Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Nur der Hautarzt soll lasern dürfen
Strahlenschutz-Expertin Inge Paulini warnt vor Nebenwirkungen beim Entfernen von Tätowierungen. Heute soll der Bundesrat über neue Vorschriften und mehr Sicherheit für Patienten entscheiden
Frau Paulini, etwa jeder vierte erwachsene Bundesbürger ist tätowiert. Viele sind mit ihren Hautbildern nicht mehr glücklich und lassen sie entfernen. Heute geht es im Bundesrat um die Reform der Strahlenschutzverordnung und damit auch um die Frage, wer künftig überhaupt ein „Arschgeweih“entfernen darf. Was fordern Sie? Paulini: Der Einsatz von Lasern ist immer mit Risiken verbunden. Sie müssen sich vorstellen, dass der Laser bei der Entfernung von Tattoos dazu genutzt wird, um kleinste Farbpigmente unter der Oberfläche der Haut regelrecht zu zerschießen. Dabei drohen im schlimmsten Fall Verbrennungen, Pigmentstörungen oder Narben. Laut einer Studie im Auftrag des BfS sind bei knapp einem Fünftel der Behandlungen bleibende Nebenwirkungen aufgetreten. Über die Risiken für die Augen haben wir da noch gar nicht gesprochen. Außerdem muss vor einer Behandlung ausgeschlossen sein, dass die Haut bereits geschädigt ist und vielleicht schwarzer oder weißer Hautkrebs vorliegt. Das kann nur ein Facharzt beurteilen.
Bisher können auch andere Ärzte, Heilpraktiker, Kosmetiker oder Tätowierer die Laser-Behandlungen durchführen. Würden denn die Hautärzte künftig mit der Tattoo-Entfernung überhaupt noch nachkommen? Paulini: Wenn Sie sich mal im Freibad umsehen, scheint es tatsächlich so zu sein, dass immer mehr Menschen sich tätowieren lassen. Von daher werden sich wahrscheinlich künftig auch mehr Menschen ein solches Tattoo wieder entfernen lassen wollen. Die Frage ist doch, ob es deshalb statthaft sein kann, eine nachhaltige Schädigung der Haut zu riskieren. Wir sollten lieber an den Schutz der Patienten denken.
Noch eine Entscheidung steht an: Das radioaktive Gas Radon, das in der Natur vorkommt, gilt als stiller Killer, nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Können die Bürger besseren Schutz erwarten? Paulini: Radon kommt aus dem Untergrund und kann sich in vielen unserer Gebäude ansammeln. Sie können Radon weder sehen noch riechen. Daher muss ein Hauseigentümer oder Arbeitgeber erst mal wissen, dass überhaupt ein Risiko durch Radon bestehen kann. Insbesondere muss engmaschig gemessen werden, ob ein Problem vorliegt. Wenn der Bundesrat dem Vorschlag der Bun- desregierung folgt, müssen die Länder bis 2020 Gebiete ausweisen, in denen besondere Schutzmaßnahmen greifen. Dies schafft Verlässlichkeit für Menschen, die dort leben und arbeiten. Wir empfehlen aber auch außerhalb der ausgewiesenen Gebiete, sich mit dem Thema Radon zu beschäftigen.
Welche besonderen Schutzmaßnahmen meinen Sie?
Paulini: Zum einen müssen die Bundesländer messen und ermitteln, in welchen Regionen in Deutschland Radon in großen Mengen auftritt. Das betrifft den süddeutschen eher als den norddeutschen Raum. Wer etwas gegen eine hohe Radonkonzentration unternehmen muss, kann dies durch entsprechende Lüftungsanlagen oder radondichte Baumaterialien tun. Dazu sollte man sich immer fachlichen Rat einholen. Gegenmaßnahmen müssen aber nicht zwingend aufwendig und teuer sein. Ein gutes Lüftungskonzept kann manchmal schon ausreichen, um das Risiko deutlich zu senken.
