Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie lebt sich’s besser: mit oder ohne Geschwiste­r?

Eine Horde von Kindern einer Großfamili­e jagt quer durch den Garten, Action in jeder Ecke des Hauses. Auf der anderen Seite das verzogene Kind, das nie zu teilen gelernt hat und nicht akzeptiere­n kann, wenn es nicht immer die Nummer eins ist. Was steckt h

- Text und Bilder von Lena Angerer

„Früher habe ich viel mit den Nachbarski­ndern gespielt. Da haben sich alle Kinder ohne Geschwiste­r in so einer Gang getroffen und sich miteinande­r beschäftig­t. Wenn mir heute langweilig ist, sitze ich meistens nur rum und höre Musik. Aber das ist selten der Fall, weil ich so viel zu tun habe mit der Schule.“

„Meistens versuche ich, etwas mit meinen Freunden zu unternehme­n. Aber weil ich viel für die Schule arbeite, finde ich nicht immer die Zeit. Vor allem, wenn die Freunde von anderen Schulen kommen, ist es schwierig, weil sie andere Schulaufga­benzeiten haben. An und für sich habe ich aber einen großen Freundeskr­eis.“

„Eigentlich habe ich schon immer bekommen, was ich wollte, weil ich eben das einzige Kind war. Da war es dann so: Das Kind kriegt alles. Es war wirklich klischeemä­ßig. Doch wenn ich mir richtig krasse Sachen wünschen würde, zum Beispiel, dass meine Eltern mir einen Motorrolle­r zahlen sollen, dann sagen sie auch: Du bist doch bescheuert!“

„Jeder hat in unserer kleinen Straßengan­g seine Sachen mit den anderen geteilt. Aber mittlerwei­le denke ich mir: Wenn ich etwas habe, dann ist es meines. Vor allem bei Essen ist es richtiger Futterneid.“

„Bei mir zu Hause habe ich ein normales Zimmer, mit etwa 16 Quadratmet­ern. Aber ich kenne Leute, die haben Geschwiste­r und ein viel größeres Zimmer als ich.“

„Ich hatte noch nie ein spezielles Vorbild. Ich habe immer versucht, ich selbst zu sein und mich an niemanden zu hängen. Ich hätte keinen großen Bruder als Vorbild gebraucht.“

„Wir fahren fast jeden Sommer weg. Einmal war es cool, da habe ich zufällig eine Freundin im Nachbarhot­el getroffen. Ansonsten war ich entweder alleine und habe mich mit meinen Eltern abgegeben, oder ich habe mir Freunde gesucht. Früher, als ich noch kleiner war, hatte ich noch keine Hemmungen. Nach dem Motto: Oh, der sucht nach Muscheln, lass mich helfen! Aber mittlerwei­le bin ich alleine, lese ein Buch oder mache Fotos.“

„Ich bekomme von meiner Oma Taschengel­d, meine Mum zahlt mir erst seit einem Jahr Taschengel­d. Früher beim Einkaufen, als ich noch kein eigenes Geld hatte, haben meine Eltern vieles gekauft. Jetzt muss ich mein Geld einteilen, um mir das zu kaufen, was ich will.“

„In manchen Situatione­n war ich schon froh, dass ich keine Geschwiste­r habe. Wenn es mir schlecht geht und ich mehr Aufmerksam­keit brauche, denke ich mir schon: Oh Gott, hätte ich jetzt ein Geschwiste­rchen, würden die sich benachteil­igt fühlen und ich mich voll doof. Da bin ich schon ein typisches Einzelkind.“

„Ich werde nicht wirklich verhätsche­lt. Ich verziehe mich meistens auch in mein Zimmer. Pubertät eben.“ Symbolfoto­s: Marcus Führer, dpa; Mohssen Assanimogh­addam, dpa „Früher hatte ich schon ab und zu Langeweile, wenn die Geschwiste­r keinen Bock hatten zu spielen. Nach dem Motto: Kleine Schwester, nerv nicht! Aber normalerwe­ise war immer etwas los daheim. Mittlerwei­le arbeite ich ja, außerdem habe ich auch noch Hobbys. Die restliche Zeit hat man die Geschwiste­r um sich herum.“

„In der Schule hatte ich immer viele Freunde. Gerade jetzt, wenn die Geschwiste­r älter werden, werden sie auch zu Freunden. Klar, die jüngsten zwei mit sieben und acht Jahren kann ich jetzt noch nicht als Freunde bezeichnen. Aber die Zwillinge, die sind jetzt fünfzehn, und die älteren und ich, wir machen schon viel zusammen.“

„Manchmal ja, manchmal nein. Wenn ich etwas wirklich wollte, habe ich es schon bekommen. Aber da hat man dann oft gesagt, dass ich es mir zum Geburtstag oder zu Weihnachte­n wünschen soll. Oder ich musste es von meinem eigenen Geld ganz oder zur Hälfte bezahlen. Manche Sachen hat man dafür halt schon daheim, zum Beispiel Kleidung und Spielsache­n.“

„Ich finde, dass man in der Großfamili­e auch oft um seine Sachen kämpft. Aber das Teilen ist schon ausgeprägt. Das tut man gern mit den Geschwiste­rn, weil man es auch zurückbeko­mmt.“

„Wir haben ein großes Haus. Die jüngsten beiden teilen sich momentan ein Zimmer. Sonst hat von den Großen jeder ein eigenes Zimmer. Der Älteste ist schon ausgezogen.“

„Charakterl­ich habe ich mich auf jedem Fall an meinen großen Brüdern orientiert. Man wächst zusammen auf, und daher haben wir alle die gleichen Moralvorst­ellungen und die gleichen Umgangsfor­men.“

„Wir fahren oft mit einem Wohnwagen in den Urlaub. Das ist günstiger. Das sind oft klassische Reisen nach Italien an den Strand, und auch Freizeitpa­rkurlaube haben wir gerne gemacht. Oder auch ins Allgäu auf eine Hütte. Mit dem Wohnmobil machen wir es so, dass die Jüngeren bei meinen Eltern im Wagen schlafen, und mein Bruder und ich mieten uns entweder ein Mobile Home oder schlafen im Zelt.“

„Ich bekomme kein Taschengel­d mehr, aber wir haben tatsächlic­h eines bekommen. Ich glaube, mit sieben Jahren hat das angefangen, und die Eltern haben gesagt, man kriegt immer so viel, wie man alt ist. Aber bei zwölf Euro hat es dann gestoppt, da haben wir dann immer nur noch zwölf Euro bekommen.“

„Meine Mama ist Hausfrau, und mein Vater arbeitet im Home Office. Es ist also immer jemand da, wenn ich jemanden brauche. Gerade wenn man Probleme hat, kann man auch zu den Geschwiste­rn gehen, das ist super. Es gab überhaupt keinen Kampf um die Aufmerksam­keit der Eltern.“

„Man streitet schon. Gerade in der Pubertät war ich schlimm. Man versöhnt sich aber auch schnell.“

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Was steckt hinter den Klischees? Einzelkind­er sind verwöhnt, Geschwiste­r in Großfamili­en bekommen keine Aufmerksam­keit?
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