Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Augsburg braucht wieder Hilfe aus München
Die Stadt steckt im Strukturwandel. Nach dem Aus für den Lampen-Standort soll das Computerwerk geschlossen werden. Jetzt ist weitsichtige Industriepolitik gefragt
Die Kuschelzeit ist vorbei. Nach dem Ende der Finanzkrise ging es auch in Augsburg ab 2009 jahrelang wirtschaftlich bergauf. Die Stadt boomte im Schatten Münchens – und das trotz der Pleite des Versandhändlers Weltbild. Augsburg profitierte von der allgemein guten Konjunktur. In der Stadt wuchs ein neues Selbstbewusstsein heran. Jammern war gestern. Gerade was unternehmensnahe Forschung betrifft, vollzog die Region einen Sprung nach vorne. Fraunhofer- und DLRWissenschaftler unterstützen Firmen, ob sie aus der Luft- und Raumfahrt, dem Maschinenbau oder der Autoindustrie kommen. In einem zum Innovationspark gehörenden Technologiezentrum können Grundlagen für den Erfolg der Zukunft gelegt werden.
In dem cleveren und von der Staatsregierung geförderten Schwaben-Cluster spielen auch die Uni und die Hochschule eine wichtige Rolle. Die positive Entwicklung wird dadurch gekrönt, dass durch ein Uni-Klinikum die medizinische Forschung immens gestärkt wird.
Wie der örtliche Fußballverein ist Augsburg eine Aufsteiger-Stadt mit großem wirtschaftlichen Potenzial. All diese positiven Entwicklungen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Strukturwandel in der traditionellen Industrie-Metropole noch nicht abgeschlossen ist. Die Einschläge kommen hier immer näher. Alte Branchen schwächeln, bis die Pleitegeier über ihnen kreisen. So blieb es nicht bei den Insolvenzen des Druckmaschinen-Herstellers Manroland und des Kuvertiermaschinenbauers Böwe Systec. Selbst wenn beiden Firmen unter einem anderen Eigentümer ein Neuanfang vergönnt war, konnten sie die alte Bedeutung nicht erreichen.
Manchmal wird das Licht ganz ausgemacht wie beim Lampenhersteller Ledvance. Ein ähnliches Schicksal droht nun dem FujitsuComputerwerk in Augsburg. All das zehrt an der industriellen Substanz der Stadt. Nun müssen Größen wie der Motorenbauer MAN Energy Solutions, der Getriebespezialist Renk, das Luftfahrtunternehmen Premium Aerotec und der Roboterbauer Kuka die örtliche Industriefahne nach oben recken.
Auch wenn in der Stadt immer mehr Start-ups prächtig gedeihen, ja IT-Firmen wie Baramundi oder Xitaso aufhorchen lassen, ist wieder eine beherzte Industriepolitik für den Wirtschaftsstandort gefragt. Die Staatsregierung hat für die Region nach dem Zusammenbruch der Textilindustrie sicher viel getan. Doch die Politiker dürfen sich darauf nicht ausruhen. Augsburg braucht Konzepte, wie sich neue Industriebetriebe und nicht nur Logistiker in der Region ansiedeln.
Es reicht nicht, darauf zu verweisen, dass der Wirtschaftsraum dank Forschungsinstituten und Uni-Klinikum reichlich gefördert wurde. Letztlich sind auch die bayerischen Konzerne in der Pflicht. Statt in der chronisch überlaufenen Münchner Region mit ihren Monster-Mieten, vollen S-Bahnen und Staus noch eine Firma reinzupressen, muss Augsburg stärker ins Spiel gebracht werden. Warum hat BMW sein Zentrum für autonomes Fahren samt Campus in Unterschleißheim bei München und nicht in unserer Region angesiedelt? Dort entstehen rund 1800 Jobs.
Für solche strategischen Entscheidungen bräuchte es industriepolitische Strategie-Füchse, wie es der CSU-Mann Otto Wiesheu war. Deshalb darf man gespannt sein, welche Person das Wirtschaftsministerium leiten wird. Da die konjunkturellen Zeiten wohl rauer werden, sollte das Ressort erstklassig und nicht nach taktischen Überlegungen oder Proporzdenken besetzt werden. Gesucht wird ein Otto Wiesheu II, der weiß, wie wichtig Industrie und Forschungspolitik für Bayerns Zukunft sind.
Gesucht wird ein Wiesheu II