Der Atomausstieg in Deutschland ist beschlossen, nach und nach werden die Kernkraftwerke stillgelegt. Ist Strahlenschutz bald gar nicht mehr nötig? Paulini: Das könnte man meinen, aber das Gegenteil ist der Fall. Radioaktivität macht an der Grenze nicht halt. In unseren Nachbarstaaten gibt es alleine nahe der deutschen Grenze acht Atomkraftwerke und natürlich können auch Unfälle in weiter entfernten Regionen Auswirkungen auf Deutschland haben. Viele erinnern sich noch an Tschernobyl. Unsere Messungen zeigen beispielsweise, dass besonders in Bayern immer noch Wildpilze einen erhöhten Cäsium-Wert zeigen, der auf den Unfall vor 32 Jahren zurückzuführen ist. Es ist also weiterhin nötig, sich auf den Fall der Fälle vorzubereiten, und das tun wir. Das BfS arbeitet hier eng mit dem Bundesumweltministerium und anderen Institutionen zusammen. Man muss aber gar nicht so weit gehen, eine nukleare Katastrophe anzunehmen. Auch im Alltag spielt Strahlenschutz an vielen Stellen eine Rolle: Denken Sie nur an UV-Strahlung, Mobilfunk, Haushaltsgeräte, Stromnetze oder medizinische Anwendungen.
Viele Menschen denken bei Radioaktivität vor allem an Röntgen-Untersuchungen beim Arzt. Bisher gab es den Röntgen-Pass, der Patienten vor überflüssigen Untersuchungen und damit unnötiger Strahlenbelastung schützen sollte. Doch der soll nun wegfallen. Warum?
Paulini: Der Röntgenpass hat sich in der Breite nicht durchgesetzt. Wir empfehlen aber weiterhin, dass Arzt und Patient sich über die Wirkung von Strahlung in der gewählten Behandlungsmethode unterhalten. Vermieden werden soll insbesondere, dass wiederholt zum selben Befund geröntgt wird. Damit erhöht sich die Strahlenbelastung unnötig. Was hat es mit der sogenannten ionisierenden Strahlung auf sich, die in der Medizin immer häufiger zum Einsatz kommt? Wo liegen die Gefahren? Paulini: Durch den rasanten technischen Fortschritt ergeben sich zum Beispiel beim Röntgen oder in der Computertomografie ungeahnte Möglichkeiten zur Beantwortung von diagnostischen Fragen. Arzt und Patient müssen aber immer entscheiden, ob der medizinische Nutzen dabei das Strahlenrisiko überwiegt. Das kennt man schon aus der Mammografie zur Entdeckung von Brustkrebs. Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass eine Anwendung bei ihnen tatsächlich notwendig ist und dass sie dann auch sachgemäß durchgeführt wird.
Viele Menschen sind beruflich Strahlung ausgesetzt. Was ist im neuen Strahlenschutzgesetz für den Schutz von Röntgenassistentinnen, Bergleuten oder Mitarbeitern von Kernkraftwerken vorgesehen?
Paulini: Wir müssen Menschen, die beruflich mit radioaktiven Stoffen umgehen, gut überwachen. Dafür haben wir ein Strahlenschutzregister und führen 3,5 Millionen amtliche Meldungen aus über 100 Messstellen in Deutschland zusammen. Damit die Werte auch bei Wechsel des Arbeitsplatzes oder des Namens personengenau zugeordnet werden können und die Strahlenbelastung des Einzelnen im Rahmen der Grenzwerte bleibt, wird jetzt vom Gesetzgeber eine Kennziffer eingeführt. Dies wird die Sicherheit noch mal erhöhen.
Wie können die Bürger im Alltag ihre Strahlenbelastung reduzieren? Was sind Ihre ganz persönlichen Tipps? Paulini: Im Grunde ganz einfach: Machen Sie es sich bewusst, wo Sie Strahlung ausgesetzt sind, und fragen Sie sich, ob das nötig ist. Man kann sein Mobiltelefon mal ausstellen, sich in der Mittagshitze ein schattiges Plätzchen suchen oder einfach Zug fahren, statt zu fliegen. Das reduziert nicht nur die Strahlenbelastung, sondern schont auch noch die Umwelt.
Interview: Bernhard Junginger
Inge Paulini, 57,ist Toxikologin und seit 2017 Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz. Das Amt hat 500 Mitarbeiter.