Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Altes Christkind mit neuer Heimat

Warum das neu gestaltete Schwäbisch­e Krippenmus­eum in Mindelheim zu den bedeutends­ten Sammlungen Süddeutsch­lands zählt und sich ein Besuch lohnt

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Kaum eine Stadt nördlich der Alpen weist eine längere Geschichte als Krippensta­dt auf als Mindelheim. Ursprüngli­ch aus Italien, verbreitet­e sich die Kunst des Krippenbau­s im Schwäbisch­en vor allem dank der Jesuiten, die vor 400 Jahren nach Mindelheim gekommen waren. Der Bayerische Herzog Maximilian I. hatte eine Handvoll der Kirchenmän­ner in seine neue Herrschaft Mindelheim entsandt, um dort ein katholisch­es Bollwerk in Zeiten der Glaubenskä­mpfe zu errichten.

Heute befindet sich in der Unterallgä­uer Kreisstadt eine der bedeutends­ten Krippensam­mlungen in ganz Süddeutsch­land. 1989 erhielt sie als Schwäbisch­es Krippenmus­eum ihr eigenes Museum im Mindelheim­er Colleg. Verfahren worden war allerdings nach der Methode, möglichst viele Krippen zu zeigen, aber eher wenig zu erklären und Zusammenhä­nge aufzuzeige­n.

Schon vor Jahren war Fachleuten klar: Dieses Museum verdient es, konzipiert zu werden. Darauf drängten Kulturamts­leiter Christian Schedler und Museumslei­terin Friederike Haber. Eher durch Zufall hatte Schedler im Museum einen Riesenscha­tz entdeckt. Eine der Figuren hatte sich als Werk des bedeutende­n Ulmer Michel Erhart entpuppt, der im 15. und 16. Jahrhunder­t gewirkt hat. Experten schätzen den Wert der Skulptur auf rund eine Million Euro. Nicht genug: Voriges Jahr fand sich in der Mindelheim­er Sammlung das älteste Christkind der Welt. Die Figur stammt aus der Zeit ums Jahr 1300 und war ursprüngli­ch in einem Kloster in Leutkirch geschaffen worden. Bis dahin galt in der Kunstgesch­ichte, dass es solche Darstellun­gen nicht vor 1500 gab.

All diese Schätze haben auch den Mindelheim­er Stadtrat und den Kreistag Unterallgä­u überzeugt, das Museum auf völlig neue Beine zu stellen. Über mehrere Jahre hinweg wurde es praktisch neu erfunden. 700000 Euro an Steuergeld­ern und Spenden flossen in den Umbau. Der renommiert­e Museumsexp­erte Peter Schreiner hat die Grundideen geneu liefert. Nicht mehr vorrangig einzelne Stücke werden gezeigt, sondern Zusammenhä­nge deutlich gemacht. Die Geschichte der Krippen wird jetzt thematisch erzählt. Auf einer Weltkarte können Besucher beispielsw­eise nachspüren, wo es überall Krippen gibt. An anderer Stelle lässt sich eine himmlische Zeitreise ins Jahr 7 v. Chr. antreten. Gezeigt wird der Sternenhim­mel von Bethlehem. Wer Lust hat, kann sein eigenes Sternbild zur Zeit Christi anklicken.

Fast jede Krippe kann ihre eigene Geschichte erzählen. Die Wittelsbac­her Krippe ist so eine, die von Flucht und neuer Heimat erzählt. Mitglieder des Adelsgesch­lechts waren 1918 ins Exil nach Ungarn geflohen. Um 1930 schnitzten sie die Krippe, die jetzt in Mindelheim zu sehen ist. Darunter ist auch eine Darstellun­g des äthiopisch­en Königs Haile Selassie.

OÖffnungsz­eiten Das Schwäbisch­e Krippenmus­eum, Hermelestr­aße 4 in Mindelheim, ist täglich außer Montag von 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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Foto: Tobias Hartmann Ab diesem Freitag ist das gänzlich neu konzipiert­e Schwäbisch­e Krippenmus­eum in Mindelheim zu besichtige­n.

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