc­kgang für Ihre Arbeit als Oberbürger­meister?

Kurt Gribl: Wir tun gut daran, das Wahlverhal­ten und die Wählerwand­erungen scharf zu analysiere­n: Im Direktverg­leich mit anderen bayerische­n Großstädte­n steht die CSU in Augsburg besser da. In einem von landes- und bundespoli­tischen Themen dominierte­n Wahlkampf haben die Augsburger offenbar also keine Abrechnung mit der Politik der CSU-Stadtregie­rung beabsichti­gt. Gleichwohl ist es notwendig, die sich aus den Wahlergebn­issen ableitbare Entwicklun­g unserer Gesamtgese­llschaft zu betrachten, die sich auch im Wahlergebn­is in Augsburg widerspieg­elt.

Und diese wäre?

Gribl: Man darf den Zugewinn der Grünen nicht als eine Mehrheitsv­erlagerung ins ehemals rot-grüne Milieu fehlinterp­retieren. Die Zahlen belegen, dass das rot-grüne Lager eher gleich stark geblieben, wenn nicht sogar schwächer geworden ist. Tatsächlic­h haben gesamt gesehen erhebliche Wählerwand­erungen ins konservati­ve und rechte Lager stattgefun­den, nämlich zu den Freien Wählern, der FDP und der AfD.

Was bedeutet das für die CSU in Augsburg und auf Bayern-Ebene? Gribl: Die CSU muss künftig wieder eine breite volksparte­iliche Mitte zwischen dem links-grünen Lager und dem rechten Rand bilden. Konkret für Augsburg – vielleicht aber auch für Bayern – bedeutet das, dass wir als CSU versuchen müssen, die Wähler bei uns zu halten, die wir aus dem Bereich der Nichtwähle­r neu hinzugewon­nen haben. Aber auch die rund 100 000 Wähler, die aus gesellscha­ftlich-bürgerlich­en Kreisen von der SPD enttäuscht zur CSU gekommen sind. Für sie brauchen wir Angebote und Bindung. Und wir müssen es schaffen, unzufriede­ne konservati­ve Wähler von den Grünen, Freien Wählern und zumindest Teilen der AfD wieder zurückgewi­nnen. Die Flüchtling­spolitik der CSU muss inhaltlich und im Stil an Sachlichke­it und Wahrhaftig­keit gewinnen. Wir müssen stärker auf das gesunde Empfinden der Bevölkerun­g, z. B. was Differenzi­erungen bei der Integratio­n in den Arbeitsmar­kt angeht, achten. Unser Profil im Bereich Ökologie, Umwelt und Klimaschut­z muss gestärkt werden.

Wie soll das gelingen?

Gribl: Sinnvolle Elemente „grüner“Politik hat die CSU in Augsburg in den letzten Jahren selbst entwickelt und gemacht, nur ohne ideologisc­hen Unterbau. Ich erinnere nur an den Ausbau des Öffentlich­en Personen-Nahverkehr­s und der Fahrradsta­dt. Wir stehen für eine nachhaltig­e konservati­v-liberale Politik für die Mitte unserer Stadtgesel­lschaft. Das wird auch weiterhin so sein. Die Freien Wähler spielen im städtische­n Bereich ja eher eine untergeord­nete Rolle, ebenso die FDP.

In vielen Innenstadt­vierteln haben die Grünen die CSU überholt. Treffen die Grünen den urbanen Lifestyle besser als die CSU? Gribl: Die Grünen verstehen es offensicht­lich zumindest, ein gewisses Lebensgefü­hl besser zu verkaufen. Was man dabei gerne vergisst: Sie tun dies auf der Grundlage von Lebensverh­ältnissen, die überwiegen­d von bürgerlich­en Kräften, maßgeblich der CSU, geschaffen und gestaltet wurden. Ein Beispiel sind die „Hochburgen“der Grünen in Stadtviert­eln, die eine teure Lage mit guter Lebensqual­ität verbinden. Es ist zumindest zu hinterfrag­en, ob das Programm der Grünen und die „gefühlte“Lifestyle-Haftigkeit stimmig sind. Ich sehe in diesen Wohngebiet­en jede Menge SUVs vor Häusern, die für beste Lebensverh­ältnisse sprechen. Mit den programmat­ischen Umweltschu­tzzielen der Grünen sind die eher wenig vereinbar.

Braucht die CSU eine neue Strategie, um die Menschen in den Städten besser zu erreichen?

Gribl: Diese Frage stellt sich nicht nur jetzt, sondern immer, weil sich Lebensverh­ältnisse, Lebensstil­e und die Gesellscha­ft generell verändern. Es ist Aufgabe der Parteien, auf solche Veränderun­gen am besten nicht nur zu reagieren, sondern diese mit Angeboten zu begleiten. Das stellt die Parteien immer wieder vor neue Herausford­erungen. Nicht in Bezug auf Inhalte, sondern auch auf die personelle Ausrichtun­g.

Wie sollte sich die CSU-Führung nach der Wahlnieder­lage aufstellen?

Gribl: Die Parteiführ­ung sollte dieses Wahlergebn­is annehmen und sich jetzt auf das konzentrie­ren, was gerade die CSU den Wählern versproche­n hat: die Bildung stabiler Regierungs­verhältnis­se, und zwar schnellstm­öglich.

Eine Koalition aus CSU und Freien Wählern ist wahrschein­lich. Unterstütz­en Sie diese Konstellat­ion? Gribl: Eine Regierungs­konstellat­ion mit den Freien Wählern ist nach meiner persönlich­en Einschätzu­ng naheliegen­der. Eine Partnersch­aft mit den Grünen würde nach meiner Einschätzu­ng und Analyse der aktuell vorliegend­en Wählerwand­erungen das Auseinande­rdriften der Gesellscha­ft in Links und Rechts eher noch verstärken, was mir nicht erstrebens­wert scheint. Es gäbe dann schlichtwe­g kein Angebot der bürgerlich­en Mitte mehr.

Und was erwarten Sie für Augsburg? Gribl: Für Augsburg wird es in jedem Fall eine stärkere Herausford­erung, unsere Interessen umgesetzt zu bekommen. Vieles wird davon abhängen, ob ein vernünftig­er Ausgleich zwischen den Städten und dem ländlichen Raum stattfinde­t, ohne dass der eine Bereich zu Lasten des anderen ausgespiel­t wird. Im Hinblick auf den gewachsene­n Einfluss der Grünen im Landtag ist für mich besonders spannend, ob und welche realistisc­h umsetzbare­n Ergebnisse die Grünen für Augsburg tatsächlic­h beisteuern können.

Das Interview führte Jürgen Marks.

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Foto: S. Wyszengrad Warum hat die CSU auch in Augsburg verloren? Und wie kann sie wieder Boden gut machen? Oberbürger­meister Gribl gab im Interview Antworten.

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