Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Formen des Salafismus
Religions wissenschaftlerin referiert in Gersthofer Mittelschule
Gersthofen Wie sicher ist Gersthofen? Und wie können junge Menschen rund um das Thema Salafismus immunisiert werden? Unter anderem diese Fragen stellten sich beim Vortrag derRelig ions wissenschaftlerin Nina Käsehageand er Gersthofer Anna-Pröll-Mittelschule. Die Expertin von der Universität Rostock informierte bei dieser Veranstaltung umfangreich unter dem Titel „Salafistische Strukturen in Bayern“, initiiert vom Verein Gersthofen ist bunt.
Die Ex pertinm achte klar :„ Genaue Begriffsbestimmungen sind sehr wichtig.“Auch Salafismus ist nicht gleich Salafismus. Käsehage unterscheidet zwischen drei Gruppen aus dieser Strömung innerhalb des Islams: den puristischen, politischen und dschihadistischen Salafisten. Sie gibt folgendes Beispiel: „Der Purist, der neben einem Christen wohnt, würde sich genau überlegen, ob er seinem Nachbarn frohe Weihnachten wünschen darf. Der politische Salafist nimmt seinen Nachbarn mit zu Seminaren, um ihn von seinem Glauben zu überzeugen. Der Dschihadist hingegen hält es neben seinem christlichen Nachbarn nicht aus: Entweder einer der beiden zieht um, oder der Christ soll sterben.“Nicht jeder Anhänger des Salafismus sei also automatisch zum bewaffneten Kampf im Namen des Glaubens bereit. Vielmehr handle es sich bei diesen radikalen, kriegerischen Anhängern um einen sehr kleinen Anteil, so Käsehage.
„In einem Rechtsstaat sollten die verschiedenen Typen in ihrer Differenziertheit betrachtet werden“, zeigte sich die Religionswissenschaftlerin vor ihrem Gersthofer Publikum überzeugt. Ihrer Meinung nach entstehen politische Schlagwörter wie „Lügenpresse“ genau dann, wenn sich verschiedene Gruppen in einen Topf geworfen fühlen. Kritisch zu sehen seien diverse Talkshows im Fernsehen, wenn der Moderator mit „vier Nichtmuslimen und einem QuotenMuslim“spricht: „Dort werden einfache Fragen gestellt, auf die es keine einfachen Antworten gibt. In einer Talk-Runde bleibt nun einmal keine Zeit, sich 20 Minuten lang den Mund fusselig zu reden.“
So meine man auch mit dem Begriff „Dschihad“laut Käsehage nicht automatisch den „Heiligen Krieg“: „Erst mal ist damit nur die Rede von der eigenen Anstrengung, sich an den Koran zu halten. Es geht also um den Einsatz und die Bemühung, ein besserer Gläubiger zu werden.“Deutlich wird: Der Begriff werde von den Dschihadisten lediglich zweckentfremdet.
Aus dem Zuschauerrang drangen dazu verschiedene Fragen, wie zum Beispiel: Wo sind die Brennpunkte der radikalen Szene in Deutschland? Und wie sicher ist eigentlich Gersthofen? Käsehage schilderte, dass sich größere Konzentrationen militanter Salafisten beispielsweise in Hamburg, Bremen oder NordrheinWestfalen fänden. Auch eine Abwanderung aus Bayern in diese Bundesländer lasse sich beobachten, was an der hohen Polizeipräsenz im Freistaat liegen könne: „Gersthofen erscheint mir sicher.“
Um an den Schulen richtig mit solchen Themen umzugehen, sei es wichtig, Raum für offene Gespräche zu geben. Die Religionswissenschaftlerin fügte hinzu: „Diskussion ist wichtig für die Demokratie.“Religiöse Individualität müsse zugelassen werden.
Für Nina Käsehage ist auch die Verunglimpfung vom guten Menschen zum negativ behafteten „Gutmensch“etwas Schlimmes. „Wieso sollen wir nicht an das Gute glauben und es fördern?“
Der Begriff „Dschihad“meint nicht automatisch den „Heiligen Krieg“