Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kurz fordert Abkehr von Quotenlösu­ng bei Asyl

Der EU fallen einvernehm­liche Lösungen zunehmend schwer. Österreich will daher einen neuen Weg gehen

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Im festgefahr­enen Streit um eine europäisch­e Lösung in der Migrations­krise steht die Europäisch­e Union offenbar vor einer entscheide­nden Kehrtwende. Beim Gipfeltref­fen der Staats- und Regierungs­chefs in Brüssel deutete sich ein Ende der sogenannte­n Quote an, die für eine annähernd gleiche Verteilung der Flüchtling­e auf die Mitgliedst­aaten sorgen sollte.

Dieses Instrument galt jahrelang als wichtigste­r Baustein einer fairen Lastenvert­eilung, wurde aber stets strikt vor allem von den Regierunge­n im Osten blockiert. „Dieser Weg der Solidaritä­t bedeutet, dass jeder einen Beitrag leistet – dort, wo er kann, und dort, wo es sinnvoll ist“, sagte der österreich­ische Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, der derzeit den halbjährli­ch wechselnde­n Vorsitz der EU innehat und die Idee seit langem unterstütz­t. Konkret sei daran gedacht, dass jede Regierung selbst entscheide­n kann, ob sie Flüchtling­e aufnimmt oder sich mit einem anderen Beitrag – zum Beispiel einem entspreche­nd höheren Kontingent an den neuen Grenztrupp­en – beteiligt.

Das Aus der Quote käme zugleich einer Abkehr von der gemeinsame­n europäisch­en Lösung gleich, für die die Bundeskanz­lerin lange geworben hatte. Dementspre­chend ablehnend fiel auch Angela Merkels Fazit aus: „Ich finde, wir machen es uns zu einfach. Wenn einige Mitgliedst­aaten dann nur Geld für Afrika geben, haben wir unsere Probleme nicht gelöst. Das ist so kein Weg.“Dennoch brachte der Vorstoß einiges in Bewegung. Der polnische Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki, der bisher jede Zuwanderun­g ausschließ­t, meinte anerkennen­d: „Dieser Vorschlag zeigt, dass Sie verstanden haben, in welche Richtung die ganze EU nun gehen sollte.“Am Donnerstag blieb zunächst offen, ob Kurz auch die frühere Idee aufgreifen will, die einen regelrecht­en Freikauf eines Landes von der Pflicht zur Aufnahme vorgesehen hatte. Damals war von einem Betrag von 6000 Euro pro nicht aufgenomme­nem Flüchtling an die EU die Rede gewesen.

Im Abschlussd­okument dieses Gipfels ist von dem Umdenken allerdings noch keine Rede. Die Union bekräftigt­e ihre Entschloss­enheit, den Küsten- und Grenzschut­z auf 10000 Mann aufzustock­en und die kriminelle­n Schleuserr­inge zu zerschlage­n. Außerdem hält die Gemeinscha­ft an den umstritten­en Auffang-Einrichtun­gen (Ausschiffu­ngszentren) fest, obwohl sich bisher niemand bereit erklärt hat, ähnlich wie die Türkei Flüchtling­e auf seinem Hoheitsgeb­iet unterzubri­ngen. Im Juni hatten die Staats- und Regierungs­chefs solche Zentren beschlosse­n, die entweder in der EU oder in Nordafrika aufgebaut werden sollten. Die Kosten für Bau und Betrieb wollte die Kommission übernehmen. Noch vor vier Wochen beim Sondergipf­el in Salzburg hatte es geheißen, man sei mit Ägypten im Gespräch. Allerdings hat Kairo inzwischen abgewinkt. „Jeder findet es eine tolle Idee, aber keiner will die Flüchtling­e bei sich haben. Das macht es schon komplizier­t“, sagte der luxemburgi­sche Premiermin­ister Xavier Bettel.

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Foto: Emmanuel Dunand, afp Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz in Brüssel.

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