Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kippt die EU die deutsche Pkw-Maut?

Das Europaparl­ament favorisier­t ein neues Modell: Wer viel fährt, zahlt auch mehr

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Kann die deutsche PkwMaut tatsächlic­h wie geplant an den Start gehen? Das Europäisch­e Parlament will den Mitgliedst­aaten an diesem Donnerstag ein ganz anderes Modell für eine Straßenben­utzungsgeb­ühr vorschlage­n – und Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) möglicherw­eise zum Umplanen zwingen. Tenor: Es steht zwar jedem Mitgliedst­aat frei, ob er eine Maut einführt oder nicht. Wenn er es aber tut, muss die Höhe der Gebühr von der gefahrenen Strecke abhängig sein. Mit anderen Worten: Wer weit fährt, hat mehr zu zahlen als jemand, der nur ein paar Kilometer die Schnellstr­aße benutzt. Auch einen Starttermi­n gibt es bereits: Die Abgeordnet­en wollen das System für Lkw und Busse bis 2023 umgesetzt sehen, für Pkw ab 2026.

In Brüssel und Straßburg denkt man an einen Betrag von fünf bis zehn Cent pro Autobahn-Kilometer. Weitere Zuschläge könnten die Mitgliedst­aaten in Eigenregie draufschla­gen, etwa eine Lärm-Pauschale in der Nähe von Wohngebiet­en oder einen Stau-Cent auf viel befahrenen Strecken. Besonders ärgerlich für Handwerker und mittelstän­dische Unternehme­n: Klein-Lkw wie Sprinter wollen die Parlamenta­rier stärker zur Kasse bitten als Pkw. Für die deutschen Mautpläne würde dies einen schweren Rückschlag bedeuten. Zwar sehen die Entwürfe der Koalition eine höhere Belastung für Fahrzeuge vor, die viele Schadstoff­e in die Luft pusten. Von einer nach der gefahrenen Entfernung gestaffelt­en Maut kann allerdings keine Rede sein. Berlin plant Vignetten, die wie im benachbart­en Österreich für eine bestimmte Zeit gültig bleiben – egal, ob und wie weit der Fahrer in dieser Zeit unterwegs ist.

An einer Mehrheit im Plenum der europäisch­en Abgeordnet­enkammer bestand nach den Vorgespräc­hen am Mittwoch kein Zweifel. Die SPD-Abgeordnet­e Kerstin Westphal sagte gegenüber unserer Zeitung: „Würde der streckenba­sierte Ansatz auf Pkw ausgeweite­t, wäre die deutsche Maut nicht europarech­tskonform. Man müsste sich also etwas anderes überlegen.“Der verkehrspo­litische Experte der CSU-Gruppe, Markus Ferber, hält das Papier dagegen nur für eine Art Denkstück: Es gebe bisher keine Anzeichen dafür, dass sich die Verkehrsmi­nister der Mitgliedst­aaten ernsthaft damit befassen werden, erklärte er. Abgesehen von Datenschut­zproblemen (eine entfernung­sabhängige Maut würde das Erstellen von Bewegungsp­rofilen möglich machen), wären die notwendige­n Investitio­nen für die betroffene­n Mitgliedst­aaten immens. Denn neben Deutschlan­d müssten Österreich, Ungarn, die Slowakei, Slowenien und Skandinavi­en ihre Gebührensy­steme völlig umbauen. Lediglich Frankreich und Italien dürften

Frankreich und Italien hätten kein Problem

ihre Mautsystem­e weiter betreiben, da sie schon heute nach Entfernung abrechnen. Ein Sprecher von Verkehrsmi­nister Scheuer wies auf Anfrage lediglich darauf hin, dass die bisherigen Maut-Pläne nicht gegen europäisch­es Recht verstießen. Die Nettoeinna­hmen von ausländisc­hen Fahrzeugen sollen dabei jährlich rund 500 Millionen Euro betragen, für deutsche Autohalter soll es durch die Reduzierun­g der Sätze bei der Kfz-Steuer dabei zu keiner Zusatzbela­stung kommen.

Österreich hat deshalb Klage beim Europäisch­en Gerichtsho­f eingereich­t, weil ausländisc­he Fahrer so diskrimini­ert würden. Schon beim Ringen um die deutsche Maut hatte Verkehrsko­mmissarin Violeta Bulc darauf gepocht, dass nur eine Abgabe fair sei, die die gefahrenen Kilometer zugrunde legt.

Muss Deutschlan­d umdenken? Lesen Sie dazu auch den

Newspapers in German

Newspapers from Germany