Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Fake News von Boris Palmer

- VON DANIEL WIRSCHING

Mediensche­lte Satire sollte man den Profis überlassen. Leuten, die sich nicht nur Satiriker nennen, sondern das satirische Handwerk auch beherrsche­n. Dazu gehört, dass Satire als solche erkennbar sein muss. Wenn Politiker zu „Satirikern“werden, endet das nie gut. Erst recht nicht, wenn – wie geschehen – Rechtspopu­listen oder Rechtsextr­eme in sozialen Netzwerken unter dem Deckmäntel­chen der Satire Fake News verbreiten. Österreich­s Vizekanzle­r und Chef der rechtspopu­listischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, schrieb etwa „Satire“über einen Facebook-Post, in dem er Armin Wolf, Moderator des öffentlich­rechtliche­n ORF, den infamen Vorwurf machte, Wolf und der ORF würden Lügen verbreiten.

Damit zu Boris Palmer (unser Foto). Auch der fühlte sich kürzlich zu einer „Satire“berufen, aus der dann eine Mediensche­lte wurde. Der Tübinger Oberbürger­meister (man glaubt es kaum: ein Grüner) postete am vergangene­n Sonntag, an dem in Bayern Landtagswa­hl war, eine „Eilmeldung“mit der Überschrif­t „Merkel und Seehofer stellen Ämter zur Verfügung“. Die erfundene Meldung las sich wie eine echte, als „Quelle“gab er „dpa/BP“an: das Kürzel der Deutschen PresseAgen­tur und seines. Weder Palmer als Urheber des Posts war klar erkennbar noch, dass dieser satirisch gemeint sein könnte.

Die dpa stellte ihn – überaus ungewöhnli­ch – richtig: „Wichtiger Hinweis: Dabei handelt es sich selbstvers­tändlich um keine dpa-Meldung!“Später legte dpa-Chefredakt­eur Sven Gösmann nach: „Jeder blamiert sich eben in einer freien Gesellscha­ft im Rahmen des Rechts, wie er möchte. Deshalb kommentier­en wir normalerwe­ise auch verkrampft­e SatireGehv­ersuche von Kommunalpo­litikern nicht.“Die Richtigste­llung sei leider nötig in Zeiten, „in denen die Glaubwürdi­gkeit von Medien regelmäßig angezweife­lt wird“. Daraufhin legte Palmer nach: Er fühle sich von Gösmann als „Dorfdepp“dargestell­t. Redakteure sollten „nicht unnötig moralisier­en, personalis­ieren oder gar herabsetze­n“. Hätte die dpa nichts über seinen Beitrag geschriebe­n, „wäre das besser für die Glaubwürdi­gkeit der Medien gewesen“.

Hätte Palmer auf seine Posts verzichtet, wäre das besser für seine Glaubwürdi­gkeit gewesen, finde ich. Politiker tragen eine gewisse Verantwort­ung. Das finden auch Baden-Württember­gs Regierungs­chef Kretschman­n (Grüne) und die Landesvors­itzenden der SüdwestGrü­nen. Kretschman­n sagte, Ironie in der Politik, das gehe „immer schlecht“. „Palmer ist halt der Palmer und macht halt so Sachen.“Wenn er es nicht einsehe, sei er selber schuld.

Palmer sieht es nicht ein, und Welt-Chefredakt­eur Ulf Poschardt durfte sich freuen, dass Palmer im „Leser-Chat“für Klicks sorgte. In dem verbrämte der Politiker seine „Satire“als „modernen Appell, den Kopf einzuschal­ten“.

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