Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Welt meint es nicht gut
Was Heinrich Bölls Leben geprägt hat
Er war in der Nachkriegszeit eine Stimme, die gehört wurde: Der deutsche Schriftsteller Heinrich Böll (1917–1985) galt als das Gewissen der Nation. Mit seinen Werken („Wo warst du, Adam?“, „Ansichten eines Clowns“oder „Billard um halb zehn“) beschrieb er die Gesellschaft seiner Zeit, vor allem in den 1950er und 1960er Jahren. Einblicke in das Leben und Werk von Heinrich Böll gab der Autor Jochen Schubert im Brechthaus vor überschaubarem Publikum. Jochen Schubert, der erstmals uneingeschränkten Zugriff auf Heinrich Bölls Nachlass hatte, berichtete im Gespräch mit Eva Leipprand, der Vorsitzenden des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, von den Früchten seiner Forschung.
Was hat Böll immer wieder „die kleine Perspektive“einnehmen lassen, aus der er, so Schubert, „die großen Fragen entwickelte“? Aus Bölls Kindheit und Jugend in Köln heraus, in der er miterleben musste, wie das Lebensprogramm seiner Eltern demontiert wurde – sie verloren in der Weltwirtschaftskrise ihre Existenz – sei Bölls Grunderfahrung erwachsen, dass es die Welt mit dem Menschen nicht gut meint. Eine Erfahrung, die sich durch das Erleben des Kriegs verstärkte. An einigen Beispielen aus Bölls Werk machte Jochen Schubert deutlich, wie tief sich in den Autor die Wahrnehmung eingegraben hatte, dass sich nach dem Krieg nichts verändert hat. Dass die Gesellschaft, wie es in seinem Roman „Billard um halb zehn“heißt, „nach alten Plänen“wieder aufgebaut wurde.
Der Biograf charakterisierte Heinrich Böll als einen, der „Wahrnehmungsräume“eröffnet hat, der sich mit dem, was gegeben ist, nicht abfinden wollte, sondern immer mit den Mitteln der Literatur nach Gegenentwürfen suchte. Böll begegnete an diesem Abend auch als zunächst tiefgläubiger Mensch, der später den Erscheinungsformen der katholischen Kirche widersprach. Zur Sprache kam am Abend auch, wie sehr Böll sich politisch zu Wort gemeldet hat und gehört wurde. So hat er sich in der Friedensbewegung engagiert. Ob ein Schriftsteller heute noch so gehört wird und wie Böll zur öffentlichen Person werden kann? Die Zuhörer an dem Abend hatten angesichts der Fülle der jährlich erscheinenden Bücher, der veränderten medialen Situation und einem schwächeren Stellenwert der Literatur ihre Zweifel.