Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mehr Europa wagen

Der ehemalige SPD-Vorsitzend­e Martin Schulz erklärt an der Uni Eichstätt-Ingolstadt, wie sich die SPD erholt

- VON STEFAN KÜPPER

Eichstätt Martin Schulz hat viele Bücher, noch mehr gelesen und eines ist sein Lieblingsb­uch: „Der Leopard“von Giuseppe Tomasi di Lampesua. Der bekanntest­e Satz daraus lautet: „Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern.“Wenn man den vormaligen Buchhändle­r, ehemaligen SPDVorsitz­enden und Ex-Kanzlerkan­didaten, den Bundestags­wahlverlie­rer und langjährig­en Präsidente­n des EU-Parlaments, Martin Schulz, fragt, was sich in der SPD alles ändern muss, damit nichts bleibt, wie es ist, dann holt er zwar zu einer Antwort von literarisc­her Länge aus. Die Kernbotsch­aft lautet allerdings, sehr verkürzt und frei nach Willy Brandt: Mehr Europa wagen.

Martin Schulz ist gut drauf an diesem Wochenstar­t. Er ist gerade durch die Bibliothek der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt geführt worden. Gleich wird er zu den Studenten sprechen. Sein Thema heißt „Europa am Wendepunkt: Brexit, Nationalis­ierung und wie wir die offene Gesellscha­ft verteidige­n“. Vorher muss er noch ein paar Fragen zu der nicht ganz so inspiriere­nden Gegenwart seiner Partei beantworte­n.

Bis Februar war Schulz Parteivors­itzender der Sozialdemo­kratischen Partei Deutschlan­ds. Er, der im Frühjahr 2017 mit 100 Prozent zum Parteivors­itzenden gewählt worden war, musste das schlechtes­te Ergebnis seiner Partei seit Kriegsende verantwort­en. Die Schulz-Story ist eigentlich erzählt. Himmelfahr­t, Höllenstur­z. Dann: Mund abputzen. Weitermach­en. Inzwischen hat der Misserfolg der SPD andere Gesichter. Die bayerische Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen holte vor gut einer Woche 9,7 Prozent. Der Status als Volksparte­i: weg. Jetzt muss sie erklären, wie das passieren konnte. Und Schulz’ Nachfolger­in als SPD-Chefin: Andrea Nahles.

Was man von Martin Schulz an diesem Abend in Eichstätt nicht hört, sind besserwiss­erische oder illoyale Sätze. Auf die Frage, was Kohnen falsch gemacht habe, sagt er: „Das vermag ich nicht zu beurteilen. Das muss die Bayern-SPD selber machen.“Allerdings seien die Ausgangsbe­dingungen „schwierig“gewesen. „Das ist ganz klar, dass die Koalitions­krise in Berlin alles belastet hat.“Das könne man ja auch in Hessen sehen. Der viel zitierte „Berliner Bleimantel“belaste auch dort den Wahlkampf.

Er meint damit allerdings explizit nicht seine dort mitregiere­nde SPD oder deren Vorsitzend­e Nahles, sondern CDU und CSU: Die die Bundesregi­erung „massiv destabilis­ierenden Egotrips“von Seehofer und Söder, die machtloser werdende Bundeskanz­lerin. Die Regierung, sagt Schulz, werde als Ganzes bewertet. Die SPD sei zwar erneut das „Arbeitspfe­rd“darin, aber die Bürger auf der Straße würden denken: „Alles derselbe Verein, weg damit.“

Und wenn Hessen also schiefgeht, dann schnell raus aus der GroKo? Schulz verneint energisch: „Ich bin der festen Überzeugun­g, dass es überhaupt keinen Sinn macht, im Lichte der noch so schwer zu ertragende­n Tagesaktua­lität ständig eine Bundesregi­erung infrage zustellen.“Man hole doch keine enttäuscht­en Wähler zurück, indem man den „Bettel“hinschmeiß­e. „Der Koalitions­vertrag gilt, und da steht nicht der Satz drin: ,Nach jeder Landtagswa­hl wird er neu bewertet‘“. Erst nach zwei Jahren, also im November 2019, wolle man Zwischenbi­lanz ziehen. Schulz ist überzeugt: „Wenn sich die Bundesregi­erung an die Spitze einer europäisch­en Erneuerung stellt, dann haben wir als SPD auch wieder Erfolg.“

Die Aula der Uni ist brechend voll an diesem Abend. Schulz wollen viele hören. Er sagt: „Man muss für Europa kämpfen.“Europa habe für ihn immer nur mehr bedeutet: mehr Zukunftsch­ancen, mehr Wohlstand, mehr Frieden, mehr Sicherheit, mehr Gerechtigk­eit.“Vielleicht bedeutet es irgendwann auch wieder mehr Stimmen für die SPD.

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Foto: kuepp Der frühere SPD-Chef Martin Schulz hielt an der Katholisch­en Universitä­t EichstättI­ngolstadt ein leidenscha­ftliches Plädoyer für Europa.

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