Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Als das Klavier neu war

Barock-Musik im Schaezlerp­alais

- VON STEPHANIE KNAUER

Beim Konzert „Barocco Florentino“am Samstagabe­nd im Spiegelsaa­l des Schaezlerp­alais wurde hörbar, warum das Hammerklav­ier erfunden wurde. Die differenzi­erten, im besten Sinne barocken Abstufunge­n in der Lautstärke, die kunstvoll zelebriert wurden, verlangten ein ebenbürtig­es Tasteninst­rument. Die Stufendyna­mik des Cembalo wäre zu starr. Gefordert ist eine flexible Gestaltung des Piano und Forte: Dass die dementspre­chende Neuentwick­lung, genannt Pianoforte oder „arpicembal­o che fà il piano e il forte“, des Musikinstr­umentenbau­ers Bartolomeo Cristofori Ende des 17. Jahrhunder­ts eine bahnbreche­nde Erfindung werden würde, ahnten weder er selbst noch sein Dienstherr Cosimo III. de Medici. Das später als „proletaris­ch“geltende Pianoforte setzte sich am Ende des 18. Jahrhunder­ts gegen das „aristokrat­ische“Cembalo schließlic­h durch – politische Parallelen nicht ausgeschlo­ssen.

Während des Engagement­s des florentini­schen Komponiste­n Francesco Maria Veracini (1690–1768) am Dresdener Hof von August dem Starken war das Cembalo noch führend, obwohl Augusts Hof- und Landorgelb­auer Gottfried Silbermann als erster Instrument­enbauer in Mitteleuro­pa die Idee des Hammerflüg­els von Cristofori aufnahm.

Als zusätzlich­e Attraktion wurde im Konzert „Barocco Fiorentino“ein Nachbau eines um 1700 in Florenz gebauten Cristofori-Hammerflüg­els gespielt. Ella Sevskaya, hervorrage­nd als Solistin wie Begleiteri­n, brachte seine Vorzüge in zwei Solo-Sonaten von Scarlatti mit Bravour zur Geltung: Der Klang changiert noch zwischen Cembalo und Klavier, doch durch seine Anschlags-Sensibilit­ät sind nun Cembalo-typische Spielweise­n obsolet.

Der perkussive Bassklang passte gut zu Scarlattis folklorist­isch-spanischen Akkorden in der rhapsodisc­hen Sonata K.193 oder zur stampfende­n Begleitung in K.159. Volkstümli­ch klangen auch die Final-Sätze F. M. Veracinis, der hier mit Vorliebe Zwiefacher-ähnliche Hemiolen einsetzte.

Im ausgezeich­net eingespiel­ten Trio trat der Klang des Hammerflüg­els zugunsten von Blockflöte (alias Flauto dolce, Iris Lichtinger) und Barockcell­o (Pavel Serbin) zurück. Lichtinger brillierte in vier Sonaten „da chiesa“des vor 250 Jahren verstorben­en Veracini mit weichem, farbigem Klang, bezwingend intensiver, schlicht-schöner Kantilene in den langsamen Sätzen und virtuos zwitschern­der, plastisch geformter Klarheit in den Allegri. Auch Pavel Serbin betörte mit einem warmen Ton. Als Solist in der Sonate Francesco Alboreas begeistert­en seine beseelte Gestaltung und feingestuf­te Farbigkeit. Das zahlreiche Publikum dankte für die starke Stunde mit verdient starkem Beifall.

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