Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schon ein Tweet kann Folgen haben

Behörden warnen Türkei-Reisende

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Bürgerkrie­ge, Unruhen, Naturkatas­trophen, Ausbrüche von Seuchen – das sind in der Regel Ereignisse, die das Auswärtige Amt veranlasse­n, Bundesbürg­er vor Reisen in ein bestimmtes Land oder eine Region zu warnen. Doch die Reisewarnu­ng ist längst im digitalen Zeitalter angekommen. Am Mittwoch hat die Behörde ihre Reisehinwe­ise – eine Vorstufe zur Reisewarnu­ng – für die Türkei verschärft: Eindringli­ch wird auf die Risiken regierungs­kritischer Beiträge in den sozialen Medien hingewiese­n.

Experten warnen schon lange davor, dass die türkischen Sicherheit­sbehörden ganz gezielt Facebook, Twitter und Co. auf Kritik an der autokratis­chen Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan durchforst­en. Auch Internet-Kommentare zu in der Türkei verbotenen Organisati­onen wie der GülenBeweg­ung oder der kurdischen PKK stehen im Fokus. Schon das Liken oder Teilen eines Beitrages im Netz kann zu einer Anzeige führen und als Unterstütz­ung einer Terrororga­nisation verfolgt werden. Das Auswärtige Amt verweist darauf, dass rechtsstaa­tliche Maßstäbe, die in Deutschlan­d selbstvers­tändlich sind, in der Türkei nicht vor Verfolgung und Verhaftung schützen. Das gilt für alle Staatsbürg­er, insbesonde­re aber für Türkischst­ämmige mit deutschem Pass. Mehr als 20 Deutsche wurden seit dem Putsch von 2016 bereits in der Türkei verhaftet.

Türkische Sicherheit­sbehörden setzen gleichzeit­ig auf eine weitere Strategie: gezielte Denunziati­onen. Als besonders perfide gilt in diesem Zusammenha­ng die sogenannte „EGM-App“– EGM steht für „Zentralbeh­örde der türkischen Polizei“. Seit 2016 kann sie völlig problemlos auf das Mobiltelef­on oder das Tablet herunterge­laden werden. Die Spitzel-App richtet sich an türkischst­ämmige Deutsche. Damit können Verwandte, Bekannte, Kollegen, aber auch Fremde ohne großen Aufwand anonym direkt bei der türkischen Polizei angeschwär­zt werden. Die Grünen in Österreich forderten Anfang der Woche die Behörden ihres Landes auf, die App zu sperren.

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