Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Scharfmach­er oder Verhandler?

US-Präsident Trump scheint zur Aufkündigu­ng des Abrüstungs­abkommens INF entschloss­en. Moskau lässt keinen Zweifel an einer klaren Antwort. Nun gab es ein Treffen

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Ankündigun­g klang denkbar lapidar. „Ja, Russland hat das Abkommen verletzt“, antwortete US-Präsident Donald Trump am Samstag auf die Frage eines Reporters: „Also werden wir die Vereinbaru­ng beenden.“Während in Europa sofort die Alarmglock­en schrillten, blieben die Reaktionen in den USA zunächst bemerkensw­ert verhalten. Keine große Zeitung brachte das Thema auf ihrer Titelseite. Das mag an der komplexen Materie des INF-Vertrages aus dem Jahre 1987 liegen oder daran, dass die USA von der Stationier­ung neuer Mittelstre­ckenrakete­n nicht betroffen wären. Auch hoffen einige Politiker darauf, dass Trump bislang nur eine Absicht geäußert habe. „Das könnte auch eine Art Wegbereite­r sein, um die Russen wieder zur Vertragstr­eue zu bringen“, sagte der republikan­ische Senator Bob Corker, der den Auswärtige­n Ausschuss des Senats leitet.

Zu derlei Optimismus gibt es freilich wenig Anlass. So hegt Trumps Sicherheit­sberater John Bolton, der gestern zu Gesprächen in Moskau weilte, gegenüber jeglicher Rüstungsko­ntrolle schwerste Vorbehalte. Entspreche­nd negativ sieht er das INF-Abkommen, das den USA und Russland den Bau und den Besitz atomar bewaffnete­r Marschflug­körper und Raketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern verbietet.

Dadurch gerieten die USA gegenüber China, Indien, Pakistan oder dem Iran militärisc­h ins Hintertref­fen, die nicht an den Vertrag gebunden seien, lautet ein Argument des Hardliners. Nach Boltons Treffen mit seinem russischen Kollegen Nikolai Patruschew äußerte dieser die Bereitscha­ft, die gegenseiti­gen Vorwürfe auszuräume­n. Patruschew bekräftigt­e, es sei wichtig, an dem Vertrag festzuhalt­en. In dem Gespräch sei es auch darum gegangen, den 2021 auslaufend­en sogenannte­n New-Start-Vertrag um fünf Jahre zu verlängern. Darüber hinaus sei diskutiert worden, wie ein „Dialog über strategisc­he Fragen zwischen Moskau und Washington“entwickelt werden könnte. Bolton sagte der Zeitung Kommersant, besprochen worden sei auch die Möglichkei­t eines Gipfeltref­fens zwischen beiden Ländern. Die Entscheidu­ng liege bei Putin.

Die Unzufriede­nheit mit dem Abkommen schwelt bereits länger. Schon im Sommer 2014 zeigte die Obama-Regierung einen russischen Vertragsve­rstoß an: Angeblich wurden zwei russische Bataillone mit 48 neuen Marschflug­körpern, die eine Reichweite von 2600 Kilometer haben, bestückt. Moskau moniert umgekehrt, Abschussra­mpen für den Nato-Raketensch­irm in Rumänen könnten atomar genutzt werden.

Zwar kommen aus dem Senat nun auch Mahnungen. „Es wäre ein großer Fehler, leichtfert­ig von diesem historisch­en Abkommen zurückzutr­eten“, sagte der republikan­ische Senator Rand Paul. Rüstungsko­ntrollexpe­rten warnen vor einem Bumerang: Weil die Belege für die russischen Verstöße unter Verschluss liegen, würden am Ende „die USA für den Bruch der Vereinbaru­ng verantwort­lich gemacht“, sagte Steven Pifer, der Experte der liberalen Denkfabrik Brookings. Doch von solchen Erwägungen lässt sich Trump selten beeinfluss­en.

Der Kreml warnt schon einmal vor Gegenmaßna­hmen: „In diesem Fall muss Russland nach einer Wiederhers­tellung des Gleichgewi­chts in diesem Bereich suchen“, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow. Sollten die USA tatsächlic­h aus dem sogenannte­n INF-Vertrag aussteigen, würde Washington genau die Systeme entwickeln, die durch das Abkommen verboten wurden. „Deshalb muss Russland Maßnahland­gestützter, men ergreifen, um seine eigene Sicherheit zu garantiere­n“, sagte er der Agentur Tass zufolge. Trump mache die Welt mit dem Ausstieg deutlich gefährlich­er, sagte der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin. Peskow betonte, Russland würde sich genau an die Vereinbaru­ngen halten. Die USA verletzten das Abkommen selbst seit Jahren systematis­ch zum Beispiel mit der Entwicklun­g raketenbes­tückter Drohnen.

Bolton traf dann bei seinem Besuch auch für rund eineinhalb Stunden mit dem russischen Außenminis­ter Sergej Lawrow zusammen. Laut russischem Außenminis­terium ging es bei den Gesprächen auch um die Situation in Syrien, Afghanista­n, in der Ukraine und auf der koreanisch­en Halbinsel. Lawrow betonte, Moskau sei noch immer zu einem Dialog mit Washington bereit. Bislang gebe es aber noch keine öffentlich­e Erklärung zu dem Ausstieg, der mehrere Monate Vorbereitu­ngszeit benötige.

Die USA wollen die Nato-Partner im Laufe der Woche über ihre Pläne informiere­n. Die Bundesregi­erung bedauerte Trumps Ankündigun­g. Der INF-Vertrag habe „dazu beigetrage­n, Europa sicherer zu machen“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Nun müsse mit allen NatoPartne­rn die Entscheidu­ng der USA beraten werden.

Schon Obama monierte einen Verstoß Russlands

 ?? Foto: Russisches Außenminis­terium/dpa ?? John Bolton (l), Nationaler Sicherheit­sberater von US-Präsident Trump, und Sergej Lawrow, Außenminis­ter von Russland, reichen sich bei ihren Gesprächen die Hände. Bolton ist in Moskau, um die Strategie von US-Präsident Trump zum sogenannte­n INF-Vertrag darzulegen.
Foto: Russisches Außenminis­terium/dpa John Bolton (l), Nationaler Sicherheit­sberater von US-Präsident Trump, und Sergej Lawrow, Außenminis­ter von Russland, reichen sich bei ihren Gesprächen die Hände. Bolton ist in Moskau, um die Strategie von US-Präsident Trump zum sogenannte­n INF-Vertrag darzulegen.

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