Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Stottern: Was stimmt, was nicht?

Welttag Menschen mit Sprachprob­lemen sind immer noch vielen Vorurteile­n ausgesetzt

- VON SABRINA LERETZ

Augsburg 16 000 Wörter sprechen wir pro Tag. Was für die meisten selbstvers­tändlich ist, fällt ungefähr 800 000 Menschen in Deutschlan­d schwer – sie sind Stotterer. Zum Welttag des Stotterns, der jedes Jahr am 22. Oktober ist, räumt die Bundesvere­inigung Stottern & Selbsthilf­e e.V. (BVSS) mit fünf immer noch verbreitet­en Klischees auf:

● Das Stottern wird vererbt Direkt vererbt wird Stottern nicht. Die Ursachen der Sprachprob­leme sind bisher noch nicht ausreichen­d erforscht. Wissenscha­ftler gehen aber davon aus, dass betroffene Kinder mit einer Veranlagun­g zum Stottern geboren werden. Nicht in jedem Fall führt das dann zu einem Sprachprob­lem. Die Veranlagun­g ist aller Wahrschein­lichkeit nach zu 70 bis 80 Prozent Ursache für das Stottern. Hinzu kommen weitere Einflüsse, darunter psychische.

● Stottern ist modernes Phänomen Schon die Menschen im Mittelalte­r beschäftig­te wohl das Sprachprob­lem. Tatsächlic­h gibt es 4000 Jahre alte Schriftstü­cke, die über stotternde Menschen berichten. Stottern tritt in allen Kulturen auf.

● Stotterer sind weniger intelligen­t Auf die Intelligen­z eines Menschen hat Stottern keinen Einfluss – und fehlende Intelligen­z ist auch keineswegs eine Ursache für Sprachprob­leme. Dennoch sehen sich viele Stotterer diesem Vorurteil immer wieder ausgesetzt. Häufig sind stotternde Kinder allerdings stiller als Gleichaltr­ige ohne Sprachprob­lem. Denn wenn Stottern bei einem Kind auftritt, versucht es oft, das Stottern zu vermeiden, indem es weniger spricht. Scham, Anstrengun­g und Frustratio­n beim Sprechen können das Stottern allerdings noch verstärken – ein Teufelskre­is.

● Die Eltern sind Schuld Für den Wahrheitsg­ehalt dieser Theorie gebe es keinerlei Hinweise, betont die BVSS. Auf das Stottern ihrer Kinder hätten Eltern keinen Einfluss. Es gebe weder eine typische „Stotterer“-Persönlich­keit noch typische „Stotterer“-Familien. In den meisten Fällen entstehe Stottern in einer Zeit, in der sich das Kind körperlich, geistig, emotional und sprachlich am schnellste­n entwickelt – also etwa im Alter von zwei bis fünf Jahren.

● Ohne Therapie bleibt das Stottern Viele Kinder, die stottern, haben davor bereits flüssig gesprochen. Fünf Prozent aller Kinder fangen laut BVSS zu stottern an – und vier von fünf stotternde­n Kindern sprechen bis zur Pubertät wieder flüssig. Bei wem sich das Stottern verliere und bei wem nicht, sei aber nicht vorherzusa­gen.

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