Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sind wir nicht scheinheilig?
Die Diesel-Diskussion ist nicht ganz ehrlich. Denn der Umwelt würden weniger spritfressende SUVs auch guttun
Klimawandels. Viele denken aber wohl: Mit einem SUV komme ich persönlich überall durch, ich trotze Starkregen und kann meine Kinder trotzdem noch sicher zur Schule bringen. In der Tat sagt der Boom der Pseudo-Geländewagen viel über die Käufer aus. Über ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt und zu anderen Verkehrsteilnehmern.
Die aktuelle Diesel-Diskussion wird auch nicht ganz ehrlich geführt. Fahrverbote in Großstädten wären überflüssig, wenn weniger Menschen diese spritfressenden Geländewagen kaufen würden. Schließlich wird dazu niemand gezwungen. Es gibt mehr als 100 Automodelle, deren CO2-Ausstoß unter 100 Gramm je Kilometer liegt – übrigens durchaus auch aus deutscher Produktion. Bei ihnen ist auch die umstrittene Stickoxidemission gering. Es gibt Hybridfahrzeuge, rein batterieelektrische Autos, solche mit Erdgasmotor oder schlicht kompakte, sparsame Benziner, die keine Abschalteinrichtungen für ihre Abgasreinigung haben wie so viele Diesel. Doch auf den Straßen sieht man immer mehr rollende Blechburgen.
Dick, durstig, teuer – SUVs vereinen so manche Aspekte der automobilen Unvernunft. Interessant ist, dass Käuferstudien zufolge gerade auch Frauen solche Autos gerne kaufen. Das Paradoxe an der Geschichte: Gerade Frauen ist beim Autokauf angeblich ein niedriger Spritverbrauch besonders wichtig. Zumindest betonte das vor ein paar Jahren die Mehrzahl der weiblichen Befragten bei einer Erhebung des Kompetenzzentrums „Frau und Auto“der Hochschule Niederrhein. Trotz der fragwürdigen Ökobilanz sind die Reize der PS-starken Blechberge aber so groß, dass so manche Sie lieber groß als grün denkt. Mit dem Ergebnis: Der Frauenanteil ist bei SUVs überdurchschnittlich hoch. Der Verkehrssoziologe Lasse Mevert erklärte einmal das Bedürfnis der Frauen nach den starken SUV mit einer ansteigenden Angst im öffentlichen Raum: „Das Schutzbedürfnis wächst.“SUVs würden als Ersatz fürs Eigenheim gesehen, so Mevert. Mit ihrem großzügigen Blechpanzer und der erhöhten Sitzposition erzeugten sie ein besonders großes Sicherheitsempfinden.
Besonders ältere Menschen schätzen am SUV zudem den erhöhten Einstieg, statt sich mit Verrenkungen in einen Sportwagen zu falten. Und die Käuferschicht ist auch finanziell so ausgestattet, dass sie sich solche Autos leisten kann. Hinzu kommt das sportliche Image der SUVs. Denn das bezieht sich auf den Fahrer, der als besonders dynamisch gilt, wenn er in einem hochmotorisierten Geländewagen sitzt.
Statt sinnloser Verbote, die das Stickoxid-Problem in Städten nur auf andere Straßen verlagern, wäre es darum ein probates Mittel, beim Neu- oder Gebrauchtwagenkauf stärker auf die Verbrauchswerte zu achten. Der Autoegoismus und die Rücksichtslosigkeit werden sich allerdings allein durch Appelle nicht überwinden lassen. Vielleicht kämen SUV-Fahrer ja durch eine deutlich höhere Kfz- und Mineralölsteuer sowie eine Abschaffung des Dienstwagenprivilegs ins Nachdenken. Dann würden sie die Nachteile ihrer Fahrzeuge eher spüren. Andererseits, wo anfangen? Wo aufhören? Die SUVs sind nicht der einzige Widerspruch im Umwelt-Alltag der modernen Gesellschaft: Man trennt auch Altpapier, aber auf Flug- oder Schiffsreisen will wiederum kaum jemand verzichten.