Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Was die CSU aus der Wahl lernen kann
Die Christsozialen sind bei der Wahl trotz herber Verluste mit einem blauen Auge davongekommen. Warum das so ist und was das für den künftigen Kurs der Partei bedeutet
München Noch steht sie aus, die viel zitierte „tiefere Analyse dieses Wahlergebnisses“in der CSU. Ob sie überhaupt stattfinden und wie ehrlich und schonungslos sie wohl sein wird? Nachdem sie schon jetzt verknüpft ist mit der „Schuldfrage“und mit der Frage, ob Parteichef Horst Seehofer gehen muss, droht die Analyse von neuen Macht- und Richtungskämpfen überlagert zu werden. Dabei gibt es durchaus interessante Erkenntnisse, die Meinungsforscher und Analytiker in den knapp zwei Wochen seit der Wahl zusammengetragen haben. Und die führen geradewegs zu der spannenden und noch kaum diskutierten Frage: Wie konnte die CSU in der Endphase des Wahlkampfs den Trend umkehren und das Schlimmste abwenden?
Es ist doch etwas anders gekommen als erwartet. Noch kurz vor der Wahl sahen Meinungsforscher die CSU ziemlich einheitlich bei etwa 33,6 Prozent. Es wurde sogar die These vertreten, dass es noch weiter abwärts gehen könnte, weil der in Umfragen ermittelte längerfristige Trend nach unten bis zuletzt ungebrochen geblieben war. Tatsächlich aber kam die CSU bei der Wahl auf 37,2 Prozent. Was war passiert?
Der statistische Befund nach dem Wahlsonntag war eindeutig. Nach den Berechnungen von Infratest Dimap für die ARD hat die CSU im Saldo mehr als doppelt so viele Wähler in der bürgerlichen Mitte verloren als an die AfD: 170000 an die Grünen, 160 000 an die Freien Wähler, 40000 an die FDP – insgesamt also 370000. Das hatte sich in den Umfragen vor der Wahl so abgezeichnet. Der Wanderungssaldo von der CSU zur AfD lag dagegen bei 160000 und damit niedriger als erwartet. Gleichzeitig schaffte es die CSU – bei insgesamt deutlich gestiegener Wahlbeteiligung –, 340000 Nichtwähler zu mobilisieren.
In der Zusammenschau deutet das darauf hin, dass es der CSU und ihrem Spitzenkandidaten Markus Söder im Schlussspurt des Wahlkampfs gelungen ist, mit ihren beiden LastMinute-Argumenten zu punkten – mit der deutlichen Kampfansage an die AfD, die Söder nach den Ereignissen in Chemnitz als Losung ausgegeben hatte, und mit Söders War- nung vor unübersichtlichen politischen Verhältnissen in Bayern. Die AfD als in ihrem Kern rechtsradikale Partei zu brandmarken hat offenbar ebenso Wirkung gezeigt wie Söders Schlagwort von der „politischen Stabilität“, die der Freistaat brauche.
Einen Beweis für diese These gibt es zwar nicht. Dazu gibt es zu viele Unwägbarkeiten. Aber sie scheint plausibel, weil sich in der Endphase des CSU-Wahlkampfs ansonsten nichts geändert hat. Die vielen anderen Gründe, die für den Absturz der CSU in der Gunst der Wähler angeführt werden und die selbstverständlich auch zu einer intensiven Analyse gehören, liegen allesamt in der Zeit davor.
Interessant allerdings ist der politische Umkehrschluss: Wenn zum Beispiel akzeptiert wird, dass Söders Korrektur am Kurs der CSU im Umgang mit der AfD zu einer positiven Trendumkehr für die CSU maßgeblich beigetragen hat, dann wird das in der Partei all jene Kräfte stärken, die sich gegen einen Rechtsruck gestellt und für einen Kurs der Mitte plädiert haben.
Die Analysen, die der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel und der langjährige Fraktionschef im Landtag, Alois Glück, nach der Wahl vorgelegt haben, zielen genau in diese Richtung. Waigel bezieht klar Stellung gegen das Schlagwort von der „konservativen Revolution“, das vom Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, in die Debatte geworfen worden war: „Der Großteil der Wähler, die wir verloren haben, will keine konservative Revolution.“Die Forderung sei verfehlt und nehme „in missglückter Form Anleihe an einem Kampfbegriff gegen die Demokratie in der Weimarer Republik“. Glück weist darauf hin, dass die AfD diesen Begriff auch verwendet, aber damit etwas anderes meint: „die Beseitigung unserer offenen und freiheitlichen Demokratie“. Die Redeweise der CSU gegenüber der AfD sei immer wieder „unscharf und missverständlich“gewesen.
Erste Beiträge zur Analyse also liegen vor. Wie tief sie tatsächlich geht, wird sich erst noch zeigen.
Waigel stellt sich klar gegen „konservative Revolution“