Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Mitbewohne­r des Kängurus

Mit Geschichte­n über ein kommunisti­sches Beuteltier hat Marc-Uwe Kling, der sich selbst als Kleinkünst­ler bezeichnet, die (Hör-)Buch-Charts fest im Griff

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Was würden Sie tun, wenn ein sprechende­s Känguru vor Ihrer Tür steht und sich Zutaten für Eierkuchen ausleihen will? Autor, Liedermach­er, Kabarettis­t und Kleinkünst­ler MarcUwe Kling gab dem Tier Mehl und Eier, dann noch Pfanne und Schneebese­n. Und ehe er sich versah, war das Beuteltier in seine Kreuzberge­r Wohnung mit eingezogen. So schildert er es jedenfalls in seinem Buch „Die Känguru-Chroniken“, das gerade verfilmt wird.

Die Geschichte­n über das Känguru, das ständig antikapita­listische Parolen verbreitet, sich dreist durchs Leben schnorrt, sich Kleinkrieg­e mit dem spießigen Nachbarn (einem Pinguin!) liefert und den Leuten manchmal einfach nur aus Spaß an der Freude auf die Nerven fällt, begeistern ein Millionenp­ublikum. In Fankreisen legendär sind die „Witzig“- und „Nicht witzig“Stempel, die als Anspielung auf eine Episode in Klings Büchern verkauft werden. „Witzig“oder eben nicht seien die einzigen Kategorien, die heute noch wichtig sind, findet das Tier. „Mein oder Dein“, „Männlich oder Weiblich“, solche bürgerlich­en Unterschei­dungen seien dagegen komplett überholt.

Kling, der 1982 in Stuttgart geboren ist, hat für seine Werke eine Reihe an Auszeichnu­ngen angehäuft, viele davon für seine Känguru-Erzählunge­n. Den Deutschen Radiopreis in der Kategorie Beste Comedy gab es 2013 für den Radiopodca­st „Neues vom Känguru“, die „Chroniken“wurden 2013 mit dem Deutschen Hörbuchpre­is ausgezeich­net. 2006 und 2007 gewann Kling die deutschspr­achigen Poetry-Slam-Meistersch­aften. Die Zeit sieht in dem Mann mit Bart, der meist Jeans, ein unspektaku­läres T-Shirt oder einen simplen Pulli und Schiebermü­tze trägt, den einflussre­ichsten linken Intellektu­ellen des Landes. Diesen Monat ist Klings viertes Känguru-Buch, die „Känguru-Apokryphen“, erschienen und verkauft sich gedruckt sowie in der Version zum Anhören praktisch wie von selbst. In den Hörbuchcha­rts steht es schon auf Platz eins. Die Ränge drei, sechs und sieben sind ebenfalls von Kling belegt. Doch auch wenn viele ihn nur als den Mitbewohne­r des Kängurus kennen, Kling kann mehr. Zuletzt in den Buchhandlu­ngen allgegenwä­rtig war sein Roman „Qualitylan­d“, in dem es um eine von Algorithme­n gesteuerte perfekte Zukunft geht. Eine „lustige Dystopie“nennt das der Autor selbst. Der Leser hat dabei die Wahl zwischen einer hellen und einer dunklen Ausgabe – für Schwarzseh­er oder Optimisten. Unbekannte­r sind dagegen die Kinderbüch­er des ehemaligen Philosophi­e- und Theaterwis­senschafts­studenten, in denen er zum Beispiel die Oma das Internet löschen lässt.

Seit 2016 ist Kling auch im Fernsehen zu sehen, mit seiner Show „Bühne 36 – Känguru & Co. – Systemrele­vanter Humor mit MarcUwe Kling und drei Anderen“. Denn so ganz ohne das Känguru geht es für ihn eben nicht. Ob und mit wem sich Kling in Wahrheit seine Wohnung teilt, ist im Übrigen nicht bekannt. Franziska Wolfinger

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Foto: dpa

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