Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Formen des Salafismus

Religions wissenscha­ftlerin referiert in Gersthofer Mittelschu­le

- VON LAURA GASTL

Gersthofen Wie sicher ist Gersthofen? Und wie können junge Menschen rund um das Thema Salafismus immunisier­t werden? Unter anderem diese Fragen stellten sich beim Vortrag derRelig ions wissenscha­ftlerin Nina Käsehagean­d er Gersthofer Anna-Pröll-Mittelschu­le. Die Expertin von der Universitä­t Rostock informiert­e bei dieser Veranstalt­ung umfangreic­h unter dem Titel „Salafistis­che Strukturen in Bayern“, initiiert vom Verein Gersthofen ist bunt.

Die Ex pertinm achte klar :„ Genaue Begriffsbe­stimmungen sind sehr wichtig.“Auch Salafismus ist nicht gleich Salafismus. Käsehage unterschei­det zwischen drei Gruppen aus dieser Strömung innerhalb des Islams: den puristisch­en, politische­n und dschihadis­tischen Salafisten. Sie gibt folgendes Beispiel: „Der Purist, der neben einem Christen wohnt, würde sich genau überlegen, ob er seinem Nachbarn frohe Weihnachte­n wünschen darf. Der politische Salafist nimmt seinen Nachbarn mit zu Seminaren, um ihn von seinem Glauben zu überzeugen. Der Dschihadis­t hingegen hält es neben seinem christlich­en Nachbarn nicht aus: Entweder einer der beiden zieht um, oder der Christ soll sterben.“Nicht jeder Anhänger des Salafismus sei also automatisc­h zum bewaffnete­n Kampf im Namen des Glaubens bereit. Vielmehr handle es sich bei diesen radikalen, kriegerisc­hen Anhängern um einen sehr kleinen Anteil, so Käsehage.

„In einem Rechtsstaa­t sollten die verschiede­nen Typen in ihrer Differenzi­ertheit betrachtet werden“, zeigte sich die Religionsw­issenschaf­tlerin vor ihrem Gersthofer Publikum überzeugt. Ihrer Meinung nach entstehen politische Schlagwört­er wie „Lügenpress­e“ genau dann, wenn sich verschiede­ne Gruppen in einen Topf geworfen fühlen. Kritisch zu sehen seien diverse Talkshows im Fernsehen, wenn der Moderator mit „vier Nichtmusli­men und einem QuotenMusl­im“spricht: „Dort werden einfache Fragen gestellt, auf die es keine einfachen Antworten gibt. In einer Talk-Runde bleibt nun einmal keine Zeit, sich 20 Minuten lang den Mund fusselig zu reden.“

So meine man auch mit dem Begriff „Dschihad“laut Käsehage nicht automatisc­h den „Heiligen Krieg“: „Erst mal ist damit nur die Rede von der eigenen Anstrengun­g, sich an den Koran zu halten. Es geht also um den Einsatz und die Bemühung, ein besserer Gläubiger zu werden.“Deutlich wird: Der Begriff werde von den Dschihadis­ten lediglich zweckentfr­emdet.

Aus dem Zuschauerr­ang drangen dazu verschiede­ne Fragen, wie zum Beispiel: Wo sind die Brennpunkt­e der radikalen Szene in Deutschlan­d? Und wie sicher ist eigentlich Gersthofen? Käsehage schilderte, dass sich größere Konzentrat­ionen militanter Salafisten beispielsw­eise in Hamburg, Bremen oder NordrheinW­estfalen fänden. Auch eine Abwanderun­g aus Bayern in diese Bundesländ­er lasse sich beobachten, was an der hohen Polizeiprä­senz im Freistaat liegen könne: „Gersthofen erscheint mir sicher.“

Um an den Schulen richtig mit solchen Themen umzugehen, sei es wichtig, Raum für offene Gespräche zu geben. Die Religionsw­issenschaf­tlerin fügte hinzu: „Diskussion ist wichtig für die Demokratie.“Religiöse Individual­ität müsse zugelassen werden.

Für Nina Käsehage ist auch die Verunglimp­fung vom guten Menschen zum negativ behafteten „Gutmensch“etwas Schlimmes. „Wieso sollen wir nicht an das Gute glauben und es fördern?“

Der Begriff „Dschihad“meint nicht automatisc­h den „Heiligen Krieg“

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