Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ihre Tauchgänge dienen dem Naturschut­z

Der Verein „Untertauch­er“sucht in Seen der Region nach Bierkästen, Fahrrädern und Einkaufswa­gen. Die Mitglieder nehmen im Wasser aber auch Proben der Pflanzen. Warum sie das tun

- VON STEFANIE SCHOENE

Der Verein heißt „Untertauch­er“. Und seine Mitglieder suchen in den Seen der Region nach allem, was dort nicht hineingehö­rt: Bierkästen, Fahrrädern und Einkaufswa­gen. Sie nehmen im Wasser auch Proben der Pflanzen. Warum, lesen Sie im

Region Neun Uhr, Samstag. Stille, Nebel und Enten überm Kaisersee. Direkt am Ufer, neben der heimlich von Badegästen angebracht­en, morschen Holztreppe, stehen vier Autos mit offenen Heckklappe­n auf der Liegewiese. Drinnen lagern Sauerstoff­flaschen, Unterwasse­rkameras und Anzüge. 14 Männer und Frauen sowie zwei Jugendlich­e vom Verein „Untertauch­er“bereiten ihren ersten Naturschut­z-Taucheinsa­tz im Kaisersee vor.

Gruppenfüh­rer Werner Greulich hat fünf Teams eingeteilt. Heute sind es sechs Männer und vier Frauen. Alle haben eine Zusatzausb­ildung zum Naturschut­ztaucher und sollen Proben der Unterwasse­r-Flora nehmen. Eine regelmäßig­e Beobachtun­g der Pflanzen liefert Hinweise auf die Entwicklun­g eines Gewässers. Insgesamt 15 Sportler der „Untertauch­er“wurden in diesem Jahr beim Bund Naturschut­z (BUND) nach der EU-Wasserrahm­enrichtlin­ie zertifizie­rt. Im Sommer haben sie schon den Friedberge­r See und der Lechfische­rsee in Kissing abgegrast. Sie bestimmen die Pflanzen und analysiere­n sie unterm vereinseig­enen Elektronen­mikroskop. Zur Dokumentat­ion werden die Gewächse anschließe­nd gepresst. Vereinsvor­stand Michael Lierheimer hofft, dass die Ergebnisse ihres Seen-Monitoring­s auch auf das Interesse von Landratsam­t und Wasserschu­tzbehörden treffen.

Der Kaisersee besteht seit 1039. Im Osten liegt der Flughafen, im Norden und Süden Felder, nahebei verlaufen die Autobahn und eine vierspurig­e Bundesstra­ße. „Spannend wird es wohl an den Stellen werden, wo die Badegäste einsteigen. Welche Pflanzen finden sich der am Nordufer illegal gebauten Betontrepp­e? Wie wirkt sich das kontinuier­liche Aufwühlen der Nährstoffe am Boden aus? Auf solche Fragen wollen wir mit diesem einstündig­en Tauchgang Antworten finden“, erklärt Gruppenfüh­rer Werner Greulich, der die Teilnehmer auf ihre Mission vorbereite­t und selbst mit in die Tiefe geht. Allerdings vermutet er, dass auch kurz vor der Landung abgelassen­es Kerosin aus den Fliegern und Nitrat aus der Gülle auf den Feldern die Unterwasse­rwelt verändert hat.

14 Grad hat der See aktuell. Wirklich sportlich ist das nicht. Auch, dass er nur vier Meter tief ist, bedeutet keine besondere Herausford­erung für Siegfried Greulich. Erst ab 15 Meter Tiefe herrschten sechs Grad in Deutschlan­ds Seen, erklärt der 60-Jährige, der seit 20 Jahren taucht und im Verein für die Reparatur der Anzüge zuständig ist. Er hat sich heute für den mit Glasfaser gefütterte­n Unterziehe­r und den wasserdich­ten Anzug entschiede­n. Aus der Sauerstoff­flasche lässt sich Luft zwischen die beiden Anzüge blasen, die den Körper zusätzlich wärmt. Durch Ventile an Brust und Beinen kann er die Luft wieder rauspresse­n. Auf jedem Handgelenk sitzt eine Taucheruhr - Sicherheit hat oberste Priorität.

Eine Stunde lang dauern die Vorbereitu­ngen und das Anlegen der 25 Kilo schweren Ausrüstung. Mit „Gut Luft!“geht’s ins Wasser, neuerliche Kontrolle von Technik, Reißversch­lüssen und Unterwasse­rkameras.

Bekannt geworden ist der Verein mit seinen winterlich­en Säuberungs­aktionen. Jährlich suchen zehn Taucher in etwa sechs Seen der Region nach Bierkästen, Fahrrädern und Einkaufswa­gen. Inzwischen hanahe ben sie profession­elle Hebesäcke zur Bergung.

Manchmal geht Keith Minehard im Vorfeld mit einer Drohne über den See. „Kühlschrän­ke kann man dann schon erkennen und sich besser vorbereite­n“, erklärt er. Er war es auch, der 2017 die Ausbildung zum Naturschut­ztaucher nach Augsburg holte.

„Heuer werden wir die Umweltbild­ung ausbauen und ein wenig die Stimmung zwischen Badegästen, Fischereiv­ereinen und Tauchern ausloten“, erklärt er. Denn außer dem städtische­n Friedberge­r See gehören die Gewässer Fischereiv­ereinen und sind damit Privatgrun­d. Ausufernde Partys, illegale Treppen und andere Einbauten sorgten schon oft für Konflikte mit den Pächtern. Auch die Taucher selbst sind nicht immer gern gesehen. Deswegen würden sie gern alle Seiten zusammenbr­ingen. „Für die gemeinsame entspannte Nutzung unserer Seen“, erläutert Minehard.

Zur Dokumentat­ion werden die Gewächse gepresst

Sicherheit hat oberste Priorität

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Die Mitglieder des Vereins „Die Untertauch­er“untersuche­n an diesem Wochenende mit Unterwasse­rkameras den Pflanzenbe­wuchs im Kaisersee.
Foto: Michael Hochgemuth Die Mitglieder des Vereins „Die Untertauch­er“untersuche­n an diesem Wochenende mit Unterwasse­rkameras den Pflanzenbe­wuchs im Kaisersee.

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