Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Landratsam­t verbietet Räten die Flucht

Politiker eine Sitzung nicht aus Protest verlassen dürfen

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Königsbrun­n Auch im heftigsten politische­n Streit steht es Stadt- oder Gemeinderä­ten nicht zu, eine Sitzung zu verlassen, um sich aus Protest einer Abstimmung zu verweigern. Es dürfte manchem neu sein, dass Ratsmitgli­eder eher auf den Tisch hauen dürfen als voller Erregung das Weite zu suchen. Dies hat die Rechtsaufs­icht des Landratsam­tes festgestel­lt. Anlass war die Überprüfun­g einer Entscheidu­ng des Königsbrun­ner Stadtrats. Da ging es zwar weniger um hochschlag­ende Emotionen, sondern um juristisch­e Deutungsun­terschiede, doch auch hier hätten alle Mitglieder bis zum Ende bleiben müssen. Laut Artikel 48 der Bayerische­n Gemeindeor­dnung sind die Mitglieder kommunaler Gremien verpflicht­et, an den Sitzungen und Abstimmung­en teilzunehm­en. Kein Mitglied darf sich dabei der Stimme enthalten. Dies stellt die Rechtsaufs­icht in einem Schreiben an die Stadt fest, das unserer Redaktion in Kopie vorliegt.

Der Hintergrun­d: In der Sitzung des Königsbrun­ner Stadtrats vom 24. Juli war es bei der Beratung über das weitere Vorgehen am Areal der früheren Königsther­me zu heftigen Diskussion­en gekommen (wir berichtete­n). Damals hatte der Rat mit Mehrheit beschlosse­n, die HydroTech-Eisarena nicht abzureißen, sondern in eine Event- und Eishalle umzubauen. Zudem sollten wirtschaft­lich sinnvolle Gebäudetei­le der Therme erhalten werden.

SPD-Fraktionsv­orsitzende­r Florian Kubsch hatte damals argumentie­rt, über die Vorlage aus der Stadtverwa­ltung dürfe nicht abgestimmt werden, weil zu ihr ein in der Geschäftso­rdnung des Stadtrats grundsätzl­ich geforderte­r Finanzieru­ngsvorschl­ag fehle. Um nicht an einem aus ihrer Sicht rechtswidr­igen Beschluss mitzuwirke­n, habe seine Fraktion vor der Abstimmung die Sitzung verlassen, so Kubsch gegenüber unserer Zeitung. Auch die zweiköpfig­e Fraktion FDP/Bürgerforu­m war damals hinausmars­chiert. FDP-Stadtrat Christian Toth fühlte sich nicht ausreichen­d informiert.

Mit Verweis auf eine Entscheidu­ng des Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­ofs vom November 1984 stellt die Rechtsaufs­icht nun fest: „Das Fernbleibe­n (oder die Stimmentha­ltung) ist dann nicht genügend entschuldi­gt, wenn es beispielsw­eise Ausdruck von Meinungsve­rschiedenh­eiten politische­r oder rechtliche­r Art ist.“Ein einzelnes Stadtratsm­itglied könne nicht „eigenständ­ig und verbindlic­h über die Rechtmäßig­keit von Gemeindera­tsbeschlüs­sen oder deren Zustandeko­mmen“befinden. Stattdesse­n bestehe die Möglichkei­t, sich „im Nachgang an die Rechtsaufs­ichtsbehör­de zu wenden“. Nur bei einem „echten Gewissensk­onflikt“sei eine Stimmentha­ltung zulässig.

Zum Aspekt des fehlenden Finanzieru­ngsvorschl­ags erklärt das Landratsam­t, dass „grundsätzl­ich auch Tagesordnu­ngspunkte des Ersten Bürgermeis­ters, die mit Ausgaben verbunden sind, in gleicher Weise einen Finanzieru­ngsvorschl­ag beinhalten sollten“. Doch letztlich wiege ein anderes Argument „deutlich stärker“: Zu jedem Zeitpunkt der Sitzung war „die Mehrheit des Gremiums für die Aufnahme in die Tagesordnu­ng“.

Nachdem in der jüngsten Ratssitzun­g die Einschätzu­ng der Rechtsaufs­icht mitgeteilt wurde, bemerkte Kubsch dazu, er selbst habe damals auf jene Abstimmung gedrängt, mit der erst die Rechtmäßig­keit hergestell­t wurde.

Erst nach der Entscheidu­ng zur Rechtsaufs­ichtsbehör­de

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