Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Als das Klavier neu war
Barock-Musik im Schaezlerpalais
Beim Konzert „Barocco Florentino“am Samstagabend im Spiegelsaal des Schaezlerpalais wurde hörbar, warum das Hammerklavier erfunden wurde. Die differenzierten, im besten Sinne barocken Abstufungen in der Lautstärke, die kunstvoll zelebriert wurden, verlangten ein ebenbürtiges Tasteninstrument. Die Stufendynamik des Cembalo wäre zu starr. Gefordert ist eine flexible Gestaltung des Piano und Forte: Dass die dementsprechende Neuentwicklung, genannt Pianoforte oder „arpicembalo che fà il piano e il forte“, des Musikinstrumentenbauers Bartolomeo Cristofori Ende des 17. Jahrhunderts eine bahnbrechende Erfindung werden würde, ahnten weder er selbst noch sein Dienstherr Cosimo III. de Medici. Das später als „proletarisch“geltende Pianoforte setzte sich am Ende des 18. Jahrhunderts gegen das „aristokratische“Cembalo schließlich durch – politische Parallelen nicht ausgeschlossen.
Während des Engagements des florentinischen Komponisten Francesco Maria Veracini (1690–1768) am Dresdener Hof von August dem Starken war das Cembalo noch führend, obwohl Augusts Hof- und Landorgelbauer Gottfried Silbermann als erster Instrumentenbauer in Mitteleuropa die Idee des Hammerflügels von Cristofori aufnahm.
Als zusätzliche Attraktion wurde im Konzert „Barocco Fiorentino“ein Nachbau eines um 1700 in Florenz gebauten Cristofori-Hammerflügels gespielt. Ella Sevskaya, hervorragend als Solistin wie Begleiterin, brachte seine Vorzüge in zwei Solo-Sonaten von Scarlatti mit Bravour zur Geltung: Der Klang changiert noch zwischen Cembalo und Klavier, doch durch seine Anschlags-Sensibilität sind nun Cembalo-typische Spielweisen obsolet.
Der perkussive Bassklang passte gut zu Scarlattis folkloristisch-spanischen Akkorden in der rhapsodischen Sonata K.193 oder zur stampfenden Begleitung in K.159. Volkstümlich klangen auch die Final-Sätze F. M. Veracinis, der hier mit Vorliebe Zwiefacher-ähnliche Hemiolen einsetzte.
Im ausgezeichnet eingespielten Trio trat der Klang des Hammerflügels zugunsten von Blockflöte (alias Flauto dolce, Iris Lichtinger) und Barockcello (Pavel Serbin) zurück. Lichtinger brillierte in vier Sonaten „da chiesa“des vor 250 Jahren verstorbenen Veracini mit weichem, farbigem Klang, bezwingend intensiver, schlicht-schöner Kantilene in den langsamen Sätzen und virtuos zwitschernder, plastisch geformter Klarheit in den Allegri. Auch Pavel Serbin betörte mit einem warmen Ton. Als Solist in der Sonate Francesco Alboreas begeisterten seine beseelte Gestaltung und feingestufte Farbigkeit. Das zahlreiche Publikum dankte für die starke Stunde mit verdient starkem Beifall.