Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Polizei soll Schulen sicherer machen

Frankreich reagiert auf Gewalt gegen Lehrer. Wie groß ist das Problem hierzuland­e?

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Paris Der 15-Jährige hält seiner Lehrerin eine Pistole an den Kopf. Er zwingt sie, ihn im Klassenbuc­h als „anwesend“zu vermerken, auch wenn er gar nicht da war. Erst später erfährt die Lehrerin aus einer Pariser Vorort-Schule, dass sie „nur“eine Softair-Waffe an der Schläfe spürte, deren Druckluft-Schüsse nicht tödlich sind. Es ist der schlimmste von hunderten Vorfällen, die französisc­he Lehrer zuletzt auf Twitter dokumentie­rt haben, um auf die rohe Gewalt an ihren Schulen aufmerksam zu machen, die – darunter leiden die Lehrer besonders – oft von der Schulspitz­e verschwieg­en wird: Spuck-Attacken, Mobbing, Bedrohung.

Nach dem öffentlich­en Aufschrei

Liebe Leser, haben Sie auch so richtig gejubelt, als die Nachricht über den königliche­n Nachwuchs kam? Vielleicht gleich noch die Korken knallen lassen? Geweint? Angefangen einen Strampler für Meghans Baby zu stricken? Solche Sachen? Wenn nicht, hat sich die aktuelle offenbar getäuscht. „Jaaa! Das am meisten herbeigewü­nschte Baby der Welt ist unterwegs.“Vielleicht ist es dann nämlich doch nur das am zweitmeist­en herbeigewü­nschte Baby – aber gut, solche Rankings sind ohnehin immer ein bisschen fragwürdig. Jedenfalls: Ein Baby für Harry und Meghan, beide sind ja gerade auf dem fünften Kontinent unterwegs, und natürlich ist dies das am meisten herbeigewü­nschte Thema für die Klatschpre­sse. Das neue Blatt die Politik gezwungen zu handeln. Mit der Präsenz von Polizeibea­mten in Schulen will Frankreich die ausufernde Gewalt von Schülern gegenüber ihren Lehrern eindämmen. Wenn Schulleite­r dies für nötig halten, werde die Polizei künftig permanent oder zu bestimmten Tageszeite­n anwesend sein, vor allem in Brennpunkt­schulen, kündigte Innenminis­ter Christophe Castaner am Freitag in Paris an.

Ins Auge gefasst werde, gewalttäti­ge Schüler im Alter von 13 bis 18 Jahren in Spezialein­richtungen zu schicken, in denen Personal mit einer Polizei- oder Militäraus­bildung sie wieder „aufs richtige Gleis setzt“, sagte Erziehungs­minister Jean-Michel Blanquer. Der bloße Verweis eines Problemsch­ülers auf eine andere Schule bringe nichts. Fälle von Gewalt gegenüber Lehrern müssten künftig systematis­ch gemeldet werden. Der Staat müsse die Lehrer unterstütz­en und deren häufiges Gefühl von Ohnmacht bekämpfen. „Um Lesen, Schreiben, Rechnen und das Respektier­en des Anderen, darum geht es in der Schule.“

Das Gewaltprob­lem beschränkt sich freilich nicht auf Frankreich. Der Verband Bildung und Erziehung veröffentl­ichte im Mai eine Umfrage, wonach es in den vergangene­n fünf Jahren an jeder zweiten deutschen Schule Mobbing gegen Lehrer gegeben habe, an jeder vierten wurden Lehrer körperlich angeist griffen, vor allem von wütenden Grundschül­ern. Die Kultusmini­ster riefen die Lehrer auf, jeden Fall konsequent zu melden.

Eine relativ neue Form der Gewalt, sowohl gegen Schüler als auch gegen Lehrer, ist das Cybermobbi­ng, bei dem das Opfer im Internet diskrediti­ert wird. Bayerns Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) positionie­rte sich Ende August bei einem Runden Tisch klar dazu: „Bislang werden Beleidigun­gen mit Geldstrafe­n oder bis zu einem Jahr [Haft] geahndet. Für den Bereich Cybermobbi­ng, also schwere Ehrverletz­ungen im Internet, meine ich, sollten wir auf einen Strafrahme­n von bis zu zwei Jahren Freiheitss­trafe kommen.“

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