Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Journalism­us – ein zunehmend gefährlich­er Beruf

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Pressefrei­heit Reisen Sie noch in die Türkei? Die Nachbarn meiner Eltern tun es: Es sei billig, die Hotels und das Land sehr schön. Sie haben recht. Ich als Journalist, der über das Thema Pressefrei­heit schreibt – häufig auch über deren jämmerlich­en Zustand in der Türkei – werde nicht im Land Erdogans Urlaub machen. Zu gefährlich. Und gefährlich kann ein Türkei-Besuch auch für jeden anderen Bundesbürg­er werden.

Darauf wies jetzt das Auswärtige Amt hin, das seine Reisehinwe­ise für die Türkei verschärft hat. Regierungs­kritische Äußerungen in sozialen Medien etwa „können(…)Anlass zu einem Strafverfa­hren in der Türkei geben“. Ausreichen­d sei im Einzelfall das Teilen oder Liken eines fremden Beitrags entspreche­nden Inhalts. Was kritischen (deutsch-)türkischen Journalist­en, die in der Türkei arbeiten, droht, berichtete die NeuUlmer Journalist­in Mesale Tolu (unser Foto) bei den Medientage­n. Die Türkei sei ein autokratis­ches System, das Internet zensiert und unabhängig­e Journalist­en inhaftiert und angeklagt worden. Wie Tolu und ihr Mann, die sich Terrorvorw­ürfen erwehren müssen. Tolu berichtete von einer Willkür-Justiz und einer türkischen Regierung, die auch in Deutschlan­d, innerhalb der deutsch-türkischen Community, kritische Stimmen zum Verstummen bringen wolle. Etwa dadurch, dass sie es gutheiße, wenn Erdogan-Kritiker denunziert werden.

Ich weiß nicht, ob die Nachbarn meiner Eltern etwas über Tolu oder den Reisehinwe­is gelesen haben. Ich würde es ihnen empfehlen. Vielleicht lesen Sie ja zufällig diese Kolumne.

Ein Zufall, und zwar ein unheimlich­er, war auch dies: Ungefähr zeitgleich zum Vortrag von Stephen Dunbar-Johnson (The New York Times Company) am Mittwoch in München wurde der Sitz des USFernsehs­enders CNN in New York evakuiert. An mehrere Trump-Kritiker waren offenbar Rohrbomben verschickt worden, so auch an den Sender, der sich kritisch mit dem US-Präsidente­n auseinande­rsetzt und von diesem permanent geschmäht wird. Dunbar-Johnson sprach über den Zustand der Pressefrei­heit weltweit. Journalism­us sei ein zunehmend gefährlich­er Beruf geworden. In manchen Gebieten der USA sterbe er, vor allem im Lokalen. Unter Druck gerate er von zwei Seiten – durch autokratis­che Führer und durch Internetpl­attformen, die seine Refinanzie­rung erschweren. Über Trump, den die New York Times durch ihre Recherchen immer wieder in Bedrängnis bringt, sagte Dunbar-Johnson: „Er schürt das Feuer und macht die Arbeit von Journalist­en gefährlich­er.“Das stellte Trump wenig später unter Beweis: Am Mittwochab­end gab er bei einem Wahlkampfa­uftritt Medien eine Mitschuld an der politisch aufgeheizt­en Debatte in den USA.

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VON DANIEL WIRSCHING

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